Seit Montag hält eine Gruppe von Künstlern – darunter Schriftstellerin Marlene Steeruwitz und Eduard Freudmann, Professor an der der Akademie der bildenden Künste – eine „Schandwache“ vor dem Denkmal (der KURIER berichtete). Die Künstler wollen den Restaurator daran hindern, die Graffiti zu entfernen und brachten erneut einen Schriftzug an: „Schande“ steht jetzt in Goldbuchstaben auf dem Denkmal.
Seit Montag bewachen die Künstler das Denkmal am Ring zumindest tagsüber. In der Nacht hatten linke Aktivisten aus den Kreisen der Antifa, der sozialistischen Jugend und der jüdischen Hochschülerschaft die Wache übernommen.
Am Abend kam es zur Eskalation: Mitglieder der rechtsextremen „Identitären“ tauchten vor dem Denkmal auf, zerstörten das Beton-Graffiti mit Hammer und Meißel. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten; in den sozialen Medien hieß es, ein Rechtsextremer sei mit dem Auto auf linke Demonstranten losgefahren.
Laut den vorläufigen Ermittlungen der Polizei dürfte es sich anders zugetragen haben: Ein Mitglied der „Identitären“ habe den Ort des Geschehens mit dem Auto verlassen wollen, woraufhin sich Linke vor das Auto gestellt haben sollen. Nun liegt eine Anzeige wegen Sachbeschädigung am Auto vor.
Am Dienstag ging es noch weiter: Unterstützerinnen des Frauenvolksbegehrens übernahmen die „Schandwache“. Am Nachmittag kam auch FPÖ-Klubobmann Toni Mahdalik vorbei.
Deutungshoheit
Die Scharmützel zwischen Linken und Rechten veranschaulichen gut, dass man in Wien noch nicht sicher ist, wie mit der Rolle des ehemaligen Bürgermeisters umzugehen ist (siehe Zusatztext).
Lueger war Antisemit, geschätzt von Adolf Hitler. Zudem ist laut den Künstlern auch der Bildhauer der Statue nicht unbelastet: Josef Müllner war Unterstützer der Nazis und schuf 1940 auch die Adolf-Hitler-Büste für die Akademie der bildenden Künste. Linke und Künstler fordern nun, dass die Statue entfernt oder zumindest umgestaltet und kontextualisiert wird.
Den Akteuren auf beiden Seiten geht es um die Deutungshoheit über das Denkmal. Die Stadt hat bisher die Maxime vertreten, in ähnlichen Fällen – etwa bei Straßennamen – Zusatztafeln anzubringen.
Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) blieb am Dienstag zunächst vage. „Die Stadt steht für einen offenen Diskurs über den Umgang mit Denkmälern und historischen Symbolen und befürwortet Kontextualisierungen ambivalenter Persönlichkeiten.“
Allerdings ließ sie auch wissen, dass „man nicht einfach auf alte Konzepte und alte Entwürfe zurückgreifen“ könne. „Wenn man Partizipation ernst nimmt, braucht es einen Prozess mit allen Beteiligten“. Mit Anrainern, Historikern, dem Bezirk und dem Bundesdenkmalamt.
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