Parteitag der SPÖ Wien: "Schlechteste Bundesregierung der Zweiten Republik"

Parteitag der SPÖ Wien: "Schlechteste Bundesregierung der Zweiten Republik"
Rendi-Wagner rechnet beim Parteitag der SPÖ Wien mit dem Bund ab. Ludwig mit 94,4 Prozent als Parteichef bestätigt. Wirbel um Häusel-Sager.

In der Messe Wien hat am Samstagvormittag der Landesparteitag der Wiener SPÖ begonnen. Die rote Großveranstaltung hätte ursprünglich schon 2020 über die Bühne gehen sollen, Corona sorgte aber für zwei Verschiebungen.

Der Wiener Parteitag stand unter dem Motto „Entschlossen den Wiener Weg gehen“. Ganz auf Sicherheitsmaßnahmen verzichtete man auch heute nicht. Einlass fanden nur Personen, die geimpft, genesen oder PCR-getestet sind. Und im Saal herrscht strikte Maskenpflicht. Lediglich am Platz darf der FFP2-Schutz abgenommen werden.

Bürgermeister Michael Ludwig stellte sich der Wiederwahl zum Landesparteichef. Er wurde mit 94,4 Prozent der Stimmen bestätigt. Bei der letzten Wahl 2019 hatte er 90,8 Prozent erreicht.

Rendi rechnet mit Türkis-Grün ab

Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner nutzte ihren Auftritt für eine scharfe Abrechnung mit der türkis-grünen Bundesregierung: "Vom besten aus zwei Welten wurde die schlechteste Bundesregierung der Zweiten Republik."

Parteitag der SPÖ Wien: "Schlechteste Bundesregierung der Zweiten Republik"

Dies gelte nicht zuletzt für das aktuell alles beherrschende Thema der Teuerung: "Alles wird teurer, nur die Ausreden der Bundesregierung werden immer billiger."  Und weiter: "Wenn Menschen, die täglich zur Arbeit gehen, nicht mehr wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen, ist das eine Schande für unser Land." Doch die Regierung unternehme nichts dagegen: "Elf Milliarden Euro Mehreinnahmen des Finanzministers durch die Teuerung. Warum wird ein Teil nicht wieder zurückgegeben an die, die es besonders brauchen? Stattdessen sollen sich die Gewerkschafter bei den Löhnen zurückhalten. Das werden sie auf Zuruf dieser Bundesregierung aber nicht tun."

Ruf nach Neuwahl

Man müsse kein Hellseher sein, um zu sehen, dass diese Regierung einen Scherbenhaufen hinterlassen werde. "Aber wenn immer das der Fall war in diesem Land, haben wir ihn beseitigt", sagt Rendi-Wagner. Ein SPÖ-Bundeskanzler habe nach der Finanzkrise eine ordentliche Steuerreform und sinnvolle Investitionspakete gegen den Willen der ÖVP gemacht. "Wir machen Politik für die Vielen, sie für die Wenigen", so die SPÖ-Chefin. Im Interesse des Landes sollte es daher "eher früher als später" Neuwahlen geben."Damit die Vielen wieder eine Stimme bekommen."   

Wiener Corona-Regeln

In seiner Ansprache verteidigte Ludwig die weiterhin strengeren Corona-Regeln in Wien: "Wir kämpfen um die Gesundheit von allen Menschen. Mit unseren Maßnahmen in der Delta-Welle haben viele ihre Gesundheit behalten. Deshalb setzen wir unsern Weg fort."

Dass in den öffentlichen Verkehrsmitteln getragen werden müssen, aber nicht zum Beispiel in der Disco begründet Ludwig so: In die Disco müsse man nicht gehen, die Öffis hingegen müsse man benutzen.

Intensive Debatten gab es über so manche Anträge. Zum einen wurde über eine Reihe von Statutenänderungen diskutiert. Parteitage sollen künftig etwa nur mehr alle zwei Jahre stattfinden. Bisher standen diese Treffen alljährlich auf dem Programm, wobei der Parteichef sich alle zwei Jahre einer Wahl stellen musste. Nun ist angedacht, nur mehr die Wahlparteitage durchzuführen. Der entsprechende Antrag wurde angenommen.

