Bürgermeister Ludwig: "Wien ist keine Dienststelle des Bundes"
Es wird schwerlich zu behaupten sein, dass Bund und Länder in den vergangenen Monaten bei der Pandemie-Bekämpfung an einem Strang gezogen haben. Vor dem heutigen Gipfeltreffen, bei dem die nötigen Verschärfungen der Corona-Maßnahmen verhandelt werden, hat die Stimmung aber einen neuen Tiefpunkt erreicht.
Grund dafür ist das Vorpreschen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der am Montag im ORF-Sommergespräch bereits ein Fünf-Punkte-Paket verkündete, ohne sich vorab mit den neun Landeshauptleuten abzustimmen.
Jetzt herrscht dicke Luft, vor allem in den SPÖ-regierten Ländern: „Wir sind in Wien keine nachgeordnete Dienststelle des Bundes. Ich bin kein Abteilungsleiter der Bundesregierung“, polterte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Dienstag in einer eilig einberufenen Pressekonferenz und fordert „Gespräche auf Augenhöhe“, bevor man mit den Maßnahmen an die Öffentlichkeit gehe.
Ludwig mit eigenem Paket
Angesichts der sich rasch verschärfenden Lage auf den Intensivstationen seien die von Kurz präsentierten Punkte aber ohnehin nicht ausreichend, ist Ludwig überzeugt. Er wird heute einen eigenen Forderungskatalog für bundesweite Maßnahmen in die Verhandlungen einbringen, die sich im Wesentlichen an jenen Regeln orientieren, die in der Bundeshauptstadt bereits jetzt gelten.
Dazu gehören allen voran eine Maskenpflicht für den gesamten Handel und eine Verkürzung der Gültigkeitsdauer von Antigen- und PCR-Tests auf 24 bzw. 48 Stunden. Ludwig kann sich aber auch Verschärfungen bei Veranstaltungen vorstellen: Eine Besucher-Obergrenze und Zutritt – auch für Geimpfte – nur mit gültigem negativen PCR-Test. Als Vorbild nennt der Bürgermeister das Donauinselfest Ende September. Er kann sich solche Regelungen aber auch für die Nachtgastronomie vorstellen.
Noch im Frühjahr war Ludwig wiederholt mit Kurz gemeinsam vor die Presse getreten, um Verschärfungen der Corona-Maßnahmen zu verkünden. Dazu wird es so bald nicht mehr kommen: „Als es zuletzt darum ging, Lockerungen zu präsentieren, ist die Bundesregierung ja auch ganz gut ohne mich ausgekommen“, sagte Ludwig lapidar.
„Mediale Inszenierung“
Scharfe Kritik kommt auch von Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ): Das Vorgehen von Kurz zeige, „dass es ihm weniger um das Gesamtwohl der Bevölkerung als vielmehr um eigene mediale Inszenierung geht“, ließ er am Dienstag via Ö1-Mittagsjournal ausrichten.
Doch selbst im SPÖ-Lager ist man sich wieder einmal nicht völlig einig: Während Ludwig auf bundesweit gültige Regeln pocht, tendiert sein burgenländischer Amtskollege Hans Peter Doskozil mehr zu einer regionalen Differenzierung: „Wir konzentrieren uns derzeit ganz darauf, unseren bislang erfolgreichen Kurs im Burgenland fortzusetzen“, hieß es am Dienstag aus seinem Büro. Unabhängig davon wolle man die Einschätzung der Experten beim Bund-Länder-Gipfel abwarten, gab man sich für SPÖ-Verhältnisse auffällig zurückhaltend.Weniger zurückhaltend sind indes die türkisen Landeschefs in ihrer Unterstützung für den Kurz-Plan: Die angedachte 1-G-Regelung für die Nachtgastronomie begrüßt Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.
Sie fühlt sich auch in ihrer Forderung bestätigt, dass für die Bewertung des Pandemie-Geschehens anstelle der Infektionszahlen nun die Situation in den Intensivstationen herangezogen wird. Dies begrüßt auch ihr Vorarlberger Amtskollege Markus Wallner.
Damit nicht genug: Am Dienstag meldete sich auch noch Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) via Twitter mit seinem Krisenrezept zu Wort: „Vorrang für Impfkampagne“ und „Schutz für Kinder“, fordert er unter anderem. „Wir brauchen daher auch wieder Mindestabstand und teilweise FFP2 indoor.“
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