Sonderpreise für Österreicher: Wie Wiener Hotels Gäste locken
Es wird wohl ungewöhnlich leer bleiben, heuer. Im Sommer. In der Wiener Innenstadt. Keine Schlangen vor dem Café Central, keine Menschentrauben am Michaelerplatz. Und sollte man versehentlich doch von einen unachtsamen Touristen mit Kamera angerempelt werden, wird er sich vermutlich auf Österreichisch entschuldigen statt auf chinesisch.
Der Sommer fällt zumindest aus touristischer Sicht heuer ins Wasser. Im Mai verzeichnete der Wien Tourismus aufgrund der Coronakrise ein Gästeminus von 97,5 Prozent. Nur 39.000 Nächtigungen gab es in der Stadt mit generell rund 68.000 Betten. Und selbst jetzt, in der Feriensaison, befürchten die Hoteliers, dass die Betten leer bleiben.
Nach Wien verführt
Derzeit beträgt die Auslastung maximal 10 Prozent. Damit sich das Geschäft für die Hoteliers rechnet, benötigten sie aber mindestens 70 Prozent Auslastung. Dabei hängen 90.000 Arbeitsplätze vom Tourismus ab. Zuletzt meldeten sich auch die Fremdenführer verzweifelt zu Wort. Ohne Gäste könnte ein Drittel der 1.000 Guides bald gezwungen sein, ihren Job an den Nagel zu hängen.
"Die Situation ist für die Stadthoteliers tatsächlich bedenklich", sagt Christian Lerner. Und Lerner muss es wissen, denn an den Marketingexperten haben sich die Hoteliers mit der Bitte um Hilfe gewandt. Bereits vergangenen Sommer hat er die Aktion "Erlebe deine Stadt" in Wien auf die Beine gestellt.
Nach dem Vorbild Berlins - wo die Aktion bereits seit 2009 läuft - sollten Wiener für einen Kurzurlaub in der Stadt begeistert werden. Die Aktion war zumindest ein Erfolg: 1.200 Menschen nahmen teil. Nun soll es im August mit "Erlebe deine Hauptstadt" eine Art Revival geben. Nur diesmal sollen alle in Österreich lebenden Menschen zu einem Besuch in Wien verführt werden.
Unter Luxus-Laken: Österreicher schlafen um 20 Prozent günstiger
Eingecheckt werden kann bei rund 40 Hotels aus dem gehobenen Segment. Die österreichischen Gäste können aus vier Preiskategorien wählen. Die Hotels selbst haben sich verpflichtet, ihnen die Zimmer gegen Vorlage eines Meldenachweises um zumindest 20 Prozent günstiger anzubieten als regulär.
Los geht es mit Paketen um 199 Euro für zwei Personen und zwei Nächte. Schon um 529 Euro kann man unter die Luxus-Laken in Hotels wie dem Park Hyatt Vienna, dem Bristol Wien oder dem Grand Hotel Wien schlüpfen. Im Preis inkludiert ist bei allen Paketen eine Tour durch das Schloss Schönbrunn. Denn nicht nur Hotels sind vom Gästeausfall betroffen. Frühstück und Abendessen sind nicht im Paket mitinbegriffen. So soll auch die Wiener Gastronomie unterstützt werden.
"Unser Ziel sind 20.000 Gäste", sagt Initiator Lerner. Besser mehr, "weil Wien wirklich jeden Gast aus Österreich braucht".
Warum eigentlich, Christian Lerner
Segen von ganz oben
Die Vorzeichen stehen gut, denn es gibt den Segen von ganz oben. Oder zumindest von Dompfarrer Toni Faber. Der Geistliche unterstützt die Initiative. Neben den Übernachtungen können die Gästen Führungen und Attraktionen kostenlos buchen, die für gewöhnlich kein Tourist zu sehen bekommt.
Wer kann schon von sich behaupten, mit Faber einen Rundgang in der Dachrinne des Stephansdoms absolviert und den Dachboden besichtigt zu haben? Eben. Dabei kommt man übrigens auch der Pummerin ganz nah. „Es wird drei Termine für jeweils 20 bis 30 Personen geben“, verrät Faber.
Auch weitere Attraktionen ermöglichen bisher verborgene Blicke auf die Stadt. So kann in der geschichtsträchtigen Schuhmanufaktur Scheer deren privates Museum der Schuhgeschichte besucht werden. Immerhin beschuhten die exklusiven Schuhmacher einst Kaiser und Könige. Und im Traditionslokal „Schwarzes Kameel“ lockt eine Weinverkostung im geheimen Keller.
Wem das nicht genug ist, der wird bei den Wiener Fremdenführern fündig. Auch sie setzen auf österreichische Gäste, um ihre Ausfälle zu kompensieren – und bieten Grätzel-Führungen und Themen-Spatziergänge zu den eher unbekannten Winkeln der Stadt an.
Saison nicht zu retten
Wien ist nicht die einzige Tourismusregion, die um österreichische Gäste buhlt. Potenzial gibt es. Laut einer aktuellen Umfrage des Sportartikelherstellers Decathlon wollen 60 Prozent der Österreicher den Sommerurlaub im eigenen Land verbringen.
Retten wird das die Saison aber nicht mehr können. Denn Gäste aus Österreich, Deutschland und der Schweiz machen etwa in Wien nur 39 Prozent der Gäste aus. Der Rest stammt aus Fernmärkten und wird heuer wohl nicht mehr nach Österreich reisen. Touristiker rechnen damit, dass es im Jahr 2020 um 60 Prozent weniger Nächtigungen in Wien gibt, als noch im Jahr zuvor.
Die Aktion "Erlebe deine Hauptstadt" läuft im August, gebucht werden kann ab 15. Juli.
Kommentare