Milliarden-Sanierung des Wiener AKH gerät in die Inflationsfalle
Es ist Österreichs größtes und wichtigstes Krankenhaus: Das Wiener AKH. Jahr für Jahr erfolgen hier mehr als 60.000 stationäre Aufnahmen, mehr als eine halbe Million ambulante Fälle werden versorgt.
In einem multimedialen Themenschwerpunkt leuchtet der KURIER die vielseitigen Facetten des Spitals der Superlative aus:
Es ist wohl keine Übertreibung, das Wiener AKH als ein Spital der Superlative zu bezeichnen: Mit seinen fast 10.000 Mitarbeitern und knapp 1.800 Betten ist es das größte Österreichs und eines der größten Europas. Hier finden immer wieder international beachtete Spitzenleistungen statt, allen voran in der Transplantationsmedizin.
Es gibt aber auch eine andere Seite: Die Errichtung in den 70er- und 80er-Jahren führte zum größten Bauskandal der Zweiten Republik. Aktuell hat das Haus wie viele andere Spitäler mit Personalproblemen zu kämpfen. Und auch die vor einigen Jahren gestartete Generalsanierung läuft bei weitem nicht so reibungslos wie erhofft.
Als 2016 die beiden Hausherren des AKH – die Stadt Wien und der Bund – das Projekt beschlossen, setzten sie sich ein überaus ambitioniertes Ziel: Anders als etwa beim Krankenhaus Nord soll kein Euro mehr als die vertraglich vereinbarten knapp 1,4 Milliarden in den Bau fließen. Zudem sollen die Arbeiten jedenfalls 2030 abgeschlossen sein.
Angesichts der Pandemie und Wirtschaftskrise gerät dieser Plan aber zusehends unter Druck. So musste aufgrund der explodierenden Inflation bereits die Valorisierung für die Zeit ab 2022 von 2,5 auf 3,5 Prozent angehoben werden. Das bedeutet ein Plus von 262 Millionen Euro, die zu den 1,4 Milliarden noch dazukommen, rechnet AKH-Direktor Herwig Wetzlinger dem KURIER vor.
Experten skeptisch
Bau-Experten, die namentlich nicht genannt werden wollen, bezweifeln allerdings massiv, dass das ausreicht: „Wir haben es in der Baubranche mit Kostensteigerungen von zehn bis 17 Prozent zu tun“, sagt einer zum KURIER. „Selbst wenn die Inflation in den nächsten Jahren auf sechs bis acht Prozent zurückgeht, ist die vorgenommene Valorisierung viel zu wenig.“ Will man also am Kostenplan festhalten, bleibe nur eine Konsequenz: Das Projekt fällt deutlich kleiner aus als ursprünglich geplant. Was zum nächsten Problem führt: „Sanierungen, die man verschiebt, werden in der Regel deutlich teurer“, gibt der Experte zu bedenken.
Tatsächlich wurden inzwischen bereits umfassende Redimensionierungen vorgenommen. Allen voran bei der Sanierung des Bettenhauses Ost („roter Bettenturm“), die mit einem Jahr Verzögerung 2024 beginnt und bis 2030 dauert. Ursprünglich mit 257 Millionen Euro veranschlagt, sollen für das Projekt jetzt nur noch 130 Millionen Euro ausgegeben werden.
Das bedeutet, dass man die bestehende kleinteilige Struktur beibehält, wie Wetzlinger schildert. Also in der Regel vier Stationen mit jeweils maximal 28 Betten. In der ursprünglichen Planung waren pro Ebene zwei Stationen zu je 38 Betten sowie eine Sonderklasse-Abteilung und eine sogenannte Intermediate-Care-Einheit vorgesehen. „Wir bleiben nahe dem Ist-Stand“, sagt der AKH-Direktor.
Aufrechterhalten wird der Plan, in jedes Zimmer nur noch zwei (statt bisher meist drei) Betten zu stellen. Anders als ursprünglich geplant, bleiben aber die technischen Möglichkeiten bestehen, im Bedarfsfall ein drittes Bett hinzuzufügen. Damit will man besser für mögliche künftige Pandemien gerüstet sein, wie Wetzlinger erklärt.
