Der mühsame Weg aus dem Wiener Parkpickerl-Chaos
Außenstehenden ist es manchmal etwas schwer zu vermitteln, doch kaum ein Thema erregt die Wiener so sehr wie die Frage, wo ihr Auto abgestellt werden kann.
Das war über weite Strecken auch bei der rot-grünen Stadtregierung so, wo das Thema nicht nur einmal für koalitionsinterne Spannungen gesorgt hat. Die neue rot-pinke Regierung hat die Wiener Parkraumbewirtschaftung mit all ihren Unzulänglichkeiten geerbt und steht nun vor der Herausforderung, mit einer umfassenden Reform des Parkpickerl-Fleckerlteppichs das leidige Thema aus der Welt zu schaffen.
So hat man es zumindest im Regierungsprogramm vereinbart. Demnächst will die zuständige Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) erste Eckpunkte präsentieren.
Zuletzt waren (der KURIER berichtete) Pläne aus dem Rathaus durchgesickert, wonach Sima lediglich die Ausweitung des bestehenden Modells auf jene vier Bezirke plant, die noch kein Pickerl haben. Ihre Sprecherin will das nicht kommentieren und verweist auf die noch laufenden Gespräche. „Uns ist bewusst, wie unzufriedenstellend die Lage in Sachen Parken vielerorts für viele Menschen ist“, betont sie.
23 Bezirkspickerl statt Zonenmodell für ganz Wien
Wirrwarr an Regeln
Tatsächlich sind die bestehenden Regeln derart unübersichtlich, dass sie Einheimische nur schwer und Wien-Besucher kaum verstehen können. Es gibt vier Bezirke, die – im Wesentlichen – keine Kurzparkzonen haben, während man in (fast) allen anderen Parkschein oder -pickerl benötigt. Allerdings gelten nicht überall die gleichen zeitlichen Regelungen, hinzu kommen Überlappungszonen an den Bezirksgrenzen, Sonderzonen (Stadthalle) sowie eigene Regeln für Geschäftsstraßen und Anrainerparkplätze. Und mit Simmering gibt es einen Bezirk, der derzeit nur in Teilen eine flächendeckende Kurzparkzone hat.
Domino-Effekt
Dass so ein Durcheinander herrscht, hat damit zu tun, dass die Parkraumbewirtschaftung in der Zuständigkeit der Bezirke liegt. Der jetzigen Situation liegt kein Gesamtplan zugrunde, er ist vielmehr Resultat eines Verdrängungs- oder Domino-Effekts, der sich in Gang setzte, als am 1. Juli 1993 die Innere Stadt als erster Bezirk die flächendeckende Parkraumbewirtschaftung einführte. Die Autofahrer wichen in die Nachbarbezirke aus, weshalb bis 1997 die Bezirke 4 bis 9 ihrerseits das Parkpickerl einführten. Mittlerweile hat diese Kettenreaktion Simmering erreicht. Sollte es hier zu einer Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung kommen, könnte Liesing unter Druck geraten.
Doch wie könnte eine Reform aussehen, mit der alle Beteiligten leben können? „Wichtig ist eine Wien-weite Lösung. Einem Fleckerlteppich werde ich sicher nicht zustimmen“, sagt Ernst Nevrivy (SPÖ), Bezirksvorsteher in der – noch pickerlfreien – Donaustadt. „Zentral ist auch, dass Nichtwiener nicht mehr gratis in der Stadt parken können.“
Nähere Details zu seinen Vorstellungen lässt sich der einflussreiche SP-Funktionär nicht entlocken, lieber lobt er das Gesprächsklima mit Sima, das um Welten besser sei als unter ihren grünen Vorgängerinnen Birgit Hebein und Maria Vassilakou.
Konkreter wird da schon Silke Kobald, ÖVP-Bezirksvorsteherin in Hietzing. Der ebenfalls pickerlfreie Bezirk leidet stark an der Überparkung entlang der Hauptstraßen, in Alt-Hietzing und entlang der U4. Verantwortlich dafür sind vor allem Pendler aus Niederösterreich.
Zonenmodell
Einer reinen Ausweitung des bestehenden Modells kann die Bezirksvorsteherin nichts abgewinnen. „Einfach so wie bisher weiterzutun, kann nicht die Lösung sein.“ Kobald präferiert ein an sich zuletzt breit gefordertes Modell mit drei Zonen: Innere Stadt, Bezirke innerhalb sowie außerhalb des Gürtels, wobei man im Zentrum am meisten fürs Parken zahlen müsste. Weiters müsste es für Wien-Besucher praktikable Lösungen geben – etwa Tages- oder Mehrtageskarten.
Voraussetzung für eine Wien-weit einheitliche Lösung wäre jedoch ein eigenes Landesgesetz, das die Kompetenzen für die Parkraumbewirtschaftung neu regelt. „Doch davon habe ich jetzt auch schon längere Zeit nichts mehr gehört“, kritisiert Kobald.
„Die Gespräche laufen, wir bitten noch um ein wenig Geduld, bis wir die nächsten konkreten Schritte präsentieren“, sagt die Sima-Sprecherin. Ein wenig Zeit bleibt noch: Im Regierungsprogramm wird die fertige Reform für 2022 angekündigt.
Individuelle Lösung
Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat im Sommer 2019 eine flexiblere Lösung aufs Tapet gebracht. Das Parkpickerl könnte demnach nicht mehr streng innerhalb eines Bezirkes gelten, sondern sich auch an den Arbeitsplätzen der Autofahrer orientieren.
Im Sinne der Umwelt
Laut Regierungsprogramm von SPÖ und Neos soll das Parkpickerl bis 2022 neu aufgestellt werden. Angedacht ist dabei eine Staffelung der Tarife nach Fahrzeuggröße oder Emissionen.
3-Zonen-Modell
Die Wirtschaftskammer Wien will die Stadt in drei Kurzparkzonen unterteilen - in Innenstadt, Innenbezirke (2. bis 9. und 20. Bezirk) und Außenbezirke.
Innen versus außen
Nach einem Mehr-Parteien-Gipfel unter der ehemaligen Verkehrsstadträtin Birgit Hebein (Grüne) gab es im Sommer 2020 Überlegungen, dass die inneren Gebieten der Stadt künftig mehr kosten als in den äußeren Gebieten. Angestrebt war auch eine einheitliche Geltungsdauer
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