An Ägypten erinnert zunächst nicht viel, wenn man Saal 1 der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung im Kunsthistorischen Museum in Wien (KHM) betritt. Alles ist mit Metallgerüsten zugestellt, bis ganz nach oben zur acht Meter hohen Decke.
Die Ausstellungsobjekte, die hier normal zu sehen sind, sind verpackt und mit Schutzfolie abgedeckt. Bei einem erkennt man zumindest noch die charakteristischen Umrisse eines Sarkophags.
Steigt man auf das Gerüst, fühlt man sich schon eher wie in einem Pharaonengrab – und das nicht nur, weil es aufgrund der verklebten Fenster und dem anhaltenden Sommer sehr heiß und gleichzeitig stickig ist. Sondern auch, weil an den Wänden überall typisch ägyptische Malereien zu sehen sind.
Restaurateurs-Kodex
Berenike Wasserthal-Zuccari steht mit einem Pinsel und einer Farbpalette mit lauter Blautönen davor. Sie ist Teil des Restaurationsteams, das derzeit die Tapeten und Wandmalereien bearbeitet.
Wasserthal-Zuccari arbeitet mit winzigen Pinselstrichen. Wenn Besucher später von unten hinaufsehen, werden sie ein einheitliches Blau sehen. Aus der Nähe werden fachkundige Restauratoren aber anhand des feinen Liniennetzes sofort erkennen, dass hier nachgebessert wurde. „Dass ist Teil des Restaurateurs-Kodex“, sagt sie.
Man sei dazu da, die Dinge zu erhalten, nicht zu verfälschen oder zu beschönigen. Darum wird nie ganzflächig drüber gemalt, sondern die Restauratoren hinterlassen nachfolgenden Generationen ein sichtbares Zeichen ihrer Nachbesserungs-Arbeit.
Die Tapeten zieren seit der Eröffnung des Museums im Jahr 1891 die Wände – und wurden seither nie restauriert. Dabei sind sie weit mehr als nur Bilder, die eben ein bisschen ägyptisch aussehen. Sie haben eine ganz eigene Geschichte.
Im Grab abgemalt
Die Malereien sind eine Reproduktion der Zeichnungen in einem Grab aus dem ägyptischen Mittleren Reich, also circa 1870 vor Christus. Alle Darstellungen aus dem Felsgrab des Gaufürsten Chnum-hotep II. wurden im Zuge der Preußischen Expedition nach Ägypten und Nubien (1842 bis 1845) abgepaust.
Die Bilder wurden danach auf Kartonagen übertragen und für einen Nachbau des Grabes verwendet, der bei der Wiener Weltausstellung 1873 gezeigt wurde.
„Wenn man genau hinsieht, merkt man, dass unterschiedliche Maler mitgearbeitet haben“, sagt Regina Hölzl, Direktorin der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung. Besonders erkennbar sei das bei den Gesichtern. „Manche sind sehr schön gestaltet, andere haben schon fast etwas Karikaturhaftes.“
Restaurations-Fortschritt
Auf den Social Media-Kanälen des Kunsthistorischen Museums werden laufend Einblicke in die Arbeiten hinter den Kulissen sowie den Fortschritt der Restaurierungsarbeiten gezeigt
Video-Vorträge
Zusätzlich werden Online-Vorträge von Regina Hölzl, Direktorin der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung angeboten. Sie sind beim Youtube-Kanal „Kunsthistorisches Museum Wien“ abrufbar
Bedeutende Sammlung
In der Sammlung sind 17.000 Objekte aus einem Zeitraum von rund 4.500 Jahren zu sehen
Bei der Restauration müsse man jedenfalls sehr vorsichtig vorgehen, erklärt Wasserthal-Zuccari. Gestartet wurde mit der Oberflächenreinigung. „Hier musste man sich mit Pinselchen und Schwämmchen vorsichtig herantasten“, sagt sie. Danach wurde das Material gefestigt und jetzt sei man bereits beim Feinschliff.
Im Saal 1 sind die Arbeiten somit fast abgeschlossen, ab Mitte Juli ist der Raum für Besucher wieder betretbar. Danach wird im benachbarten Saal 5 weitergearbeitet. Dass Saal 5 neben Saal 1 liegt, ist seltsam, aber historisch begründet: Sie folgen einer alten Nummerierung.
Und irgendwie ist das ja auch authentisch. Pyramiden sind schließlich auch dafür bekannt, dass man sich darin leicht verirren kann.
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