Samenspende statt Partner: Eine Mutter und ihr Weg zum Kind
Anfangs war Hanna Schiller unsicher, wie sie es ihrem Sohn erklären sollte. Seinen Vater kennt er nicht, und Hanna Schiller kennt ihn auch nicht. Inzwischen weiß der Vierjährige, „dass es einen Mann in Dänemark gibt, der mir geholfen hat, ihn zu bekommen“.
Dieser Mann war ein Samenspender, durch den sich Schillers sehnlichster Wunsch erfüllte: Mama zu werden – ohne feste Partnerschaft. Den Weg dorthin und ihren Alltag als „Solo-Mama“ beschreibt die 40-jährige Deutsche auf ihrem Blog (www.solomamapluseins.de) und in einem neuen Buch (siehe unten). Es soll Vorurteile ausräumen und Single-Frauen ermutigen, den Traum von der Mutterschaft nicht aufzugeben, sagt Schiller.
Was ist Familie?
Sie selbst war glücklich vergeben, als der Traum vom Kind größer wurde. Ein Wunsch, den ihr damaliger Partner nicht teilte. Schiller trennte sich und stürzte sich alleine in das Projekt „Solo-Mama“. Kein einfaches Unterfangen, obwohl es in Deutschland – anders als in Österreich – erlaubt ist, alleinstehende Frauen mithilfe von Spendersamen in einer Kinderwunschklinik zu behandeln.
„Es machen aber deswegen noch lange nicht alle“, erzählt sie. „Einige aus Vorsicht, weil sie befürchten, dass Unterhaltszahlungen auf sie zukommen könnten. Andere, weil sie es moralisch nicht vertreten können, dass eine Single-Frau von Anfang an ohne rechtlichen Vater ein Kind großzieht.“
Denn Vorurteile über alternative Familienmodelle sitzen tief, auch das musste Schiller auf ihrem Weg feststellen. In der gesellschaftlichen Wahrnehmung sei vor allem der Unterschied zu unfreiwilligen Alleinerzieherinnen eklatant. „Während sie eher bedauert werden, bekommen Solo-Mütter Neid zu spüren, weil es sich um ein selbst gewähltes Lebensmodell handelt. Beide Modelle werden als schlechter und defizitärer als die traditionelle Kernfamilie angesehen.“
Veränderte Normen
Dennoch: Das Verständnis von Familie ist diverser geworden, sagt Eva-Maria Schmidt, Soziologin und Mitarbeiterin am Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF). Durch die rechtlichen und medizinischen Möglichkeiten und die Darstellung in den (sozialen) Medien wächst das Bewusstsein dafür, dass nicht mehr nur heterosexuelle Paare Kinder bekommen können. Wie viele Frauen den Weg der Solo-Mutterschaft gehen oder sich mit anderen Singles zusammentun („Co-Parenting“), wird in Österreich nicht erfasst. Bekannt ist lediglich der Anteil der Alleinerziehenden (siehe rechts).
„Von Frauen wird zunehmend erwartet, dass sie beruflich erfolgreich sind und dann erst Mutter werden“, erklärt Schmidt. „Dann ist oft kein Partner da. Abgesehen davon, dass die Anforderungen an diesen in Hinblick auf Elternschaft massiv gestiegen sind.“ Daher würden auch immer mehr Frauen „Social Egg Freezing“ (Einfrieren der Eizellen ohne medizinischen Grund) in Betracht ziehen.
Dass dieses – wie die Samenspende für Singles – in Österreich nach wie vor verboten ist, stößt immer öfter auf Kritik. Zurecht, findet Schmidt. „Für mich geht es da viel um die Frage, wie sehr eine Frau über ihren Körper bestimmen kann.“
Egoismus
Schiller wurde schließlich nach ihrem zweiten Versuch in einer Kinderwunschklinik schwanger. „Das Beschwerliche war die Zeit davor, als ich mich entschieden habe, zu einer Samenbank zu gehen und meine Vorstellung von einer klassischen Familie aufzugeben“, erinnert sie sich. „Heute weiß ich, dass es verschiedene Varianten gibt. Familie ist nichts Starres und Festgelegtes mehr. Wichtig ist ein Gefühl der Geborgenheit und Zugehörigkeit.“
Für partnerlose Frauen mit Kinderwunsch wünscht sie sich mehr Möglichkeiten und Informationen. Um Bewusstsein zu schaffen, machte sie ihre persönliche Geschichte öffentlich.
„Eines der häufigsten Vorurteile ist, dass die Erfüllung des Kinderwunsches ohne Partner – anders als bei heterosexuellen Paaren – egoistisch sei“, erzählt die Deutsche. „Man darf nicht vergessen: Solo-Mütter stemmen finanziell, emotional, organisatorisch alles komplett alleine. Das ist für mich alles andere als egoistisch.“
Schmerzhaft sei auch die Annahme, Solo-Mamas seien beziehungsunfähig. „Dass für die meisten ein Trauerprozess vorausgeht und sie sich vom traditionellen Familienmodell verabschieden müssen, wird oft gar nicht wahrgenommen.“
Für ihren Sohn spielt das alles keine Rolle. Er wächst glücklich auf dem Land auf, umgeben von Bezugspersonen, die seiner Mama auch einmal Freiräume ermöglichen. „Mein Sohn weiß, dass er keinen Papa hat“, sagt Schiller. „Viel mehr interessiert ihn zur Zeit noch nicht. Es ist einfach sehr weit weg von seiner Gegenwart.“
Buchtipp:
Hanna Schiller: „Warum nicht solo?! Mama-Werden geht auch ohne Märchenprinz“ Ehrlich & Anders. 259 Seiten. 7,99 Euro
Österreich
Lesbische und heterosexuelle Paare dürfen mittels Samenspende und künstlicher Befruchtung ein Kind zeugen. Alleinstehenden Frauen ist dies nicht erlaubt. Adoption hingegen schon.
18 %aller Familien in Österreich sind Familien mit nur einem Elternteil. 1,5 Millionen Österreicher leben alleine – Tendenz steigend.
Ausland
In Ländern wie Großbritannien, Niederlande, Deutschland, Dänemark ist künstliche Befruchtung auch für Single-Frauen erlaubt. Der Vater wird bei den österreichischen Behörden als „nicht bekannt“ angegeben.
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