Menschenleere Strände in Grado, freie Liegestühle so weit das Auge reicht in Jesolo und fast ausschließlich italienische Touristen in Caorle – trotz Grenzöffnung vergangenen Dienstag läuft der italienische Tourismus nicht so richtig an.
Ursula Bichler war eine der Ersten, die am Dienstag den Grenzübergang nach Italien überquert hat. Jetzt liegt sie am 15 Kilometer langen Sandstrand von Jesolo und schmiert sich die roten Schultern mit Sonnenöl ein. „Es gibt Stellen, da kommt man selber nicht hin“, lacht sie, während sie ihren Sonnenschirm leicht adjustiert. Normalerweise würde der 66-jährigen Oberösterreicherin jetzt ihre Freundin Susanne aushelfen, aber die macht dieses Jahr lieber Österreichurlaub.
Allgegenwärtiges Desinfektionsmittel
„Ich bin schon mit meinen Kindern nach Jesolo gefahren. Seit acht Jahren komme ich jeden Juni mit meiner Freundin. Das hat bei uns Tradition.“ Hatte Tradition, besser gesagt. Denn das Coronavirus ist – obwohl es in Venetien vergleichsweise wenige Fälle gab – immer noch allgegenwärtig. Egal ob Strand, Hotel oder Restaurant: Desinfektionsmittel in allen Formen und Farben sind nirgends weit weg.
„Das Schöne hier in Jesolo ist, dass sich einfach nichts ändert. Man weiß, was man bekommt“, erklärt die Oberösterreicherin. Das sei auch dieses Jahr nicht anders. Nur, dass es mit dem Essen im Hotel schneller gehe und zwischen den Liegestühlen mehr Platz sei.
Freie Plätze gibt es auch in den Strandbars. Massimo Ristoro betreibt eine davon. „Langfristig kann es so nicht weitergehen“, meint der gebräunte Barbesitzer und blickt dabei besorgt auf seine Mitarbeiter. Besonders die Anzahl der österreichischen Gäste würde nur ganz langsam steigen.
Mehr Gäste aus Deutschland
Aus den Hotels hört man dasselbe. Während die Deutschen bereits vermehrt buchen, würden die Österreicher noch abwarten. Hotelier Antonio Vigolo glaubt aber, dass das auch mit den früheren Lockerungen in Deutschland zu tun haben könnte. Die deutsche Regierung hat nämlich bereits am 15. Juni die Reisewarnung für 27 europäische Länder aufgehoben. Jene Betriebe, die bereits davor geöffnet hatten, waren in den vergangenen Wochen gerade einmal zu 30 Prozent ausgelastet.
Ein Blick auf die österreichischen Sommerferien, in denen seine Hotels wieder voll sind, stimmt Hotelier Vigolo aber positiv. „Die Leute können und sollen sich bei uns sicher fühlen und ihren Urlaub genießen“, ist seine Nachricht an Italien-Urlauber.
Das wünscht sich auch Fabio Rossignoli, der am Strand des knapp 90 Kilometer entfernten Caorle die Gazetten verkauft. „Normalerweise gehen im Sommer allein 50 KURIER-Ausgaben pro Tag weg“, erzählt er. Momentan habe der 54-Jährige gar nicht täglich österreichische Zeitungen im Sortiment. Dabei sei die Sorge der Menschen unbegründet, die letzten Corona-Fälle in Caorle habe es laut dem Zeitungsverkäufer im März gegeben.
Sicherheit ist generell das große Thema in den Badeorten an der Adria. Wenn man in der Früh nach einem Abstecher zum Strand den Rezeptionsbereich seines Hotels betritt, kann es schon passieren, dass der Geruch von Desinfektionsmittel in der Luft liegt.
„Zeichensprache“ am Buffet
Ebenso hygienisch geht es beim Frühstücksbuffet zu, wo die Auswahl gewohnt groß ist. Nur, dass es keine Selbstbedienung gibt. Stattdessen wird einfach auf die Speise der Wahl gedeutet. Nicht, dass das sehr bemühte Personal nicht auch mündliche Bestellungen entgegennehmen würde. Da man dabei aber durch zwei Masken, eine Plexiglasscheibe und eine gewisse Sprachbarriere getrennt ist, kommt dann nicht immer genau das auf den Teller, was eigentlich gewünscht war.
Solch kleine Hoppalas machen die Mitarbeiter mit umso mehr Herzlichkeit wett. Acht Kellner kümmern sich im Grand Hotel Astoria in Grado aktuell um 20 bis 30 Frühstücksgäste – damit die Urlauber ja nichts angreifen müssen bzw. ihre Viren nicht verteilen.
Wer nach dem Frühstück zurück auf sein Zimmer geht, findet dieses in vielen Häusern mit einer Art Banderole versiegelt vor. „So können wir den Gästen garantieren, dass nach der Reinigung niemand das Zimmer betreten hat“, erklärt Antonio Vigolo, dessen Hotels in Jesolo stehen. Selbst beim Parken der Autos wird der Fahrersitz vom Personal vor dem Einsteigen mit Folie ausgelegt.
Wassersport statt Kurort
Wichtig sei nun, die Wochen bis zu den Schulferien zu überbrücken, ist man sich in der Branche einig. Die Hoffnung ist groß, dass sich herumspricht, wie entspannt und ruhig Urlaub an der Adria sein kann. Für sich entdeckt haben diese einzigartigen Verhältnisse bereits viele Wassersportler – allen voran Kitesurfer, die den guten Wind in Grado ausnutzen.
Einer von ihnen ist der 65-jährige Burkhard Kratzer: „Die Kiter sind furchtlos und eröffnen jetzt die Saison.“ Angst müsse aber sowieso keiner haben, selbst in Freiluftcafés gebe es getrennte Ein- und Ausgänge. Insgesamt beschreibt er den Wohlfühlfaktor in Italien als hoch wie selten: „Die Menschen sind unglaublich serviceorientiert.“
Was er meint, zeigt ein Spaziergang durch die engen Gassen der Altstadt von Grado oder entlang des sonst so belebten Hafens in Caorle, wo Kellner nahezu um einen buhlen. Selbst in den gefragtesten Restaurants findet man problemlos einen Tisch. Pizza und Pasta werden innerhalb von Minuten serviert. Die, die sich schon nach Italien trauen, freut es. Für die italienischen Hotel- und Restaurantbetreiber können es aber gerne noch mehr werden.
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