Parteitag der SPÖ Wien: Zäune, Tunnel und Häuseln
Das beachtliche Polizei-Aufgebot und die Sperrgitter vor dem Eingang sollten ihre Wirkung nicht verfehlen: Keinem der Umweltaktivisten, die an diesem Samstag gegen die umstrittenen Verkehrsprojekte Lobautunnel und Stadtstraße protestieren, gelang es, auch nur in die Nähe der Messe Wien vorzudringen.
Dort hielt die SPÖ Wien ihren Landesparteitag ab. Es war der erste nach einer zweijährigen coronabedingten Zwangspause.
Nicht verhindern konnte das rote Partei-Management allerdings den Widerstand aus den eigenen Reihen, der sich an diesem Nachmittag laut zu Wort meldete. Der Streit um Sinn und Unsinn des Milliarden-Projekts im Nordosten Wiens, das vonder Parteispitze forciert wird, sollte den Parteitag prägen.
Das hat offenbar auch Parteichef Michael Ludwig bereits geahnt, als er am Vormittag in seiner Rede ausführlich das Straßenprojekt verteidigte. „Wir werden in einer ständig wachsender Stadt auch neue Straßen brauchen.“ Und weiter: Es handle sich um ein viele Jahre lang unter Einbindung von Experten geprüftes Projekt. Der (aktuell von der grünen Umweltministerin Leonore Gewessler auf Eis gelegte) Tunnel würde die Lobau nicht beeinträchtigen, so Ludwig.
„Anderswo werden auch Straßen gebaut, nur in Wien soll aus symbolischen Gründen keine gebaut werden. Ich bin aber verantwortlich für die Bevölkerung, nicht für Symbole“, so der Bürgermeister und Wiener SPÖ-Chef.
Am Nachmittag dann der Showdown: Zur Abstimmung stand ein Leitantrag, der sich für die Nordostumfahrung ausspricht, daneben aber auch einige Anträge gegen Tunnel und Stadtstraße. Hinter ihnen standen vor allem die Jugendorganisationen und Vertreter der SPÖ Alsergrund.
Aufstand der Jungen
Sie nutzten die Veranstaltung zum Aufstand gegen die Parteispitze. Bestückt zum Teil mit selbst gebastelten Tafeln. „Wenn alle Bundesländer Straßen bauen, müssen wir das nicht auch tun“, argumentierte etwa die junge Delegierte Nora Hasan. „Das haben wir ja in der Corona-Politik auch nicht gemacht und sind stolz darauf.“
Lucia Grabetz aus der Inneren Stadt sah das anders: „Der Hacklerin nutzt es nichts, wenn wir die Stadt einstampfen und eine Blumenwiese daraus machen.“ Verwundert zeigte sich Ernst Nevrivy, Bezirksvorsteher in der Donaustadt: „Es ist neu für mich, dass ich über Stadtstraße und Lobautunnel innerhalb der Partei diskutieren muss“, appellierte er an die Geschlossenheit der Genossen. „Es geht darum, ob wir hinter dem Bürgermeister stehen, der von den Grünen und den ganzen Häuseln da draußen beleidigt wird. Wir lassen uns keinen Keil reintreiben.“
Gegner in Unterzahl
Trotz aller Mobilisierung blieben die Tunnelgegner parteiintern deutlich in der Minderheit. Das zeigte der tosende Applaus, den die Tunnel-Befürworter ernteten. Allen voran Verkehrsstadträtin Ulli Sima, die ihre jungen Genossen davor warnte, das Narrativ des politischen Gegners, also der Grünen, zu übernehmen.
Erwartbar fiel das Abstimmungsergebnis aus: Die Anträge für die Umfahrung wurden angenommen, jene dagegen nicht.
Sachlicher ging die Debatte um die Statutenreform über die Bühne: Künftig wird es nur noch alle zwei Jahre einen Landesparteitag geben. In den tagungsfreien Jahren soll es stattdessen mindestens eine „Wiener Konferenz“ geben. Ein Mini-Parteitag mit 400 statt der üblichen 1.000 Delegierten, mit dem man rasch Beschlüsse zu aktuellen Geschehnissen herbeiführen kann. Der entsprechende Antrag wurde angenommen.
94,4 Prozent für Ludwig
Und gänzlich friktionsfrei lief die Wahl der Parteiführung ab. Michael Ludwig wurde mit 94,4 Prozent der Stimmen als Landesparteiobmann bestätigt. Das ist eine deutliche Steigerung zu 2019, wo er 90,8 Prozent einfuhr.
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