Wer am Montag zur Mittagszeit über die Mariahilfer Straße schlendert, der gerät innerhalb kürzester Zeit in ein Gedränge. Die beliebteste Einkaufsstraße der Wiener ist überfüllt wie an ihren besten Tagen vor der Krise.
Nicht nur auf der Straße und vor den Shops – hier haben sich teils Schlangen von bis zu 20 Menschen gebildet – ist der Andrang groß, sondern auch in den Gast- und Schanigärten, die die Wirte ins Freie geräumt haben.
Corona, war da was? Eher nicht, möchte man fast meinen. Dass zwischen den meisten der Tische kein Sicherheitsabstand von einem Meter besteht, das lässt sich auch ganz ohne Maßband feststellen. In einem der Eisgeschäfte sitzen die Menschen nahezu Rücken an Rücken. Zumindest die Eiskarten wischt die Kellnerin pflichtschuldig mit Desinfektionsmittel ab.
An einem der Stände vor der Mariahilfer Kirche bestellt ein Mann frisch gepressten Fruchtsaft. Ohne Maske. So wie die beiden Verkäufer, die sich hinter den Ständen unterhalten. Nur einer trägt Maske. Oder zumindest fast. Sie ist nur an einem Ohr befestigt und baumelt herab.
Das geschäftige Treiben in den Kaffeehäusern und Lokalen auf der Mariahilfer Straße ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Das erste Zwischenfazit der heimischen Gastronomen, die am Freitag unter strengen Regeln wieder öffnen durften, fällt gemischt aus.
In vielen Lokalen blieben (nach einem ersten kurzen Andrang) die Tische leer. Vor allem Frühstückslokale, die am Wochenende üblicherweise mit großem Brunch-Buffet locken, hatten ihre Probleme: Buffets mit Selbstbedienung sind derzeit nicht erlaubt, viele Gäste blieben daheim.
„Das erste Wochenende war sehr ernüchternd“, sagt Peter Dobcak, Obmann der Wirte in der Wiener Wirtschaftskammer, im Gespräch mit dem KURIER. Das hatte vor allem am Freitag auch mit dem Wetter zu tun. Bei 9 Grad und Regen ist der Drang, im Gastgarten einen Spritzer zu trinken, eher nicht so groß.
Und drinnen sitzen – das trauen sich noch nicht alle. Vorsicht scheint die Devise vieler zu sein: „Die Leute wollen uns unterstützen, aber sie trauen sich nicht aus dem Haus“, sagt Peter Dobcak.
Erst am Samstag und am Sonntag sei – wetterbedingt – das Geschäft vielerorts angelaufen. Richtig viel los sei oft nur in der gehobenen Gastronomie – mit vielen Stammgästen – sowie bei Eisgeschäften und Imbissständen gewesen.
Abstand fällt schwer
Da wie dort hat sich gezeigt: Gäste und Gastronomen tun sich mit den neuen Regeln manchmal noch schwer.
Wer sich Sonntagnachmittag bei 25 Grad und Sonnenschein ein Eis vom Schwedenplatz holen wollte, der konnte den Mindestabstand von einem Meter fast nicht mehr einhalten. Auch mit der Akustik hatten einige – maskenbedingt – ihre liebe Not: So mancher Kellner ließ sich, wenn es gar zu laut war, dazu verleiten, die Maske kurz abzunehmen, um sich mit den Gästen über die Bestellung zu verständigen.
Bei den Rauchertischen – also jenen Stehtischen, die viele Gastronomen wegen des Rauchverbots vor ihre Lokale gestellt haben – kam man sich ebenfalls das eine oder andere Mal zu nahe. Laut Dobcak wurde sogar die Polizei gerufen.
Und zwar von sehr aufmerksamen Mitbürgern. „Fast wie bei den Raucher-Sheriffs“, sagt Dobcak. Er spricht damit an, was viele Wirte fürchten: Besorgte Bürger als Corona-Sheriffs, die mit ihren Smartphones bewaffnet jede noch so kleine Verfehlung dokumentieren und den Behörden melden.
Die Wiener Polizei hat noch keine genauen Zahlen, wie viele Anzeigen es nach den Corona-Maßnahmen am ersten Wochenende nach der Gastro-Öffnung gab. Man habe auch keine Schwerpunktkontrollen durchgeführt.
Anzeigen habe es also eher im Rahmen von anderen Einsätzen gegeben, etwa wegen Lärmerregung. Auch vonseiten des städtischen Krisenstabes will man sich noch nicht dazu äußern, wie das erste Wochenende mit Gastro verlaufen sei – man müsse sich die Zahlen erst ansehen.
Übrigens: Rein rechtlich wurden seit der Gastro-Wiedereröffnung noch einige Detailfragen geklärt. Sind Zeitungen im Kaffeehaus nun erlaubt? Ja, weil nicht explizit verboten. Und muss der Gast beim Betreten eines Gastgartens Maske tragen? Nein, muss er nicht. Übrigens auch das Personal nicht.
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