2025 ist ein Jubiläumsjahr für das Kinderwunschzentrum an der Wien: Vor genau einem Jahrzehnt wurde dort die erste heimische Anlaufstelle für Regenbogenpaare mit Kinderwunsch gegründet. Davor war das hierzulande lange nicht möglich, erst musste eine Gesetzesänderung her.
"Durch die Novellierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes wurde schließlich auch in Österreich erlaubt, Spendersamen bei gleichgeschlechtlichen bzw. Regenbogenpaaren zu verwenden. Das war Anfang 2015. Nur wenige Monate später haben wir das Regenbogenzentrum gegründet – und feiern heuer Zehnjähriges", berichtet Leiterin Dr. Gudrun Langer.
Wenn das politische Klima Ängste schürt
Über 1.300 Paare wurden seitdem dort behandelt. "Am Anfang waren es nur 50 pro Jahr, wenn überhaupt. Es musste sich erst einmal herumsprechen, dass diese Form der Familiengründung nun auch in Österreich möglich war. In den letzten Jahren wurden es aber deutlich mehr, die Zahl steigt also definitiv an," so Langer.
Für queere Paare, die eine In-Vitro-Fertilisation (IVF) durchführen lassen möchten, gelten dieselben Voraussetzungen wie für heterosexuelle Paare. Der einzige Unterschied ist, dass "Samen eines Dritten" verwendet werden, wie es in der juristischen Fachsprache heißt. Daher braucht es vor der Behandlung einen Notariatsakt, der festlegt, dass der Spender keine späteren Rechte und Pflichten hat und dass das Paar, das den Samen verwendet, die Eltern des daraus entstehenden Kindes sind. Die Insemination, also Samenübertragung, ist für alle Paare, heterosexuell wie homosexuell, stets privat zu bezahlen. Es gibt in Österreich aber den IVF-Fonds zur finanziellen Unterstützung. Dieser ist, wenn die medizinische Indikation gegeben ist, sowohl für gleichgeschlechtliche als auch für Regenbogenpaare verfügbar und übernimmt 70 Prozent der Kosten für vier Behandlungszyklen.
Soweit zum Rechtlichen. Gab es in den vergangenen Jahren sonst noch große Veränderung in Sachen Kinderwunsch für Regenbogenpaare? "Im gesellschaftlichen Kontext spürt man immer die jeweils aktuellen politischen Strömungen. Das registrieren wir in den Ängsten der Paare. Anfang des Jahres etwa, als Österreich noch vor der Frage stand, wer Bundeskanzler wird."
Insbesondere die FPÖ unter Herbert Kickl propagierte im vergangenen Wahlkampf immer wieder die klassische bürgerliche Kernfamilie. "Wir haben viele E-Mails bekommen mit Fragen wie: 'Was passiert dann mit unseren Embryonen? Dürfen wir die noch einsetzen, wenn wir einen Kanzler bekommen, der so etwas ablehnt?' Man darf nicht vergessen: Das ist nicht nur Politik, da geht es für viele Menschen um ganz essenzielle, emotionale Dinge", schildert Langer.
Regenbogenfamilien werden bunter
Eine weitere Veränderung: Als das Regenbogenzentrum in Wien eröffnete, wurden dort hauptsächlich gleichgeschlechtliche Frauenpaare betreut. Das Spektrum sei aber im Laufe der Jahre immer breiter und bunter geworden. "Mittlerweile kommen auch viele trans Personen oder nicht-binäre Personen zu uns, wir sind ein wenig weggekommen von dem 'klassischen' Setting, dass zwei Frauen einen Samenspender brauchen. Bei diesen Personen hat es ein wenig länger gedauert, bis sie überhaupt mitbekommen haben, dass es diese Möglichkeit des Kinderkriegens nun auch für sie gibt"
Die Paare, die sich an das Regenbogenzentrum wenden, kommen meist aus Wien und Umgebung, aber auch aus dem Rest von Österreich sowie aus dem Ausland – nicht zuletzt aufgrund der politischen Situation der jeweiligen Länder, viele reisen beispielsweise aus Ungarn an.
