Im Podcast „Hidden Vienna“ stellen Fremdenführer Jascha Novak und Social-Media-Expertin Simone Schedl regelmäßig ausgestorbene Berufe vor: In ihrer jüngst erschienenen Folge ist der Schriftsetzer an der Reihe. Novak und Schedl erzählen über Druckwerke und deren Herstellung und machen eine Zeitreise von der Gutenbergbibel bis zum KURIER.
➤ Mehr lesen: "Hidden Vienna": Alte Hüte und charismatische Klofrauen
Während Gedrucktes uns heute im Alltag ringsum umgibt und in Prospektform unsere Postkästen verstopft, war die Herstellung früher teuer und extrem aufwendig.
Fast schon druckreif
So wurden im 15. Jahrhundert zwar schon Seiten bedruckt, Illustrationen musste man aber noch aufwendig händisch einfügen. Inkunabeln oder auch Wiegendrucke nennt man diese alten Druckwerke: „Der Name leitet sich vom lateinischen Wort für Wiege oder Windeln ab, da die Technik noch in den Kinderschuhen steckte“, erklärt Simone Schedl.
Die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) bewahrt in der Sammlung von Handschriften und alten Drucken rund 8.000 Inkunabeln auf. Die prominenteste ist die Gutenbergbibel aus circa 1454. „Wir haben auch ein medizinisches Lehrbuch aus dem 15. Jahrhundert, in dem ein Arzt handschriftliche Notizen hinterlassen hat“, erzählt Mira Krall, wissenschaftliche Mitarbeiterin der ÖNB. „Ein extrem spannendes Zeitzeugnis. Er schrieb etwa über die Pest, eine Hungersnot in Wien oder dass dem Kaiser ein Bein amputiert werden musste.“
Johannes Gutenberg gilt gemeinhin jedenfalls als Erfinder des modernen Buchdrucks mit beweglichen Lettern. „Eine Revolution“, betont Jascha Novak. „So konnte sich Wissen, das zuvor nur in düsteren Klöstern und Herrschaftshäusern gelagert wurde, rasch verbreiten.“
Zur selben Zeit setzte sich in Europa außerdem das Papier durch: „Es war viel billiger und leichter herzustellen als Pergament, für das man ungegerbte Tierhäute brauchte“, erklärt Krall. Von der Gutenbergbibel etwa gab es 180 Exemplare, 30 davon auf Pergament, wozu Häute von 9.000 Schafen nötig waren. Der Rest erschien auf Papier. „Für alle 180 Exemplare hätte man 54.000 Schafe gebraucht“, sagt Krall.
Schedl und Novak interviewten für den Podcast aber auch Leopold Kascha, der den Beruf des Schriftsetzers ab 1957 in der KURIER-Druckerei noch von der Pike auf erlernte. „Ich habe unheimlich gerne bei einer Tageszeitung gearbeitet. Man hat an keinem Tag gewusst, was auf einen zukommt“, erzählt er. Die Ermordung Kennedys (1963), die Mondlandung (1969) oder den Einsturz der Reichsbrücke (1976) hat Kascha in der Druckerei miterlebt.
Nicht druckreif
Und er erzählt im Podcast über das mutmaßlich größte Hoppala der KURIER-Geschichte, das sich 1957 zutrug: „Hugo Portisch schrieb damals irrsinnig lange Leitartikel, die über Seite 1 und Seite 2 gingen.“
Das Manuskript wurde aufgrund seiner Länge von mehreren Setzern bearbeitet, jeder war für seinen Abschnitt verantwortlich. Während einer der Männer kurz seinen Arbeitsplatz verlassen hatte, fügte ein anderer in dessen Textblock einen launigen Satz der Kategorie „Warum gehst Du so lange sch***?“ ein. Der nicht druckreife Satz wurde übersehen – und ist wortwörtlich so im Portisch-Leitartikel auf Seite 1 erschien.
„Das gab einen Riesenwirbel“, sagt Kascha und lacht. Im KURIER-Archiv ist die Seite übrigens heute nur noch mit übermalter Zeile auffindbar, die Geschichte wird im Kollegenkreis aber gerne erzählt.
Auch das gedruckte Wort ist bekanntlich nicht unfehlbar. Aber immerhin, kein Schaf musste für die damalige KURIER-Ausgabe sterben, so viel können wir garantieren.
Kommentare