Prozess: Bettlägriger Mann erschoss sich, Freund soll ihm geholfen haben

Helping the needy
82-jähriger Pensionist bestreitet den Vorwurf. "Hilfeleistung ist auch nicht mehr strafbar", argumentiert Anwältin.

"Was hast du unter der Decke? Hast du die Pistole gekriegt? Bitte tu das nicht!"

"Geh aus dem Zimmer, sonst musst du zuschauen."

Sekunden später war der 83-Jährige tot.

Er war lebenslustig, immer unter Menschen, eine Gastro-Legende. Doch dann kam es für den Wiener Schlag auf Schlag. Plötzlich starb seine Frau. "Am liebsten wär' ich bei ihr", sagte er nach dem Schicksalsschlag. Dann kam ein Sturz, bei dem sich der betagte Mann drei Wirbel brach. Ab diesem Moment war der ohnehin angeschlagene 83-Jährige ans Bett gefesselt.

Am 18. Mai des Vorjahres erschoss er sich. Und deshalb ist sein langjähriger Freund angeklagt wegen Mitwirkung an der Selbsttötung angeklagt. Er soll seinem Freund den Revolver ans Bett gebracht haben.

"Nicht schuldig", erklärt der 82-jährige Angeklagte am Donnerstag im Landesgericht für Strafsachen. "Ich habe das nicht getan." Doch die Staatsanwaltschaft ist sicher: Der angeklagte Pensionist hat den Tod des Mannes organisiert.

Neues Gesetz

Erst mit Jahresbeginn 2022 haben sich die Voraussetzungen für Sterbehilfe in Österreich geändert. "Seither ist die Hilfeleistung nicht mehr strafbar, die gesetzliche Grundlage gilt nicht mehr", sagt Rechtsanwältin Anita Schattner. Außerdem habe niemand gesehen, dass ihr Mandant dem Freund die Waffe ausgehändigt hätte. Der Staatsanwalt kontert: Auch bei der aktuellen Sterbehilfe-Regelung ist eine ärztliche Aufklärung verpflichtend. Die gab es nicht.

Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Werner R. und den Angeklagten verband eine lange Freundschaft. "40 Jahre", präzisiert der Pensionist, der im grauen Anzug zur Verhandlung kommt. Sein Freund habe ihn gebeten einen Schlosser zu organisieren. Der sollte einen Tresor öffnen, in dem sich auch Schusswaffen befanden. "Er wollte die verkaufen", erklärt der Mann.

Der Angeklagte nahm den Schlosser am 18. Mai vor der Wohnung des Opfers in Empfang und brachte ihn ins Schlafzimmer, in dem sich auch der Tresor verband. Sechs Stunden lang werkte der Handwerker, bis er den Tresor endlich öffnen konnte. Die 24-Stunden-Hilfe des Mannes und der angeklagte Freund warteten in der Zwischenzeit in einem Nebenzimmer.

Selbst gegangen?

Werner R. rief seinen Freund ins Zimmer. "Gib mir das Geld raus", bat er ihn. Dass auch Waffen im Tresor waren, habe er nicht gemerkt, erklärt der Angeklagte. Wenig später sei er gegangen. Sein Freund müsse die paar Schritte zum Tresor selbst geschafft haben, erklärt er.

Die 24-Stunden-Hilfe widerspricht vehement. "Er konnte nicht allein aufstehen. Er konnte sich nicht einmal allein aufsetzen." Sie schildert, dass der Angeklagte und Herr R. noch miteinander geflüstert hätten, bevor der Freund ging. "Dann hat er mich reingerufen, ich sollte ihm das Handy geben, damit er seine Tochter anrufen kann", erinnert sie sich.

Das letzte Telefonat war kurz, wie auch die Tochter schildert. "Er hat mir gesagt: Ich geh jetzt zur Mama. Kümmer dich um die Katzen." Als sie nachfragte, habe ihr Vater nur gesagt: "Das ist jetzt so." Dann legte er auf.

"Seien Sie ehrlich!"

Doch die 24-Stunden-Hilfe hegte Verdacht. Sie wusste, dass sich Waffen im Haus befanden. "Ich habe gesehen, dass er etwas unter seiner Bettdecke hatte. Dann hat er mir die Waffe auch gezeigt."

Panisch rief die Frau die Tochter an. Dann brach der Schuss.

"Bitte seien Sie ehrlich", appelliert die Frau an den Angeklagten.

"Ich war es nicht", wiederholt er.

Auf der Waffe fanden sich nur DNA-Spuren des Opfers.

Prozess auf März vertagt. Der Schlosser, der ebenfalls als Zeuge aussagen sollte, war nicht erschienen. Zudem sollen medizinische Unterlagen herbeigeschafft werden.

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