Kaffee Urania, Blasser, Bonbons: Geschichte von Retro-Schriftzügen gesucht
Auf der Fassade des Eckhauses in der Radetzkystraße sind die Umrisse noch deutlich zu sehen: „Kaffee Urania“ ist auf dem gelben Putz zu lesen. Obwohl das legendäre Nachtcafé im 3. Bezirk bereits vor vier Jahren zugesperrt hat. Geblieben ist nur der Abdruck des Schriftzugs auf der Hauswand.
Die großen Lettern sind aber nicht verloren. Sie werden in wenigen Wochen eine neue Mauer zieren: eine Feuerwand im 2. Bezirk – gemeinsam mit elf anderen historischen Schriftzügen.
Denn: Der Verein Stadtschrift hat den Kaffee-Urania-Schriftzug gerettet. Noch diesen Sommer soll er am Ludwig-Hirsch-Platz gezeigt werden – und zwar im Rahmen der neuen Freilicht-Ausstellung Mauerschau.
Ursprünglich hatte das bereits im heurigen Mai passieren sollen. Doch dann kam die Corona-Krise. Und der Verein, der historische Geschäftsbeschriftungen sammelt, musste die Eröffnung der Mauerschau auf unbestimmte Zeit verschieben. Wieder einmal.
Denn eigentlich sollten die Schriftzüge bereits im Sommer 2019 auf der Feuerwand montiert werden. Zu diesem Zeitpunkt waren bei Stadtschrift mehr als 6.500 Euro an Spenden eingegangen. Genug, um die aufwändige Montage zu finanzieren. Die Verwaltung des betroffenen Hauses wollte aber erst noch die Fassade sanieren.
Eröffnung im Juli geplant
Nun gibt es einen neuen Zeithorizont für die Eröffnung der Mauerschau: Der Verein plant, die Schriftzüge spätestens Anfang Juli aufzuhängen. Ob das gelingt, sei allerdings noch von ausständigen Genehmigungen der Behörden abhängig, sagt Roland Hörmann von Stadtschrift zum KURIER.
Auf eine große Eröffnungsparty wird Corona-bedingt verzichtet: "Es wird ein Soft-Opening."
Geschichte gesucht
Bis dahin sammelt der Verein Informationen zu den Schriftzügen, die er für die Mauerschau ausgewählt hat. Fünf Exemplare stammen aus einer mittlerweile aufgelassenen Ausstellung in der Kleinen Sperlgasse. Dazu kommen sieben bisher nicht gezeigte Exponate.
Nicht alle sind so bekannt wie der Kaffee-Urania-Schriftzug. Über einige Schilder und die zugehörigen Geschäfte weiß der Verein nur wenig.
Zum Beispiel über den Schriftzug "Bonbons". Bekannt ist nur, das er von einem Laden namens Zuckerlecke an der Kreuzung von Reinprechtsdorfer Straße und Arbeitergasse im 5. Bezirk stammt.
Ähnlich verhält es sich mit dem Schriftzug "Blasser" von der gleichnamigen Metallwarenhandlung in der Taborstraße 35. Viel mehr, als dass der Laden 1836 eröffnete, ist nicht überliefert. Über einen Tabak-Schriftzug aus der Karmelitergasse 1 hat der Verein gar keine Informationen.
Wer mehr über die Schriftzüge und die Geschäfte weiß, erreicht den Verein unter mail@stadtschrift.at.
Neuer Schauraum
Stadtschrift bereitet derzeit aber nicht nur die neue Mauerschau vor, sondern auch einen zweiten Indoor-Schauraum. Einen gibt es bereits in der Liniengasse im 6. Bezirk - er ist allerdings nur gegen Voranmeldung zugänglich.
Nun wird im Stadtteilbüro der Gebietsbetreuung im 15. Bezirk in der Sechshauserstraße eine weitere Schau vorbereitet - mit Schriftzügen aus dem 6., 12., 14. und 15. Bezirk. Besuchen kann man sie - voraussichtlich noch diesen Sommer - zu den Öffnungszeiten des Stadtteilbüros.
Schauräume
Ziel des Vereins Stadtschrift ist, historische Geschäftsbeschriftungen zu retten und öffentlich zugänglich zu machen. Etwa über
den Schauraum in der Liniengasse 2a in Mariahilf (Anmeldung unter mail@stadtschrift.at) – und bald über die Dependance in der Sechshauser Straße 23 in Rudolfsheim-Fünfhaus (Mo. bis Mi. und Fr. von 14 bis 18 Uhr und Do. von 9 bis 18 Uhr). Oder über die Ausstellungen im öffentlichen Raum – den sogenannten Mauerschauen.
Freiluft-Ausstellungen
An der Kreuzung von Mollardgasse und Hofmühlgasse in Mariahilf bespielt der Verein derzeit eine Mauer mit Schriftzügen weiblicher Vornamen. Bis Herbst 2018 gab es auch eine Mauerschau in der Kleinen Sperlgasse in der Leopoldstadt. Die geschmückte Mauer wurde allerdings verbaut. Ihr Nachfolger ist die Mauerschau am Ludwig-Hirsch-Platz im Karmeliterviertel.
Web-Tipps
Wer sich für Vintage-Schriftzüge interessiert, der muss sie nicht unbedingt selbst suchen. Eine schöne Übersicht bietet der Blog der Fotografen Martin Frey und Philipp Graf: Auf www.geschaeftemitgeschichte.at veröffentlichen die beiden laufend neue Fundstücke. Auf Instagram lohnt es sich, dem Hashtag #viennacitytypeface zu folgen. In Berlin gibt es sogar ein eigenes Buchstabenmuseum, das Typografie aus dem öffentlichen Raum sammelt. Unter www.buchstabenmuseum.de/tour/kann man eine virtuelle Tour durch die Ausstellung machen.
Kommentare