 

Parteitag der SPÖ Wien: "Schlechteste Bundesregierung der Zweiten Republik"

Nun ist angedacht, nur mehr die Wahlparteitage durchzuführen. Zugleich wird das deutlich kleinere Format der „Wiener Konferenz“ eingeführt. Diese kann bei Bedarf zur Diskussion aktueller politischer Themen angesetzt werden. Unumstritten ist die Änderung nicht, man behält sich darum vor, notfalls zum „alten“ Modell zurückzukehren.

Streitpunkt Lobautunnel

Definitiv umstritten sind auch die von Ludwig angesprochenen Straßenbauprojekte im Nordosten Wiens. Die Bezirksorganisation Alsergrund und die Junge Generation sprachen sich via Antrag für „Zukunftsperspektive statt Tunnelblick“ aus. Die laut Antragstellern „nicht nachhaltigen und nicht sozialen“ Projekte sollten nicht umgesetzt werden, heißt es.

In der intensiven Diskussion wurde von den roten Projektgegnern etwa argumentiert, dass andere Bundesländer zwar Straßen bauen würden - Wien hier aber nicht unbedingt mitziehe müsse. Auch in der Coronapandemie habe man einen eigenen Weg verfolgt, gab man zu bedenken. Mittels Plakataktion („Kein Beton am Wiener Weg“) wurde um einen Verzicht auf die Vorhaben ersucht.

Wirbel um Häusel-Sager

Der Donaustädter Bezirkschef Ernst Nevrivy befand hingegen, es gehe um die Frage, ob die Wiener Partei hinter der Stadtregierung und dem Bürgermeister stehe, der von den Grünen und den „ganzen anderen Häus'ln da draußen“ beleidigt werde. Verkehrsstadträtin Ulli Sima beteuerte, dass man in Wien drei Mal so viel Geld für Öffis als für Straßen ausgebe. Letztere seien aber etwa für die Transitentlastung nötig.

Nevrivy Wortwahl sorgte für Empörung: "Ich schäme mich für einen Parteitag, wo jemand solche Beleidigungen macht", so der Delegierte Axel Magnus. Auch auf Twitter gingen die Wogen hoch.

Zu dem Thema wurde heute auch demonstriert. Die Initiative „Lobau Bleibt“ veranstaltete gemeinsam mit zahlreichen weiteren Gruppen eine Kundgebung. Die Demo durfte jedoch nicht bis zur Messe ziehen. Dies war schon im Vorfeld untersagt worden. Entsprechend groß war die Polizeipräsenz im Umfeld des Veranstaltungsortes.

Man werde „zu Tausenden“ auf die Straße gehen, ließ man wissen. Eine Kundgebung direkt bei der Messehalle wurde allerdings untersagt. Tatsächlich wurde auch vor dem Beginn der Veranstaltung beim Eingang nicht demonstriert - anders als in den vergangenen Jahren, als etwa Jugendorganisationen immer wieder zu verschiedenen Themen dort protestierten. Zu sehen waren lediglich zahlreiche Polizisten, die sich im Umfeld postiert hatten.

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Ludwig verteidigte in seiner Ansprache ausführlich die unstrittenen Projekte: " Wir werden in einer ständig wachsenden Stadt auch neue Straßen brauchen", betont er. Es handle sich um  ein jahrelanges Projekt mit Einbindung von Experten. Die ursprüngliche Idee der Donauquerung sei eine Brücke gewesen, beim jetzigen Plan handle es sich um einen Tunnel, der Lobau nicht beeinträchtige.

Die Stadtstraße in der Donaustadt wiederum habe mit der Lobau nichts zu tun. "Anderswo werden auch Straßen gebaut, nur in Wien soll aus symbolischen Gründen keine gebaut werden. Ich bin aber verantwortlich für die Bevölkerung, nicht für Symbole." Es gehe darum, ob junge Menschen eine Wohnung, einen Kindergarten oder eine Zentralberufsschule haben.

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Für Neutralität

Abschließend sprach sich Ludwig für die Bebehaltung der Neutralität aus: "Wenn jetzt Schweden und Finnland der NATO beitreten, ergibt sich für uns als einziges neutrales Land am europäischen Festland, als Sitz der UNO, die Chance, sie neu zu definieren, um zur internationalen Konfliktbereinigung beizutragen."

So sieht das auch Rendi-Wagner: "Mögen doch andere die Neutralität in Frage stellen, ich mache das nicht." Sie plädiert für dipomatische Maßnahmen zur raschen Beendigung des Ukraine-Kriegs: "Waffen und Sanktionen alleine – so wichtig sie auch sind – werden diesen Krieg mittelfristig nicht beenden."

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