Josef Glaser arbeitete in den 1930er-Jahren in der Burghauptmannschaft Wien, später wurde er nach Schönbrunn versetzt, wo er zum Schlosshauptmann befördert werden sollte. Von 1940 bis 1945 lebte die Familie Glaser daher in einer Wohnung im Schloss. Ab 1946 verantwortete Glaser dann den Wiederaufbau des im Weltkrieg teils zerstörten Schlosses.
Schönbrunn habe ihn jedenfalls sein ganzes Leben lang nicht losgelassen, erzählt Sohn Heinz Glaser.
Alltagsleben in einem Schloss ist wenig romantisch
Ein Leben im Schloss? Das sei in der Praxis weit weniger romantisch als in der Theorie: „Die Kamine waren uralt, das Heizen war schwierig. Einkäufe musste wir weit von Meidling oder Hietzing herschleppen.“
Doch das bestimmende Thema seiner Kindheit war der Krieg. Die Wohnung der Glasers lag etwas versteckt im zweiten Stock des Hauptgebäudes, was damals von Vorteil war: „Ich war ein, zwei Mal bei der Hitlerjugend, weil man musste, aber das war nicht meines. Das Exerzieren, die markigen Gesänge.“ Als er nicht mehr hinging, suchten ihn die Nazis – fanden aber in den dunklen Gängen mit vielen Türen ohne Schilder die Wohnung der Glasers nicht.
Es gab keinen Kellern, um sich bei Angriffen zu verstecken
Das Schloss hatte zudem keinen Keller. „Es gab nur ein kleines Gangl, das man ‚Luftschutzraum‘ genannt hat, wo wir uns versteckt haben. Meine Mutter hat es ‚Mausefalle‘ genannt“, erzählt Glaser. „Ein Historiker hat uns damals zwar versichert, wir bräuchten keine Angst zu haben: Nicht einmal Napoleon habe eine Tapete in Schönbrunn zerkratzt – da werde doch niemand das historische Schloss bombardieren.“ Doch im Februar 1945 traf eine Bombe das Hauptgebäude, auch die Wohnung der Glasers wurde zerstört. „Wir waren praktisch Bettler“, sagt er. Es sind die Geister dieser menschengemachten Gräuel, die Glaser nie losgelassen haben. Er habe versucht, seine Erlebnisse aufzuschreiben, auch das habe nicht geholfen.
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Wobei das Leben in Schönbrunn auch schöne Seiten hatte, die ihn prägten, etwa der riesige Park: „Wir Kinder haben bei der Römischen Ruine Wasserproben genommen und unter dem Mikroskop Wasserflöhe und Mikroben entdeckt. Und wir durften in den Tiergarten.“
Heinz Glaser entwickelte vielseitige Interessen
Infolge dessen entwickelte er großes Interesse an Tieren und Pflanzen, Besuche im Schlosstheater weckten die Liebe zur Hochkultur. „Hätte ich alles studiert, was mich interessiert – ich hätte mein ganzes Leben als Student verbracht“, sagt Glaser und lacht. Beruflich landete er im Bauwesen, befasste sich mit Bauakustik, Lärm- und Sonnenschutz. Privat bereiste er die Welt, er ist breit gefächert interessiert, spricht druckreif.
Nach Kriegsende übersiedelte die Familie ins Schloss Hetzendorf – wo Glaser heute, mehr als 75 Jahre später, übrigens immer noch wohnt. Ab 1946 hatte sein Vater als Schlosshauptmann eben den Wiederaufbau zu verantworten; auch das eine Herausforderung. Es habe etwa Vorwürfe gegeben, er hätte die Position aufgrund einer Nähe zu den Nazis bekommen. „Das Gegenteil war der Fall“, betont Glaser. „Mein Vater war nicht einmal kriegsdienstfähig.“
Die Arbeiter-Zeitung kritisierte den Wiederaufbau des Schlosses
Auch nicht alle Medien waren Josef Glaser wohlgesonnen: „Die Arbeiter-Zeitung war dagegen, dass habsburgisches Erbe mit Steuergeld wiederaufgebaut wird und hat teils untergriffig über ihn berichtet. Nach dem Motto: Der Schlosshauptmann tut nix und kostet viel.“ Dabei habe der Vater hart gearbeitet.
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Und was hat es mit der Steinfigur auf sich?
„Der Bildhauer hat sie ungefragt so gestaltet, weil er meinem Vater eine Freude machen wollte.“ Der aber habe sich furchtbar aufgeregt und Zeitungsartikel befürchtet, die ihm Eitelkeit unterstellen. „Die Figur wurde heimlich bei Nacht und Nebel aufgestellt. Jahrzehntelang hat zum Glück keiner etwas darüber gewusst“, so Glaser.
Ja, Schönbrunn habe ihn nie losgelassen, zieht Glaser Resümee. Wie eben auch der Krieg, auf den er doch immer wieder zu sprechen kommt. Auch als der wohl wichtigste Satz des Interviews fällt: „Wenn Sie Glück haben, erleben Sie keinen.“
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