"Das sind die besten Betrüger": Polizei sucht Kopf von Familienclan

"Das sind die besten Betrüger": Polizei sucht Kopf von Familienclan
Der Österreicher Martin Marinkovic soll seine prominenten Opfer um Millionenbeträge gebracht haben. 3.000 Euro wurden für Hinweise ausgelobt.

Ein deutscher Influencer, ein US-Investor aus dem Silicon Valley, ein Tiroler Arzt: Der 38-jährige Martin Marinkovic und seine Mittäter wählten ihre Opfer nicht zufällig aus. 

Martin Marinkovic gilt als "Capo" einer Wiener Clanfamilie, die bereits in der Vergangenheit durch eine spezielle, hochprofessionelle Betrugsform aufgefallen war: Rip Deals. Bei Rip Deals geht es um Scheingeschäfte.

"Das sind die besten Betrüger": Polizei sucht Kopf von Familienclan

"Das sind die besten Betrüger": Polizei sucht Kopf von Familienclan

"Das sind die besten Betrüger": Polizei sucht Kopf von Familienclan

"Das sind die besten Betrüger": Polizei sucht Kopf von Familienclan

Der reiche Russe, der Scheich aus den Emiraten

Rip-Deal-Betrüger gaukeln ihren Opfern vor, Luxusgüter wie hochpreisige Uhren, Immobilien, Boote oder auch Goldbarren oder Kryptowährungen kaufen zu wollen. Sie geben sich dabei als reiche Geschäftsleute, Oligarchen oder Scheichs aus und feilschen beim Handeln auch nicht. 

"Das sind die besten Betrüger": Polizei sucht Kopf von Familienclan

Valentin Szaga-Doktor, Ermittler der Rip-Deal-Unit, erklärte die Vorgehensweise der Betrüger auf einer Pressekonferenz. 

So auch im aktuellen Fall. Seit 2021 ermittelt die Rip Deal Unit Vienna in der Operation "Nipote", was übersetzt "Neffe" bedeutet, gemeinsam mit internationalen und nationalen Behörden gegen mehrere Personen dieses Clans - deren Wurzeln auch in die Niederlande, nach Italien und Belgien reichen.

"Unübliche Vorgehensweise"

Ermittler gehen davon aus, dass der Clan für zumindest sechs Rip-Deals in den vergangenen drei Jahren verantwortlich ist. "Dabei kam es auch mehrfach zur Anwendung von Gewalt, die Opfer wurden mit Faustfeuerwaffen bedroht. Das ist für dieses Delikt durchaus unüblich", sagte der Leiter der Rip-Deal-Unit Vienna, Chefinspektor Gerald Goldnagl

Rip-Deal-Betrüger stammen hauptsächlich aus der Westbalkan-Gegend und agieren hochprofessionell, so der Ermittler. "Es handelt sich bei dieser Deliktform wahrscheinlich um die besten Betrüger auf diesem Kontinent", ergänzte Valentin Szaga-Doktor, Ermittler der Rip-Deal-Unit.

Fall 1: Der Tiroler Arzt

Begonnen hat alles mit der Anzeige eines Tiroler Arztes im Juli 2021. Der heute 41-Jährige vertrieb Gesundheitsprodukte und wurde von den unbekannten Tätern kontaktiert, die ihm ein Geschäft im Bereich des Hygiene- und Schutzmaskenvertriebs anbieten wollten. 

"Das Opfer wurde bei dem Treffen in Bozen aber misstrauisch und wollte von dem Verkauf zurücktreten. Als die Täter das merkten, bedrohten sie den Mann mit einer Faustfeuerwaffe", erklärte Ermittler Szaga-Doktor. Die Täter raubten Goldmünzen im Wert von 160.000 Euro. 

Fall 2: Der Wiener Pensionist

Nur ein Monat später, im August 2021, erstatte ein heute 84-jähriger Wiener Pensionist Anzeige. Der Mann war von einem vermeintlichen Vermittler, der den Verkauf seines Ferienhauses organisiert haben soll, in Udine bei der Provisionszahlung über den Tisch gezogen worden. "Die Täter machten sich in dem Fall offenbar das Alter des Mannes zunutze und entrissen ihm seine Geldbörse", schilderte der Ermittler.

Ein Zusammenhang zwischen den beiden Taten war rasch hergestellt, da das zweite Opfer den Tatverdächtigen wiedererkannte, der unter demselben Namen operierte. 

Fall 3: Der zweite Tiroler

Ähnlich war es beim dritten Fall, auch dieses Opfer erkannte Martin Marinkovic als Verdächtigen wieder. Der heute 40-jährige Tiroler wurde in Verona betrogen. Auch in diesem Fall ging es um den Verkauf einer Wohnung. Als Vermittlungsprovision zahlte der Mann einen mittleren fünfstelligen Eurobetrag und erhielt dafür Falschgeld.

