Die neue Freiheit ist nicht grenzenlos

Für die "Mahü Neu" warben die Wiener Grünen auch mit Bobby-Car-Rennen. Allein: In stark frequentierten Fußgängerzonen sind die Spielzeugautos laut OGH ebenso verboten wie Tretroller und Kinderfahrräder
Radler dürfen auf die neue "Mahü", spielende Kinder nur dann, wenn nicht viel los ist.

Kleine Kinder bahnen sich auf grünen Bobby-Cars strampelnd ihren Weg durch die Menge, gleich daneben lächelt Maria Vassilakou mit einem der kleinen Plastikautos in die Kameras. Die Botschaft, die die grüne Vizebürgermeisterin mitten im Kampf um die "Mariahilfer Straße neu" mit diesen Bildern aussenden wollte, war klar: Wenn die Autos erst einmal von der Straße verbannt sind, dann würden nicht nur Fußgänger und Radfahrer eine ganz "neue Freiheit" erleben, nein, auch die Kinder hätten dann mehr Platz zum Spielen.

Die Bobby-Cars wird’s allerdings nicht spielen. Und Spielverderber ist das Gesetz.

Die neue Freiheit ist nicht grenzenlos
Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou 

Zwar haben die Bewohner des 6. und 7. Wiener Gemeindebezirks bekanntlich in der Bürgerbefragung tatsächlich für den Umbau der Mariahilfer Straße in eine Fußgängerzone (mit Begegnungszonen) gestimmt. Und sich – für viele überraschend – auch für das Radfahren ausgesprochen. Fahrräder, auch E-Bikes, sollen also eine Ausnahme von der Regel, dass Fußgängerzonen Fußgängern vorbehalten sind, bekommen. Ein Spielzeugauto ist im rechtlichen Sinn aber ebenso wenig ein Fahrrad wie ein Kinderfahrrad, ein Klapproller oder ein Skateboard. Die fallen unter „fahrzeugähnliches Kinderspielzeug und ähnliche Bewegungsmittel“.

Und hier kommt ein aktuelles Urteil (2 Ob 243/13v) des Obersten Gerichtshofs ins Spiel.

Die Höchstrichter hatten, wie berichtet, nach einem Unfall in Feldkirch (Vorarlberg), bei dem ein Zweijähriger auf seinem Laufrad an einem ganz normalen Dienstagvormittag im April in einer Fuzo mit einer 80-jährigen Sehbehinderten zusammengestoßen war und sie verletzt hatte, die Frage zu klären, ob man Kinder überhaupt in Fußgängerzonen mit einem solchen Rad spielen lassen darf. Und sie beantworteten die Frage jetzt mit einem Ja, ABER. Fußgängerzonen seien grundsätzlich wie Gehsteige zu behandeln. "Spiele und das Befahren mit fahrzeugähnlichem Kinderspielzeug und ähnlichen Bewegungsmitteln" sind dort erlaubt – aber nur, solange die Fußgänger und der gegebenenfalls auch erlaubte Verkehr nicht gefährdet oder behindert werden. Wie lange das der Fall ist, hänge maßgeblich von der Benutzerfrequenz der Fußgängerzone ab. Weil jene in Feldkirch zum Unfallzeitpunkt "einigermaßen bevölkert" war, war die ungehinderte Sicherheit laut OGH nicht mehr gegeben – und das Spielen beziehungsweise Fahren mit dem Laufrad daher verboten.

Für die Eltern des Zweijährigen bedeutet das Urteil: Sie haften für den Schaden. Für die "Mahü neu" (und alle anderen Fußgängerzonen Österreichs) bedeutet es: Laut Straßenverkehrsordnung kann die Stadt zwar Fahrräder in der Fußgängerzone erlauben, aber ein Kinderspielzeug wird trotzdem nicht zum Fahrrad, sondern bleibt Kinderspielzeug – und "alles, was von der Ausnahmeregelung nicht erfasst ist, bleibt verboten", sagt OGH-Sprecher Christoph Brenn. Außer eben, es ist nicht viel los in der Fußgängerzone. Brenn hat dafür auch eine Erklärung parat: "Ein kleines Kind mit einem Tretroller oder einem Laufrad stellt ja eine größere Gefahr dar als ein erwachsener Radfahrer, der sich im Normalfall an die Vorschriften und Regeln hält." Der also umsichtig im gebotenen Schritttempo fährt, und, wenn viel los ist, absteigt und schiebt, um niemanden zu gefährden.

"Die Auslegung des Urteils obliegt nicht uns", heißt es dazu aus dem Büro Vassilakou. "Es ist uns nicht bekannt, dass das Urteil so ausgelegt wird, dass Kinder nicht mehr auf Gehsteigen spielen dürfen. Die Aufsichtspflicht der Eltern für ihre Kinder gilt im gesamten Straßenraum."

Apropos Straßenraum: Auf die anschließenden Begegnungszonen hat das OGH-Urteil keine Auswirkungen. Dort darf man zwar nicht spielen, aber mit allen Fahrzeugen, also auch mit Kinderspielzeug, fahren – "unter gegenseitiger Rücksichtnahme und so, dass niemand gefährdet wird", sagt ÖAMTC-Jurist Nikolaus Authried. Allerdings müssen kleine wie große Roller- und Laufradfahrer damit rechnen, dass ihnen dort nicht nur Fußgänger und Radfahrer, sondern auch echte Autos begegnen.

Gesetz

Vorwiegend zur Verwendung außerhalb der Fahrbahn bestimmte Kleinfahrzeuge zählen nicht zu den Fahrrädern, sondern sind "fahrzeugähnliches Kinderspielzeug und ähnliche Bewegungsmittel". Das sind z. B. Microscooter und Tretroller (zweirädrige Kleinfahrzeuge mit bodennahem Trittbrett), Skate-, Kick- und Waveboards, Dreiräder, Tretautos, Sidewalker für Kinder und Kinderfahrräder (mit einem äußeren Felgendurchmesser von höchstens 300 mm und einer erreichbaren Fahrgeschwindigkeit von höchstens 5 km/h).

Link:

Oberster Gerichtshof

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