Ohne Pilz geht es (nicht)
Verantwortlich dafür: Anton Hefka, ein junger Gärtner aus Wien – und Schönbrunns bislang erfolgreichster Orchideenzüchter. „Damals war das Wissen noch nicht so groß, wie Orchideen vermehrt werden. Heute weiß man, dass sie eine Symbiose mit einem Pilz brauchen, damit die Samen beim Keimen gleich mit Nährstoffen versorgt werden“, erklärt Andreas Fellner von der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau in Schönbrunn.
Lange Zeit konnte man das nur erreichen, indem man die Samenkapsel direkt bei der Mutterpflanze in die Erde setzte, wo der Pilz noch vorhanden war – und dann auf das Beste hoffte. Etwa ab 1900 verlegte man diesen Vorgang in Labore und setzte statt der Pilzsymbiose auf künstliche Nährstoffe.
Hefka ist bis heute unerreicht
Damit hielt sich Hefka nicht auf. „Er nahm einfach frisches Holzmehl, auf dem er die Orchideen aussäte. Und die sind dort gekeimt“, erzählt Fellner. „Das ist seither niemandem mehr gelungen.“ Dadurch brauchte Hefka mit seiner Methode von der Aussaat bis zur Blüte nur halb so lange wie alle anderen. Dauerte es überall sonst sechs Jahre, blühten seine Orchideen im Schnitt bereits nach drei.
Und dementsprechend schnell konnte er auch neue Kreuzungen (Hybriden) züchten. So entstanden um 1900 sehr viele Schönbrunner Sorten. Das Erfolgsrezept, über das Hefka wohl nur zufällig stolperte: Das von ihm verwendete Fichtenmehl dürfte bereits mit Pilzsporen infiziert gewesen sein.
Die guten Jahre gehen zu Ende
Doch die Blütezeit der Schönbrunner Orchideen fand ein trauriges Ende. Erst starb Hefka 1914 im Ersten Weltkrieg in russischer Gefangenschaft an Typhus. Nach dem Krieg hatte die Erhaltung der Orchideen zwar keine Priorität, dennoch gelang es passionierten Schönbrunner Gärtnern, viele der Pflanzen zu retten.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, erlitt Schönbrunn mehrere Bombentreffer. Alle Scheiben der Glashäuser barsten in einer kalten Februarnacht, viele Pflanzen erfroren. Und schließlich raffte in den 1970er-Jahren noch ein Virus zahlreiche der von Hefka gezüchteten Sorten dahin.
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Ans Original annähern
Hier liegt auch die größte Schwierigkeit des gemeinsamen Rückzüchtungsprojekts der HBLFA und der Botanischen Sammlung in Schönbrunn: Es gibt kaum Farbfotos der alten Sorten. Meist kann man sich nur an alten Schwarz-Weiß-Fotografien und schriftlichen Beschreibungen orientieren.
„Die alten Fotos sind schon eine große Hilfe, so können wir zumindest die Blütenform erkennen“, sagt Fellner. „Aber ob wir die Farbe exakt getroffen haben, wissen wir natürlich nie ganz sicher.“ Bei zwei Orchideen habe man sich aber schon zu 95 Prozent angenähert, sagt Fellner.
„Einfach ausprobieren“
Dabei ist vor allem eines gefragt: Geduld. Denn das Ergebnis der verschiedenen Züchtungsversuche sieht man erst bei der Blüte, im Fall der Schönbrunner Forscher nach etwa vier Jahren. Dabei müssen sie, wie es Praxis ist, den Umweg über das Labor nehmen, wo die Samen zum Keimen gebracht und erst anschließend ins Glashaus übersiedelt werden. Für die direkte Aussaat im Glashaus, wie es Hefka seinerzeit machte, fehlt nämlich noch der richtige Pilz.
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Detektivarbeit ist also gefragt: „Wir versuchen, den Pilz, der ja in Schönbrunn gewachsen sein muss, etwa mit verschiedenen Rindenstücken zu erwischen.“ Bei einer der auf diese Art künstlich „infizierten“ Pflanzen wächst gerade ein Sämling heran. Ein möglicher Nachweis, dass dieses Substrat den Pilz enthält – und ein Schritt weiter in Richtung Anwendung der Hefka-Methode in der Orchideenzucht.
„Das Wissen, das wir in der Botanik heute haben, basiert auf neugierigen Menschen, die Dinge einfach ausprobiert haben“, sagt Fellner. Beste Voraussetzungen also für eine neue Generation echter Schönbrunner Orchideen.
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