Heumarkt: Zwischen Eislaufen und Europäischem Gerichtshof
Das Heumarkt-Areal rückt diese Woche wieder in den Fokus. Am Samstag beginnt beim dort angesiedelten Wiener Eislaufverein die Saison – und zwar mit dem traditionellen Gratis-Eintritt für alle.
Die Hälfte der insgesamt 6.000 Quadratmeter großen Fläche müssen sich die Eisläufer aber vorerst mit Tennisstars teilen: Von Mittwoch bis 29. Oktober wird dort in einem riesigen Zelt das Erste Bank Open ausgetragen.
Neben den beiden sportlichen Anlässen gibt es noch eine weitere Quelle für die vermehrte Aufmerksamkeit – eine neue Wendung in dem rechtlichen Streit um das heftig diskutierte Hotelprojekt, das Wertinvest-Chef Michael Tojner auf dem Areal im 3. Bezirk plant.
Das Bauvorhaben hat bekanntlich bereits eine ganze Reihe von Gerichten beschäftigt – vom Bundesverwaltungsgericht über den Verwaltungsgerichtshof bis hin zum Verfassungsgerichtshof.
Geht es nach den Kritikern des Bauvorhabens, soll sich jetzt auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg mit der Angelegenheit befassen. Das ist eine überraschende Entwicklung in der Causa: Der Gang zum EuGH schien durch einen geschickten Schachzug von Tojner bis dato eigentlich versperrt.
Strittige UVP-Frage
Im Kern geht es in sämtlichen Gerichtsverfahren um die strittige Frage, ob Tojner vor dem Umbau des Areals eine sogenannte Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchführen muss.
Bei einer UVP werden die Auswirkungen eines Bauvorhabens auf seine Umgebung untersucht. Die Prüfung kann aus unterschiedlichen Gründen vorgeschrieben sein – zum Beispiel ab einer bestimmten Projektgröße.
Kritiker der Hotelpläne beharren auf einer solchen UVP, der Immobilienentwickler Tojner will sie vermeiden.
Antrag zurückgezogen
Im Fall des Heumarkt-Projekts hat die Wiener Landesregierung im Oktober 2018 festgestellt, dass keine UVP zu veranlassen ist. Das geschah auf Betreiben von Tojner selbst: Um die Frage der UVP-Pflicht zu klären, hatte er zuvor einen sogenannten Feststellungsantrag eingebracht.
Projektgegner – darunter zehn Anrainer und eine Umweltorganisation – legten nach der Entscheidung der Landesregierung Beschwerde ein. Die Sache ging daraufhin an das Bundesverwaltungsgericht.
2019 tat Tojner schließlich etwas Unerwartetes: Plötzlich zog er der Feststellungsantrag zurück. Damit war nicht nur das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht (theoretisch) beendet, sondern für die Kritiker seiner Pläne auch der Weg zum Europäischen Gerichtshof versperrt.
Gang zu EuGH vorbereitet
Ihr Anwalt, Wolfgang List, hatte bereits entsprechende Schritte in diese Richtung gesetzt. Seitens der Projektgegner war man überzeugt, dass die Vorgangsweise, das Heumarktprojekt keiner UVP zu unterziehen, europarechtswidrig ist.
Als juristischen Hebel, um dies zu beweisen, wählte Anwalt List die EU-Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Er beantragte beim Bundesverwaltungsgericht, die österreichische Umsetzung dieser Richtlinie beim EuGH auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen zu lassen.
Tojners Rückzieher setzte diesem Plan ein Ende.
Vorstoß eingebracht
Jetzt wurde offenbar einen anderen Weg gefunden, den Europäischen Gerichtshof einzuschalten. Man habe den neuen Vorstoß bereits am Montag beim EuGH eingebracht, sagt Christian Schuhböck, Generalsekretär der Naturschutzorganisation „Alliance For Nature“, im Gespräch mit dem KURIER.
Wieder wird die EU-Richtlinie Dreh- und Angelpunkt des Vorgehens sein. Details will man aber erst am Mittwoch bekannt gegeben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Beschwerdeverfahren übrigens trotz Tojner Rückzieher weitergeführt – eine Vorgangsweise, die sich im Nachhinein als unzulässig herausstellte. In Österreich liegt der Ball damit wieder bei der Wiener Landesregierung.
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