Mini-Parkpickerl-Reform mit vielen Fragezeichen
Jetzt ist amtlich, was der KURIER bereits am Wochenende als erstes Medium berichtet hat: Statt einer umfassenden Reform der Parkraumbewirtschaftung wird lediglich das bestehende System auf ganz Wien ausgeweitet. Das gab Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) am Mittwoch bekannt. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Warum wurde eine Reform notwendig?
„Die Parkplatz-Situation ist für viele Wiener nicht akzeptabel“, sagt Sima. Einerseits habe die schrittweise Ausweitung des Parkpickerls seit 1993 zu einem Fleckerlteppich an verschiedenen Regeln geführt, andererseits zu Verdrängungseffekten zwischen den einzelnen Bezirken. Diese drohen aktuell erneut, weil Simmering im gesamten Bezirk das Pickerl einführen möchte.
Wie sieht Simas Modell konkret aus?
Im Prinzip ändert sich an den Grundregeln wenig, nur dass sie vereinheitlicht werden. Derzeit gilt in den inneren Bezirken die Kurzparkzeit von 9 bis 22 Uhr für maximal zwei Stunden, in äußeren Bezirken von 9 bis 19 Uhr für drei Stunden. Diese Unterschiede fallen weg. Offen ist aber noch, wie die einheitlichen Zeiten aussehen werden. Aber auch künftig wird das Pickerl nur im Heimatbezirk des Fahrzeughalters gültig sein.
Welche Details sind noch zu klären?
Zum Beispiel, was mit der Sonderzone rund um die Stadthalle passiert und ob es auch künftig Überlappungszonen an den Bezirksgrenzen geben wird. Fix sei laut Sima aber jetzt schon, dass es auch im neuen Modell Anrainer-Parkplätze geben wird.
Heißt flächendeckend wirklich flächendeckend?
Aktuell gibt es Bezirke, deren Randregionen von der Parkraumbewirtschaftung ausgenommen sind. Meist handelt es sich um dünn besiedelte Gebiete oder Gewerbe- oder Industrieregionen. So wird das auch künftig sein, wie Bezirksvorsteher Gerald Bischof (SPÖ) am Beispiel Liesing schildert. „Der Bereich rund um den Großmarkt Inzersdorf wird sicher ausgenommen sein.“
Die genaue Grenzziehung wird aber wohl noch für Kontroversen sorgen: Die ÖVP rund um den stv. Bezirksvorsteher Dominik Bertagnol will auch kein Pickerl in Randgebieten wie Rodaun oder Kalksburg. Bischof ist jedoch skeptisch: Die Erfahrung aus anderen Bezirken würde zeigen, dass Pendler sogar in solchen entlegenen Gegenden ihr Auto abstellen würden.
Wird das Parken durch die Reform teurer?
An eine Kostenerhöhung sei nicht gedacht, betont die Stadträtin.
Zuletzt war oft davon die Rede, Wien in drei Parkpickerl-Tarifzonen zu teilen. Warum wurde daraus nichts?
Dafür wäre ein eigenes Landesgesetz nötig gewesen. Laut Sima hätte man über so ein Gesetz aber nur die Abgaben für das Parken regeln können, nicht aber die Parkdauer. „Wir wollen kein kompliziertes rechtliches Hybridsystem. Es macht keinen Sinn, das System, das 1993 begonnen wurde, so kurz vor dem Abschluss komplett umzustellen“, sagt die Stadträtin dazu. Außerdem würde eine umfassende Neugestaltung des bestehenden Systems deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Was bedeutet die Neugestaltung für das Parken mit Parkschein?
Hier könnte sehr wohl eine Zonenregelung kommen, wie Neos-Klubchefin Bettina Emmerling andeutet. Das heißt: Im Zentrum würde das Parken mehr kosten als an der Peripherie. Details müssen aber noch verhandelt werden.
Wo liegen die Schwächen des Sima-Modells?
Verkehrsplaner Ulrich Leth (TU Wien) weist darauf hin, dass in großflächigen Bezirken mit Parkpickerl der Binnenverkehr deutlich zunimmt. Der Experte plädiert – wie übrigens auch die Neos noch vor der Wahl – für kleinere Zonengrenzen innerhalb der Bezirke. Man werde sich dieses Problem anschauen, sagt der Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ). „Jetzt geht es erst einmal darum, die Autos mit Nicht-Wiener Kennzeichen aus der Stadt zu bekommen.“ Die Neos plädieren für möglichst kleine Anrainer-Zonen, um den Binnenverkehr einzudämmen.
Wie sieht der weitere Fahrplan aus?
Auf Basis einer Prüfung der Lage in den einzelnen Bezirken soll es im Sommer zu einer Beschlussfassung kommen. Mit einer tatsächlichen Umsetzung ist aber wohl erst 2022 zu rechnen.
Wie sehen die Reaktionen auf Simas Ankündigungen aus?
Die Oppositionsparteien vermissen eine umfassende Reform, die bereits im Raum stand. Verärgert zeigt sich auch Silke Kobald, ÖVP-Bezirksvorsteherin im noch pickerlfreien Hietzing. Dennoch wird sie wohl mitziehen müssen: „Klar ist, dass Hietzing nicht der einzige Bezirk Wiens ohne Parkpickerl bleiben kann.“ Gesprächsbedarf ortet der nö. Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP). Er betont, dass 26 Prozent der Wiener Wirtschaftsleistung „von Pendlern erarbeitet“ würden. „Einseitige Maßnahmen bringen langfristig niemanden weiter.“
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