Neue Stadtführung durch Wien: Pathologe verrät, wie Kaiserin Sisi wirklich starb
Kaiserin Sisi: Viele assoziieren mit ihr Schönheit, eine Vorliebe für Reisen oder die opulenten Filme mit Romy Schneider. Nicht so der Pathologe Roland Sedivy: Er studierte lieber den Obduktionsbericht der Monarchin, die einst in Genf einem Attentat zum Opfer fiel.
„Es hat mich gegruselt“, sagt er. Und meint damit nicht den Todesfall an sich: „Sondern den Blödsinn, der darüber erzählt wird.“ Um mit allerhand Fake News rund um Sisis Tod aufzuräumen, stellte er kurzerhand deren Obduktion nach – und machte ein paar erstaunliche Entdeckungen.
Doch wie diese Erkenntnisse in Umlauf bringen?
Da traf es sich gut, dass auch die Fremdenführer Jascha Novak und Simone Schedl an einer Tour über Todesfälle im Hause Habsburg arbeiteten. „Wir wollten etwas abseits der üblichen Sisi-Klischees, aber auch mit Humor anbieten“, erzählt Novak. Schließlich habe man als Wiener ja einen Hang zum Morbiden.
Das Ergebnis: Ab 18. Oktober laden Novak, Schedl und Sedivy gemeinsam zu Spezial-Stadttouren zum Thema „Sterben wie ein Habsburger“.
Der erste Habsburger, mit dem man auf der Tour Bekanntschaft macht, ist jedoch nicht Sisi, sondern der Schöne Otto (1865–1906).
Nur mit einem Säbel bekleidet
„Er war ein Erzherzog, der sich viel mit der Damenwelt beschäftigt hat“, erzählt Novak. Otto, ein Lebemann mit Vorliebe für Sekt mit Kokain, soll nackt – bekleidet nur mit seinem Säbel – durch das Hotel Sacher getorkelt sein. Zudem empfing er dort im Separee gerne Damen.
Daher startet die Tour auch am Albertinaplatz hinter dem Hotel Sacher: Hier befand sich einst ein Schneider, bei dem Damen von Welt ein- und ausgingen. „Frauen, die Otto sehen wollte, waren offiziell hier ,einkaufen’. In Wahrheit sind sie über eine Verbindungstür unbemerkt ins Hotel gekommen“, beschreibt Schedl.
Otto erhielt eine Nase aus Kautschuk
Doch sein Lebensstil wurde dem Schönen Otto zum Verhängnis. Er erkrankte an der Syphilis. Symptome sind Geschwüre am ganzen Körper, in späteren Stadien sind Betroffene nicht mehr Herr ihrer Sinne. Auch Otto verlor seine Nase („er bekam eine Art Prothese aus Kautschuk“, so Schedl) – und wohl auch seinen Verstand. Er starb mit 41 Jahren.
Wie wurde Sisi wirklich getötet?
Insgesamt umfasst die zweistündige Tour fünf Stationen in der Innenstadt. Genug Zeit, um auch ausführlich über Elisabeth von Österreich-Ungarn (1837–1898), also Sisi, zu plaudern. Sie wurde in Genf von dem italienischen Anarchisten Luigi Lucheni ermordet. Wie eingangs erwähnt, rollte Sedivy ihren Fall neu auf: „Ich habe im Zuge einer regulären Obduktion geschaut, wie der Stichkanal verlaufen ist.“ Dazu baute er sogar die Tatwaffe nach – eine Feile.
Der Pathologe: Roland Sedivy ist Pathologe, Uni-Professor und Autor. Er schrieb Bücher über wahre Verbrechen und spektakuläre Todesfälle.
Die Fremdenführer: Simone Schedl und Jascha Novak sind Fremdenführer und bieten Touren zu verschiedenen Themen durch Wien. Außerdem betreiben sie gemeinsam den Podcast „Hidden Vienna“ über ausgestorbene Berufe.
Die Spezialtour: Gemeinsam bieten sie die Spezialtour „Sterben wie ein Habsburger“ an. Die nächsten Termine: 18.10., 23.11., 22.3. und 12.4, Kosten: 29–39 €. Info: www.hiddenvienna.guide
Im Umlauf seien viele falsche Darstellungen: etwa, dass der Stich von unten durchgeführt wurde oder durch das Korsett ging. „Der Mörder muss von oben, im steilen Winkel, über dem Korsett zugestochen haben. Der Schaft der Feile hat auch eine Rippe zertrümmert“, beschreibt der Pathologe. Sisi wurde in ihr Hotelzimmer gebracht, wo sie ihren schweren Verletzungen schließlich erlag.
Doch für Sedivy war eine weitere Frage offen: Woher stammten die braunen Flecken, sogenannte „Vertrocknungen“, auf der Brust der Kaiserin?
Mithilfe seines Münchner Kollegen Andreas Nerlich konnte er dieses Rätsel lösen: „Man hat versucht, sie zu reanimieren, indem man ihr mit einem Hammer, den man zuvor erhitzt hatte, auf die Brust klopfte.“ Eine damals nicht unübliche Methode, die diese Flecken verursachte. Doch die Feile hatte Herz und Lunge durchstoßen, die Verletzungen waren zu schwer: Alle Reanimationsversuche blieben erfolglos.
Freilich hatten die Habsburger aber auch mit allerlei anderen Schicksalsschlägen zu hadern, über die man während der Tour erfährt. Wie es sich in Wien gehört, aber mit jeder Menge (schwarzem) Humor.
Da waren etwa die Pocken, die viele von ihnen dahinrafften (übrigens gab es damals sogar schon Impfgegner). Oder der Diabetes, aufgrund dessen Friedrich III. ein Bein abgesägt werden musste. Davon existiert übrigens ein Gemälde, das zeigt: Sägen mussten damals die Barbiere, denn den Ärzten, die gleichzeitig Kleriker waren, war es verboten, den Körper des Kaisers zu verletzen.
Und man erfährt sogar, wie der Kopf von Sisis Mörder nach Wien kam. Doch wer wissen möchte, wo dieser zu finden ist, muss mit dem Trio auf Tour durch die Wiener Innenstadt gehen.
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