Fall 4: Der deutsche Influencer

Im Jänner 2023 kontaktierte ein deutscher Influencer, heute 34 Jahre alt, die Rip Deal Unit Vienna, da er von einem vermeintlichen Scheich, der Investment-Absichten und Interesse an Luxusuhren hatte, nach mehreren Treffen in verschiedenen Ländern, schlussendlich in Brüssel betrogen wurde. "Das Opfer übergab den Betrügern Uhren im Wert von 300.000 Euro", erklärte der Betrugsexperte.

Auch Kryptowährungen im Wert von weiteren 300.000 Euro lockte der "Scheich" dem Influencer heraus. 

Fall 5: Der US-Investor aus dem Silicon Valley

Nicht einmal ein Monat später wandte sich ein US-Investor aus dem Silicon Valley an die Landespolizeidirektion Wien. "In der Hochphase des Ukraine-Krieges wollte der Mann eine Million US-Dollar an Kriegswaisen spenden. Da er das über Kryptowährungen abwickeln wollte, war es ihm ein Anliegen, dass so wenig Spesen wie möglich anfallen", schilderte der Ermittler. 
 
Die Betrüger versicherten dem heute 27-Jährigen, dass beim Geschäft mit ihnen keinerlei Spesen anfallen würden - was bei einer Transaktion von 1 Million US-Dollar zu einem Verlust von mehreren 10.000 Euro geführt hätte. 

Der rumänische Tisch

Es kam schließlich zu einem Treffen in Mailand, bei dem die Clan-Mitglieder eine Masche anwandten, die den Ermittlern in den vergangenen 20 Jahren nicht mehr untergekommen ist: der rumänische Tisch. In einem Holztisch versteckte sich einer der Betrüger, während die anderen versuchten, den 27-Jährigen abzulenken. Der Deal: eine Million US-Dollar in bar gegen einen Teil seines Vermögens in Kryptowährungen. 

Die Kriminellen zeigten ihrem Opfer das Geld in bar und legten dieses in die Lade des präparierten Tisches. Doch als das Opfer aus dem Tisch ein verdächtiges Husten hörte, machte der 27-Jährige einen Rückzieher. "Der Mittäter im Tisch hätte das echte Geld ursprünglich gegen Falschgeld austauschen sollen", erklärte der Ermittler der Rip Deal Unit Vienna die geplante Vorgehensweise der Täter. 

Einer der Betrüger zielte daraufhin mit einer Waffe auf den US-Investor und drohte, ihn umzubringen. Außerdem verlangten die Kriminellen die Herausgabe der Passwörter für das Krypto-Wallet des Opfers, welches einknickte und die Codes verriet. 

"Das sind die besten Betrüger": Polizei sucht Kopf von Familienclan

Der rumänische Tisch. 

Fall 6: Der Chocolatier

Ebenfalls im März 2023 erstattete ein heute 60-jähriger Mann Anzeige bei der Landespolizeidirektion Salzburg, da er bereits 2020 von einem Mann einer vermeintlichen Investmentfirma aus Luxemburg kontaktiert wurde. Der Mann hatte damals angegeben, in seine Projekte investieren zu wollen. 

Bei einem finalen Treffen in Mailand, wo es vor der Investition zu einer Sicherheitszahlung seitens des späteren Opfers kommen sollte, attackierte ein Betrüger das Opfer mit einem Schlag gegen die Brust und raubte Bargeld im unteren sechsstelligen Bereich.

"Insgesamt entstand im dem Fall ein Gesamtschaden von 2,2 Millionen Euro", sagte Valentin Szaga-Doktor. Eine Summe von 1,5 Millionen Euro Falschgeld sei außerdem im Spiel gewesen. 

Verdächtiger ergriff die Flucht

Schließlich meldeten die Behörden nach jahrelangen Ermittlungen gegen den Clan einen ersten Erfolg: Martin Marinkovic wurde im Herbst vergangenen Jahres in Mailand festgenommen. Lang dauerte der Erfolg jedoch nicht an: "Der Verdächtige konnte flüchten", sagte der Ermittler der Betrugseinheit. 

Gegen den Tatverdächtigen liegt ein europäischer Haftbefehl vor. Die Behörden entschieden sich nun dazu, die Bevölkerung um Mithilfe bei der Ausforschung des Aufenthaltsorts von Martin Marinkovic zu bitten und Lichtbilder des 38-jährigen Österreichers zu veröffentlichen. 

Für Hinweise, die zur Festnahme des Verdächtigen führen, wird vom Verein der Freunde der Wiener Polizei ein Geldbetrag in der Höhe von 3.000 Euro ausgelobt. "Hinweise werden streng vertraulich behandelt und – auch anonym - an das Landeskriminalamt Wien, Außenstelle Zentrum Ost, Rip Deal Unit Vienna, unter der Telefonnummer 01-31310-62510 erbeten", heißt es von der Polizei. 

Kommentare