"Danke, dass unsere Kinder das miterleben können"
Auch Kerstin und Sonja kontaktierten 2020 das Regenbogenzentrum, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. "Vor vielen Jahren war ich noch mit einem Mann zusammen, da war Kinderkriegen noch kein Thema für mich. Ich hatte aber stets den Wunsch, irgendwann eine eigene Familie zu haben," erzählt Kerstin. "Sonja und ich waren dann schon recht lange zusammen, ich hatte aber noch eine gesundheitliche Geschichte davor, einen diagnostizierten Gehirntumor. Nachdem das hinter uns lag, war für uns klar, dass wir nun eine Familie gründen wollen."
Im September 2020 hatten die beiden das erste Beratungsgespräch, im Juli 2021 folgte die Schwangerschaft. Im März 2022 kam ihre Tochter Iva schließlich auf die Welt. Die Familien standen von Anfang an hinter dem Kinderwunsch der beiden. "Unsere Eltern waren froh, dass es endlich losgeht und sie Großeltern werden können," lacht das Paar. Der Freundeskreis reagierte ebenfalls sehr positiv. "Wir hören sogar oft: 'Danke, dass unsere Kinder miterleben können, dass es auch normal ist, dass zwei Frauen miteinander ein Kind haben.'"
Auch in ihrem Heimatdorf im Burgenland habe es bislang nie Konflikte gegeben. "Anfeindungen oder Ähnliches haben wir zum Glück noch nie erlebt. Da haben es andere Paare sicher schwerer. Wir haben Iva auch taufen lassen, das war ebenfalls kein Problem." Der Familienalltag gestalte sich ganz gewöhnlich, wie bei anderen Kleinfamilien – nur, dass Iva ihre beiden Mütter "Mama" und "Mami" ruft.
Den Samenspender vielleicht eines Tages treffen
Mit Bilderbüchern und Gesprächen haben Kerstin und Sonja ihrer Tochter von Anfang an erklärt, dass ihre Familie vielleicht ein bisschen anders ist als viele andere. "Als sie mal gefragt hat, warum sie keinen Papa hat, habe ich ihr gesagt, dass ich mich eben in eine Frau verliebt habe und wir uns ein Kind gewünscht haben. Mit der Erklärung war das Thema für sie auch schon erledigt," lacht Kerstin. Alle weiteren Fragen, die mit dem Älterwerden noch kommen werden, wollen die beiden in Zukunft ebenso offen mit Iva besprechen.
"Wir hier im Zentrum raten all unseren Paaren, kein 'Geheimnis“ daraus zu machen. Kinder spüren sofort, wenn etwas vor ihnen verborgen gehalten wird. Wenn man aber stets offen und ehrlich mit dem Thema umgeht, wird es für das Kind einfach zur Normalität, mit der es eben aufwächst," unterstreicht auch Dr. Langer.
Die Entscheidung, ob Iva später ihren Samenspender kennenlernen möchte, werden Kerstin und Sonja ihrer Tochter ebenfalls frei überlassen. Ab dem vollendeten 14. Lebensjahr sind die Kinder nämlich dazu berechtigt. Auch besteht dann die Möglichkeit, etwaige Geschwisterkinder vom gleichen Spender kennenzulernen, so diese das auch möchten. Besteht von beiden Seiten der Wunsch, leitet das Zentrum jeweils die Kontaktdaten weiter.
Für die kleine Iva dauert es aber noch einige Jahre, bis sie sich dazu entschließen kann.
Angst davor, dass ihre Tochter später einmal in der Schule schief angeschaut oder gar verspottet werden könnte, haben Kerstin und Sonja nicht. "Kinder werden heutzutage für alles Mögliche gehänselt." Das liebevolle Umsorgen ihrer Tochter steht für sie an erster Stelle. Und durch Onkel, Opa und Freunde mangelt es der Kleinen auch nicht an Interaktion mit Männern.
Wird Iva doch einmal auf ihre beiden Mütter angesprochen, sagt die Dreijährige bereits stolz: "Ich habe keinen Papa, ich habe zwei Mamas."