„Wir haben eine der weltweit großen Sammlungen und können uns messen mit dem Louvre, dem Metropolitan Museum in New York, der Eremitage oder einer Mischung aus British Museum und National Gallery.“ Paul Frey, kaufmännischer Geschäftsführer des Kunsthistorischen Museums (KHM), betont selbstbewusst den internationalen Stellenwert von Österreichs größter Museumsgruppe.
Wirtschaftlich läuft’s auch gut, Generaldirektorin Sabine Haag und Frey haben 2019 wieder ein Rekordjahr hingelegt. Die Gästezahl wurde in den vergangenen zehn Jahren von 1,1 auf 1,745 Millionen Besucher gesteigert. Damit ist das KHM unter den Bundesmuseen vor dem Belvedere die Nummer eins.
Der Anteil der so genannten eigenwirtschaftlichen Erlöse erhöhte sich von 30 Prozent (2007) auf mehr als 52 Prozent des Gesamtbudgets. Erstmals sind die Einnahmen aus Ticketverkauf, Shops, Objektverleih, Sponsoring, Spenden und Events deutlich höher als die Subvention des Bundes.
Für heuer ist ein Gesamtbudget von rund 50 Millionen Euro geplant, 26 Millionen davon stellt das Museumsteam selbst auf.
Das Führungsduo könnte unterschiedlicher nicht sein, funktioniert aber seit Jahren bestens. Sabine Haag, die im absurden Theater um die Bestellung und Absage ihres Doch-Nicht-Nachfolgers Eike Schmidt Nervenstärke und Loyalität bewies, kommt aus der Wissenschaft.
Frey hat zwar eine Leidenschaft für Kulturgeschichte, ist aber ein waschechter Manager. Er hat Stationen in der Wirtschaftsprüfung, der Versicherungswirtschaft und beim Postbus hinter sich.
2007, bei seinem Amtsantritt als Kaufmann des Museums, war er der erste kaufmännische Geschäftsführer eines Bundesmuseums, später wurden in den anderen Häusern ebenfalls Doppelführungen bestellt.
„Ein Museum ist heute auch ein Geschäftsmodell“, erklärt Frey. Die staatlichen Subventionen seien seit zehn Jahren gedeckelt, „alle Kostensteigerungen und Investitionen müssen wir selbst verdienen“. Seit 2009 wurden in Summe 100 Millionen Euro investiert.Welche wirtschaftliche Benchmark hat sich das Team Haag-Frey gesetzt? „Museen sind eine wirkliche Wachstumsbranche. Wir wollen immer stärker wachsen als der Wien Tourismus.“
Die Ökonomin Agnes Streissler-Führerschätzte in einer Studie die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung der Bundesförderung für den Standort Österreich auf den Faktor 1,8. Tendenz steigend.
Heute ist das KHM, das aus einem Museumsverbund mit acht Standorten besteht, international in allen relevanten Reiseführern vertreten, ebenso auf Tripadvisor, Instagram etc. „Ohne Social Media funktioniert eine Marktbearbeitung längst nicht mehr“, meint Frey.
Dem KHM ist es gelungen, das Publikum zu verjüngen – „um rund zehn Jahre“ – und breiter aufzustellen. Im Vorjahr wurden beispielsweise beinahe 6.000 Jahreskarten für unter 25-Jährige (um 25 Euro) verkauft. Bis 19 Jahre ist der Eintritt ohnehin kostenlos.
Wie alle Wirtschaftszweige müssen sich auch Museen mit der Digitalisierung auseinandersetzen. Man wolle „kein Museums-Dino sein. Wir müssen für die nächsten Jahrzehnte denken, über Entwicklungen, die heute noch unrealistisch sind“.
Auch im digitalen Zeitalter „ist die direkte Begegnung wichtig“. Vor einem Original zu stehen ist nicht vergleichbar mit der Ansicht im Internet. Nach heutigen Maßstäben.
„Wir können jedoch nicht ausschließen, dass die Echtheit eines Erlebnisses in Zukunft anders beurteilt wird als heute. Was werden die Menschen künftig als originalen Moment erleben?“, gibt Frey zu bedenken. Ein Museum, das diesen Transformationsprozess verschlafe, „ist in 50 Jahren nicht mehr relevant“. Weshalb das KHM Partner des großen europäischen Forschungsprojektes „Future Museum“ ist.
Warum aber braucht das KHM überhaupt staatliche Subventionen? Weil das Museum auch einen Forschungsauftrag hat und mit 150 Wissenschaftern eine der größten außeruniversitären Forschungseinrichtungen finanziert.
„Aufseher“ und „Oberaufseher“ gibt’s übrigens längst nicht mehr im KHM, man spricht von „Guest Services“. Die Fluktuation unter den mehr als 820 Mitarbeitern ist gering. Und aus „Besuchern“ wurden „Gäste“.
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