Offenbar kein Lauschangriff auf Strache

Kabelsalat im Büro von HC Strache dürfte harmlos sein
Veraltete Vorrichtung oder möglicherweise Restbestand einer Übertragungsanlage aus dem Parlament.

Seit Tagen brodelt in den drei involvierten Ministerien (Inneres, Justiz und Verteidigung) heftig die Gerüchteküche. Kaum einer will die medial ventilierte Geschichte von der Abhörattacke auf den Vizekanzler der Republik, Heinz-Christian Strache, glauben. Zu viele Details an der in seinem Büro im Palais Dietrichstein gefundenen "Vorrichtung" sorgen für massiven Zweifel an der mancherorts ausgerufenen Staatsaffäre, die auch den nationalen Sicherheitsrat beschäftigte.

"Kein Geheimdienst der Welt verwendet noch verkabelte Wanzen, heute manipuliert man Telefone oder Computer mit kaum aufzuspürender Software", sagt ein Insider des Innenministeriums. Kleinere und effektivere Wanzen als das offenbar gefundene Gerät könne man bereits um wenig Geld im Internet bestellen.

Die Untersuchungen wurden jedenfalls zur Chefsache erklärt, nur Innenminister Herbert Kickl hat Einblick in den aktuellen Ermittlungsstand. Ein in die Causa Involvierter meint gegenüber dem KURIER zu der im Dezember gefundenen Vorrichtung: "Es handelt sich um keine klassische Wanze, sondern um eine altertümliche, mikrofonartige Vorrichtung, die aktiviert hätte werden können, um zu übertragen."

"Veraltete Technik"

Die Staatsanwaltschaft hat den Verfassungsschutz (BVT) beauftragt, abzuklären, ob überhaupt der Verdacht eines strafrechtlichen Tatbestands vorliegt. Dazu wird die sichergestellte Kabel-Vorrichtung technisch analysiert. "Es könnte sich um Technik aus den 1960er- oder 70er-Jahren handeln", meint der deutsche Geheimdienst-Experte Erich Schmidt-Eenboom zum KURIER. "Vielleicht ist es Restmaterial der Zeit der DDR-Ungarn-Spionage."

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Schmidt-Eenboom spielt damit darauf an, dass in der Bankgasse, nur einen Steinwurf vom Palais Dietrichstein entfernt, die ungarische Botschaft beheimatet ist. Im Dachgeschoß soll im Kalten Krieg eine Abhöreinheit stationiert gewesen sein. Die ungarischen Agenten hatten im Warschauer Pakt die Aufgabe, in Wien nachrichtendienstliche Aufklärung gegen die Westmächte zu betreiben.

DDR-Agenten?

Aufgrund von Sprachschwierigkeiten wurden zur Unterstützung DDR-Agenten eingesetzt. Sowohl in der tschechoslowakischen Botschaft ("Stützpunkt Saphir 3") als auch in der DDR-Botschaft in Wien ("Stützpunkt Saphir 2" und "Steuerung 2") waren professionelle Lauscher aktiv. Die Hauptabteilung III des ostdeutschen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) operierte von der Botschaft in der Frimbergergasse in Wien-Hietzing aus. Neben heimischen Politikern und Ministern galt vor allem das Außenministerium als wichtiges Aufklärungsziel.

Das Palais Dietrichstein wurde abwechselnd vom Außenministerium und vom Bundeskanzleramt genutzt. Prominente Politiker amtierten hier allerdings erst ab 1989: Vizekanzler Josef Riegler (ÖVP), später Hubert Gorbach und Susanne Riess-Passer ( FPÖ/BZÖ) hatten hier ihre Büros. Vor HC Strache waren die Kanzleramtsminister Thomas Drozda und Josef Ostermayer in dem Büro untergebracht. "Außenminister Alois Mock wurde definitiv abgehört, er war aber nie in diesem Büro", sagt sein ehemaliger Sprecher, Herbert Vytiska. Kein einziger der Genannten dürfte bisher von Ermittlern kontaktiert worden sein.

Übertragung

Spannend ist, dass das Büro von HC Strache ausgerechnet in den 1960er- und 1970er-Jahren von Staatssekretären und hohen Beamten, aber nicht von Ministern genutzt wurde – also kein prioritäres Ziel war.

Offenbar kein Lauschangriff auf Strache
Interview mit dem ehemaligen Präsidialchef im Bundeskanzleramt Manfred Matzka im Cafe Museum in Wien am 13.10.2017 anlässlich des Erscheinens seines Buches "Die Staatskanzlei: 300 Jahre Macht und Intrige am Ballhausplatz".

Ex-Sektionschef Manfred Matzka, einst einer der mächtigsten Beamten des Landes, erinnert sich: "In diesen Räumlichkeiten gab es immer wieder eine Suche nach Wanzen." Wäre in dieser Zeit etwas installiert gewesen, dann wäre das laut Matzka sicher aufgefallen.

Er hat eine ganz andere Theorie, die plausibel klingt: So wurden einst Kabel verlegt, um Diskussionen im Parlament in die Ministerbüros zu übertragen. Dafür spricht, dass laut einem Insider keine klassische Wanze gefunden wurde und ein langes Kabel über viele Büros bis ins Freie führte. "Es könnte durchaus sein, dass dieses Kabel einfach mal jemand abgeschnitten und in der Wand gelassen hat", meint Matzka. Und: Im ersten Medienbericht war von einer Lautsprecherbox die Rede.

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