Kampf um jede Stimme: Weitere Pannen bei Wahlkarten

Kampf um jede Stimme: Weitere Pannen bei Wahlkarten
Nach dem KURIER-Bericht über Mängel bei der Briefwahl-Zustellung häufen sich jetzt die Fälle – Behörden und Post gehen auf Spurensuche.

„Einen Brief absenden, heißt in Österreich einen Brief aufgeben." An das alte Bonmot von Karl Kraus mag sich manch einer dieser Tage erinnern, wenn er sich nämlich mit seiner bestellten Wahlkarte herumschlagen muss – die eigentlich den Zweck erfüllen sollte, die Ausübung des Wahlrechts für den 29. September zu vereinfachen. 

Auf den gestrigen KURIER-Bericht über nicht direkt zugestellte, sondern am Postamt oder beim Post-Partner hinterlegte Wahlkarten, gab es eine Fülle von Reaktionen, die die von der Post artikulierte „Einzelfall“-Theorie doch ins Wanken bringen. 

Einige Pannen-Beispiele von dem KURIER bekannten Personen seien nachfolgend dargestellt:

Beispiel 1: Wahlkarte lag im falschen Fach

Eine Wienerin wollte ihre Wahlkarte per „gelbem Zettel“ (sie war tatsächlich nicht zu Hause gewesen) in der Post-Abholstation in Wien-Landstraße abholen. Doch das Fach der Selbstbedienungs-Zone ließ sich nicht öffnen. Die Nachfrage am Postamt-Schalter sorgte bei der Erdbergerin dann für einen Schockmoment: „Der Postler hat wahrscheinlich den Code doppelt vergeben, es wird jemand anderer Ihre Sendung entnommen haben.“ 

Die Wahlkarte in der Hand eines Fremden, der dann womöglich auch noch für einen wählt? Die Wienerin war fassungslos – zumal die Schalter-Mitarbeiterin auch sonst keine Hilfe anbot, sondern nur den „gelben Zettel“ einkassierte. 

Der KURIER alarmierte die Leiterin der Wiener Wahlbehörde (MA62), Christine Bachofner, und die Post-Pressestelle, die beide im wahrsten Sinne des Wortes um die Stimme der Wienerin kämpften – denn ohne diese Wahlkarte hätte sie auch ihr Wahlrecht für Sonntag verwirkt.

Am Dienstagvormittag dann das Happyend: Die Wahlkarte befand sich immer noch in der Abholstation, allerdings in einem anderen Sektor. Das zu erkennen wäre eigentlich Aufgabe der Schalter-Mitarbeiterin gewesen, bedauert Post-Sprecher Markus Leitgeb. „Für die entstandenen Unannehmlichkeiten möchte ich mich aufrichtig bei ihr entschuldigen.“ Asche aufs Postler-Haupt. Aber wie ist das mit der Stimmabgabe per Wahlkarte durch einen Fremden? In diesem Fall hätte das nicht funktioniert, denn wäre jene Wahlkarte am Sonntag ins Wahllokal gelangt, wäre sie eingezogen und für ungültig erklärt worden, erklärt Bachofner

Beispiel 2: Wahlkarte kam irrtümlicherweise per Einschreiben

Bange Momente kurz vor der Nationalratswahl durchlebte am Dienstag auch eine andere Wienerin: Obwohl sie ihre Wahlkarte mittels ID-Austria dezidiert ohne Einschrieben bestellt hatte (da sie sich im September zwei Wochen im Ausland aufhielt), war bei der Heimkehr im Postkasten dann sehr wohl der „gelbe Zettel“ hinterlegt. Die Wahlkarte war also doch per Einschreiben gekommen – blöderweise war die Abholfrist am Postamt schon verstrichen. Doch glücklicherweise hatten die Schalter-Mitarbeiter keine Eile walten lassen und die Wahlkarte noch nicht retourniert – denn dann wäre es kompliziert und vor dem Wahlsonntag noch zeitlich stressig geworden.

Beispiel 3: Auch der "gelbe Zettel" blieb aus

Auch ein Wiener musste sich dieser Tage über die Briefwahl wundern: Er hatte die Wahlkarte nicht online, sondern via amtlichem Schriftstück der Stadt Wien bestellt – also auf dem Postweg. Doch dann geschah lange nichts: keine Wahlkarte und auch keine Benachrichtigung der Hinterlegung. Der Mann wurde stutzig und stellte Nachforschungen an – bei Hotlines der Stadt Wien und der Post. Schließlich stellt sich heraus: Die Wahlkarte befindet sich längst in einer Postfiliale im 23. Bezirk und wartet auf Abholung. Auch hier gilt: Die Wahlkarte nicht gleich aufgeben (im Sinne von Karl Kraus). 

Beispiel 4: Ein "gelber Zettel" für zwei Wähler

Und dann wäre da noch der Fall eines Wiener Ehepaares, der zumindest Fragen nach dem Wahlgeheimnis aufwirft. Gemeinsamer Haushalt, unterschiedliche Nachnamen, zwei bestellte Wahlkarten, aber nur ein gemeinsamer „gelber Zettel“ für die Wahlkarten. Doch was wäre, wenn man schon getrennt ist, aber noch zusammenlebt? Womöglich ein Rosenkrieg tobt, und einer der beiden die Wahlkarte unrechtmäßig an sich nimmt? Formell ist die Sache laut Post-Sprecher Leitgeb aber korrekt abgelaufen: „Ja, das ist möglich. Wenn ein Einschreiben nicht zusätzlich als ,persönlich‘ verschickt wird, handelt es sich dabei um eine normale, nachverfolgbare Sendung. Das ist wie bei einem Paket: Dieses dürfen ja auch andere Haushaltsbewohner annehmen oder abholen.“

Immerhin: Die Stimmabgabe ist in allen Fällen nun doch möglich – und keine Stimm-Abgabe erfolgt.

Wer Hilfe braucht: Auskunft und Unterstzütung bei der Suche nach der Wahlkarte erhält man bei der Hotline der Post (Tel.: 0800-010 100)

Mehr zum Thema

Alles rund um die Nationalratswahl

Nationalratswahl: Wie aus den Stimmen Mandate werden Wahltag rückt näher – und damit auch die Deadlines für Briefwähler Wahlkampf mit Vorzugsstimmen? Warum das fast aussichtslos ist Bricht Van der Bellen die Verfassung, wenn er Kickl nicht angelobt? Was Sie bei der Briefwahl unbedingt beachten sollten

Kommentare