Klar ist: Mit der Umstellung auf Zweibettzimmer sinkt die Zahl der Normalbetten im AKH. Dafür steigt (beides ist im Regionalen Strukturplan vorgesehen) die Zahl der Intensivbetten um 25 Prozent, wodurch die Gesamtbettenzahl von derzeit rund 1.800 bestehen bleibt.
Ausweichquartier
Nach und nach werden jeweils zwei Ebenen gleichzeitig saniert. In Modulbauweise wird ein Ausweichquartier errichtet, die im Rotationsprinzip jeweils eine Ebene aufnimmt.
Hier kam es allerdings zu einer Verzögerung, die noch Corona geschuldet ist, sagt Wetzlinger. Aufgrund der vorübergehend sehr hohen Auftragslage nach den diversen Lockdowns habe sich bei der ersten Ausschreibung kein Interessent gefunden. Allein dadurch sei es zu einer Verzögerung von sechs Monaten gekommen, sagt Wetzlinger.
Massiv zurückgefahren wurde auch der Umbau der mehr als 40 OP-Säle. Statt der ursprünglich 111 Millionen Euro sind dafür nun laut AKH-Homepage nur mehr 45,3 Millionen Euro veranschlagt. Unter der Nutzung von Nebenräumen hätten die durchwegs 48 m² großen Säle auf 62 m² bzw. 90 m² vergrößert und umfassend modernisiert werden sollen. „Im Rahmen der Detailplanungen stellte sich heraus, dass man unter anderem die Säle in der OP-Gruppe II (mit ihren Hybrid-OP-Sälen für Herz- und Gefäßoperationen, Anm.) in ihrer jetzigen Größe belassen kann“, so der Direktor.
Umbau statt Neubau
Erheblich umgeplant wurde auch das Eltern-Kind-Zentrum, das außerhalb des Hauptgebäudes entstehen soll. Unter einem Dach werden hier künftig so unterschiedliche Fächer wie Geburtshilfe oder Kinder- und und Jugendchirurgie vereint.
„Ursprünglich wäre der Neubau-Anteil des Zentrums größer gewesen. Es hat sich aber gezeigt, dass das technisch nicht umsetzbar ist“, sagt Wetzlinger. Daher wird ein Teil der Einheit in einem bestehendem Gebäude untergebracht, das lediglich umgebaut wird. Auch das spart Kosten: Müssen doch für einem Umbau nur etwa 50 bis 60 Prozent der Summe ausgegeben werden, die für einen Neubau anfallen würde.
Dass aufgrund der üblen wirtschaftlichen Großwetterlage von der groß angekündigten AKH-Sanierung letztlich nur eine Schmalspur-Variante umgesetzt wird, verneint der AKH-Direktor aber: „Auch wenn sich Details in der Ausführung ändern, die ursprünglich vereinbarten Inhalte des Programms werden umgesetzt.“
Wetzlinger sieht die Auswirkungen der Inflation deutlich weniger dramatisch als der Experte: „Bei den zehn Prozent handelt es sich ja nicht um einen linearen Wert, der auf die gesamte Dauer des Projekts angewandt werden kann. Außerdem gibt es Bereiche, etwa die Planung, die deutlich geringer von der Inflation betroffen sind.“
Verzögerungen
Bleibt der Faktor Zeit: Manche der ersten Projekte (etwa die Kinder- und Jugendpsychiatrie oder die Küche) wurden termingerecht abgewickelt, bei anderen gibt es beträchtliche Verzögerungen. Allen voran bei der Modernisierung der Apotheke. Sie hätte 2021 komplett abgeschlossen sein sollen, nun wird 2024 angepeilt. „Verantwortlich dafür ist die Pandemie, vor allem aber die Komplexität der Planung“, sagt der AKH-Direktor.
Alle geplanten Bauarbeiten werden aber bis 2030 abgeschlossen sein, versichert er. Gegen Ende des Zeitplanes hin sei genügend Spielraum einberechnet worden, um mögliche Verzögerungen abfangen zu können.
Vorsorglich hat man nicht alle sanierungswürdigen Bauteile in das aktuelle Programm hineingepackt. So soll unter anderem der grüne Bettenturm erst in einer zweiten Welle nach 2030 erneuert werden. Die Gesamtkosten liegen bei rund 300 Millionen Euro (Preisbasis 2015). Dann ist das AKH komplett saniert.
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