Wanzen im Ministerbüro: Der Beginn einer Staatsaffäre?

Blick auf das Palais Dietrichstein-Ulfeld, der Heimat des Vizekanzlers.
Der Wanzenfund im Vizekanzleramt wirft viele Fragen auf. Noch ist unklar, wann die Spionage startete – und wer das Ziel war: das hätte nämlich schon Thomas Drozda sein können. Die SPÖ kritisiert darum den "lockeren Umgang der Beteiligten" - das Ganze sei eigentlich eine Staatsaffäre.

Österreich hat ein Wanzenproblem, so viel steht fest. Denn: Im Büro des amtierenden FPÖ-Vizekanzlers Heinz Christian Strache wurden Wanzen gefunden, zwei Stück, wie es heißt. Nur: Wann die dort angebracht wurden, wer sie versteckt hat oder wen man damit abhören wollte – das weiß man nicht.

Für die SPÖ, deren ehemaliger Kanzleramtsminister Thomas Drozda die Räumlichkeiten ja vor Strache benutzt hat, ist diese Menge an offenen Fragen durchaus kritikwürdig: "Wenn Regierungsmitglieder bespitzelt werden, nennt man das üblicherweise eine Staatsaffäre", sagt SPÖ-Chef Christian Kern zum KURIER. Den lockeren Umgang der Beteiligten hält er "für nicht angemessen".

Keine Routinekontrollen

Er selbst habe sein Büro und seine Wohnung auf eigene Initiative hin "regelmäßig vom Abwehramt untersuchen lassen", sagt Kern; Routineüberprüfungen habe es keine gegeben. Thomas Drozda habe von sich aus keine Überprüfungen veranlasst. "Er hat sich auf das Innenministerium verlassen." Nur: Dieses wird von sich aus nicht tätig, Überprüfungen passieren nur auf Zuruf – damit könnte es sein, dass die Wanzen dort schon "vor einem Monat, vor einem Jahr oder vor zehn Jahren versteckt wurden", wie Kern sagt.

Wanzen im Ministerbüro: Der Beginn einer Staatsaffäre?
SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern

Das hält man selbst bei der FPÖ für denkbar. "Wir können natürlich nicht hundertprozentig ausschließen, dass die Wanzen seit Drozda-Zeiten dort sind", sagt Strache-Sprecher Martin Glier. Er wolle aber freilich keine "Pferde scheu machen".

Kommunikationsmängel

Dass nicht routinemäßig überprüft wird, ist das eine. Wie die Betroffenen über die Wanzen informiert wurden, das andere: Kern und Drozda hätten nämlich "aus den Medien" von der Existenz der Abhöranlage erfahren, wie der SPÖ-Chef sagt; im Büro Strache heißt es, man habe von der Existenz erst in dieser Woche erfahren. Es habe zwei Testungen gegeben, eine im Dezember, eine vergangene Woche, so Strache-Sprecher Glier; er selbst wisse von den Wanzen "seit vorgestern".

Gefunden hat das Abwehramt die Wanzen allerdings schon am 19. Dezember 2017 – das wird zumindest bin einem Mail behauptet, das Falter-Chefredakteur Florian Klenk veröffentlicht hat. Das war einen Tag, bevor Strache in das Büro eingezogen ist. "Wenn das Abwehramt die Wanzen am 19. Dezember entdeckt hat, warum ist es dann nicht unmittelbar zu einer Anzeige gekommen?", fragt Kern darum. "Warum wurde die scheidende Bundesregierung nicht umgehend informiert? Und welche Vorkehrungen hat das für Objektschutz zuständige Innenministerium überhaupt getroffen, um so etwas zu verhindern?"

"Geschmack eines Ablenkungsmanvövers"

Bei der FPÖ ist man ob dieser Fragen weniger aufgeregt. Dort verlässt man sich auf die Ermittlungen die derzeit durchgeführt werden: Das Abwehramt hat das Landesamt für Verfassungsschutz über die Abhöranlage informiert, und dort wird nun unter Leitung der Staatsanwaltschaft ermittelt. "Wir sind da nur Passagiere", sagt Glier. Und: "Die Wanzen sind ja jetzt abmontiert, also sind wir sicher."

Für die SPÖ wirft auch diese Zurückhaltung Fragen auf, so Kern. "Das ganze Vorgehen hat den Geschmack eines Ablenkungsmanövers", sagt er – schließlich werde am Sonntag in Niederösterreich gewählt, und die FPÖ sei dort (Anm: wegen der Causa Landbauer) in Bedrängnis.

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