Kosten-Schutz durch Versammlungsfreiheit
Die Wiener Polizei, die für ihre zurückhaltende Taktik anfangs viel Kritik einstecken musste, beruft sich dabei auf die Europäische Menschenrechtskonvention: "Auch spontane Kundgebungen, in diesem Sinne nicht angezeigte, genießen nichtsdestotrotz den Schutz der Versammlungsfreiheit. Die Möglichkeit Regressforderungen auf Grund der Inanspruchnahme eines verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechts in diesem Zusammenhang zu fordern, wäre mir fremd", erklärt Sprecher Mattias Schuster.
Verfassungsexperte Peter Bußjäger stützt diese Rechtssicht: Die Ausübung eines Grundrechts wie der Versammlungsfreiheit dürfe nicht „durch Schadenersatzregelungen unterlaufen werden“. Auch die Organisatoren und Teilnehmer nicht angemeldeter Demos „genießen diesen Schutz“.
Allerdings: „Prinzipiell ließe sich darüber nachdenken, die Teilnehmer an einer Versammlung, sobald sie rechtswidrig (also der Auflösung nicht Folge leisten) handeln, auch für die Einsatzkosten haftbar zu machen. Aber nach bestehender Rechtslage gibt es dafür keine Grundlage“, sagt der in Innsbruck lehrende Verfassungsjurist.
Hohe Kosten für Polizeieinsatz
So blieb der Exekutive nur, Verwaltungsstrafen auszustellen – entweder wegen des Vermummungsverbots oder weil nach behördlicher Auflösung das „Auseinandergehen“ unterlassen wurde. Auf dem Stephansplatz waren es vor einem Jahr mehr als 300 solcher Anzeigen, bei der Zwangsräumung des Palästina-Camps im Mai im Alten AKH deren 18, bei jenem vor der TU 16. Diesen Personen die Kosten für den Polizeieinsatz aufzubrummen, wäre jedem Einzelnen jedenfalls sehr teuer gekommen, weil ein Großaufgebot inklusive Spezialkräften (Wega, Hundestaffel, Verfassungsschutz) im Einsatz war.
Auch wenn die Wiener Polizei gegenüber dem KURIER keine Zahlen nennt, ist man da schnell im fünfstelligen, sechsstelligen Bereich. Zum Vergleich: Der Einsatz im Zuge der Wiener Bandenkriege hat bei 4.086 Einsatzstunden insgesamt 336.723 Euro gekostet.
Was aus den Verwaltungsstrafen geworden ist und wie der Strafrahmen von maximal 720 Euro ausgeschöpft wurde, kann die Polizei auf Grund des nötigen enormen Aufwandes übrigens nicht mitteilen.
50.000 Euro bei Uni Wien
Eine konkrete Schadenssumme liefert dafür die Universität Wien, die nach dem 7. Oktober mehrfach ins Visier radikaler Gruppen geraten ist: Rund 50.000 Euro seien „bis heute“ angefallen, teilt Uni-Sprecherin Cornelia Blum mit. Darin enthalten sei der enorme Flurschaden aufgrund des tagelangen Protestcamps, die Beseitigung von antisemitischen Schmierereien und die nötig gewordene Videoüberwachung zum Schutz des Judaistik-Instituts auf dem Uni-Campus. Auch hier zahlt letztlich der Steuerzahler, denn trotz diverser Anzeigen sei kein Täter ausgeforscht worden.
Schädigung durch Besetzungen
Experte Bußjäger sieht im Fall der Camp-Besetzung freilich eine Parallele zum Flughafen Wien und seinen durchaus berechtigten Forderungen an Klimaaktivisten wegen Schädigung des privaten Eigentums: „Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Uni Wien wirklich den ganzen Schaden hätte abschreiben müssen.“
Auch beim „Haus der Forschung“ in der Sensengasse, das im Juni Opfer einer massiven, nächtlichen Farbattacke wurde – wobei das Gebäude sogar wie Hamas-Ziele mit roten Dreiecken markiert wurde –, waren die Schäden groß. Neben der aufwändigen Reinigung müssen laut Eigentümer BIG auch verätzte Glasscheiben getauscht werden. Kostenpunkt: mehr als 15.000 Euro; immerhin zahlt hier eine Versicherung. Von den Tätern fehlt aber noch immer jede Spur.
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