Klimaaktivist die Rippe gebrochen: Gericht bestätigt Polizeigewalt

Klimaaktivist die Rippe gebrochen: Gericht bestätigt Polizeigewalt
Ein Aktivist der "LobauBleibt"-Bewegung legte Beschwerde ein, weil ihm ein Beamter "ins Kreuz gesprungen" sein soll.

Am Donnerstag ist am Verwaltungsgericht Wien die Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde eines „LobauBleibt“-Aktivisten verhandelt worden, dem im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände eine Rippe gebrochen wurde. 

"Man kann nicht bestreiten, dass die Gewaltanwendung unverhältnismäßig war. Auch die Dokumentation seitens der Polizei fehlt dazu", sagt Verwaltungsrichter Wolfgang Helm. Die Polizei habe mit unverhältnismäßiger Körperkraft gegen den 49-Jährigen agiert, um ein Foto anfertigen zu können. 

Außerdem sei gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen worden, indem dieser mit einer gebrochenen Rippe „ohne ausreichende ärztliche oder medizinische Behandlung zu lange angehalten wurde“, führte der Richter weiter aus.

2.397 Euro Aufwandersatz

Die Wiener Landespolizeidirektion muss dem Aktivisten binnen 14 Tagen 2.397 Euro an Aufwandersatz für Schriftsätze und sonstige Kosten leisten. Gegen dieses Erkenntnis ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Der Mann war am 19. Februar 2022 nach einer Räumung des Protestcamps in der Lobau zwecks Identitätsfeststellung ins PAZ gebracht worden, wo er sich auf einer Bank und dann am Fußboden „eingeigelt“ haben soll, um die Anfertigung eines Fotos zu verhindern. Das Foto sei laut Polizei notwendig gewesen, um den Mann später von den anderen Festgenommen zu unterscheiden. 

Fraktur der elften Rippe

"Die Polizisten haben an mir gezerrt und versucht, mich zum Aufstehen zu beobachten. Nach gut 30 Sekunden dürfte einer die Geduld verloren haben und stieß mich, wahrscheinlich mit dem Knie, ins Kreuz", sagt der 49-Jährige gegenüber dem KURIER.

Der "Sprung ins Kreuz" soll eine Fraktur der elften Rippe und eine Thoraxprellung zur Folge gehabt haben, was seitens die Polizei abstreitet.

Diese berief sich auf Aussagen eines polizeilichen Amtsarztes, der festhielt, dass es sich bei dem Rippenbruch womöglich um eine alte Verletzung handeln würde. 

„Das kommt mir reichlich seltsam vor, dass ein Unfallchirurg, sein Vorgesetzter, eine Röntgenologin und ein Gerichtsgutachter einen alten Rippenbruch nicht von einem frischen unterscheiden können“, kontert Richter Wolfgang Helm.

Der Aktivist erklärte daraufhin, er habe sich bei einem fünf Jahre zurückliegenden Fahrradsturz zwei mit dem Brustbein verbundene Rippen gebrochen. Die jüngste, verfahrensgegenständliche Fraktur habe allerdings die elfte Rippe hinten betroffen.

"Professionelle Behandlung"

Der 49-jährige Mann schloss dezidiert aus, dass er sich vor seiner Festnahme bei der Räumung des Protestcamps gegen die Stadtstraße verletzt hatte bzw. ihm dort Verletzungen beigebracht wurden. 

Er sei damals an eine Konstruktion angekettet gewesen, die Polizisten hätten ihn „höchst professionell“ von dieser gelöst. "Die Beamten der WEGA gingen dabei wirklich höchst respektvoll vor“ , schildert der Aktivist. 

Auf die Frage, weshalb er sich im Polizeianhaltezentrum nicht fotografieren habe lassen wollen, erwiderte der 49-Jährige zunächst: „Jegliche erkennungsdienstliche Maßnahme wie Fotos und Fingerabdruck kann verweigert werden.“ 

Das sei damals Grundsatzhaltung unter den Aktivistinnen und Aktivisten gewesen: „Es war bei uns Usus. Das haben damals alle Aktivisten gemacht.“ Mittlerweile verhalte er sich anders und sei zumindest bereit, seinen Namen zu nennen, verriet der Mann.

Mann rief nach Arzt

Der ins PAZ verbrachte Aktivist hatte nach dem Kniestoß schmerzbedingt seinen passiven Widerstand aufgegeben und sich fotografieren lassen. Er wurde danach in eine Zelle gebracht, wo er die Nacht verbringen musste.

"Alle zehn Minuten habe ich nach einem Arzt gerufen und dann auch Schmerzmittel verlangt", berichtet der Mann. Er sei dann in der Zelle auch von einem Mediziner untersucht worden. Dieser habe auch die Stelle, an der die Rippe gebrochen war, ertastet, aber sinngemäß festgestellt, das sei „nicht lebensbedrohlich“ und ihm Haftfähigkeit bescheinigt, schilderte nun der 49-Jährige im Verwaltungsgericht.

Der Aktivist wurde erst am 20. Februar um 13.15 Uhr - und damit fast 24 Stunden nach seiner Festnahme - aus dem PAZ entlassen. Er ging unverzüglich in ein Spital, wo Röntgenbilder angefertigt und die beschwerdegegenständlichen Verletzungen festgestellt wurden.

Der Rechtsvertreter des 49-Jährigen, der Wiener Anwalt Clemens Lahner, stützt sich neben der im Spital aufgenommenen Krankengeschichte auf ein gerichtsmedizinisches Gutachten, das seiner Ansicht nach die Darstellung seines Mandanten in zeitlicher Hinsicht und zum Geschehnisablauf untermauert.

Strafverfahren eingestellt

Die Staatsanwaltschaft Wien hatte gegen die Polizisten, die im PAZ mit dem 49-Jährigen zu tun hatten und die als mögliche Verursacher der Rippenfraktur in Frage kamen, ermittelt. Dieses Strafverfahren wurde eingestellt - laut Lahner war nicht erweislich, welcher der Beamten für den Kniestoß verantwortlich war.

"Das Verwaltungsgericht hat den Fall genau untersucht, eine unabhängige Entscheidung getroffen und die Amtshandlung für rechtswidrig erkannt. Das ist sehr erfreulich. Viel besser wäre es aber, wenn es endlich eine unabhängige Stelle gäbe, die solche Vorfälle mit polizeilichen Ermittlungsbefugnissen untersuchen kann und nicht erst auf Antrag und auf fas finanzielle Risiko der Betroffenen hin aktiv wird", sagt der Jurist.

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