Projekt so nicht mehr aktuell
Beim gegenständlichen Projekt geht es freilich nicht um die abgespeckte Variante, die Bauherr Michael Tojner (Wertinvest) gegenüber der UNESCO zuletzt zugesagt hat (mit Bauhöhen von 48 und 44 Metern), sondern die UVP betrifft eine Variante mit Bauhöhen von 56,5 und 47,85 Metern. Aber auch das Bauverfahren zum ursprünglichen, großen Turm-Projekt von 2017 mit 66-Meter-Hochhaus neben dem Hotel Intercontinental war zuletzt immer noch im Laufen.
Obwohl diese beiden Projekte – zumindest laut öffentlichen Beteuerungen – gar nicht mehr aktuell sind und diese jedenfalls den Status von Wiens historischem Zentrum als Weltkulturerbe gefährden, gibt es grünes Licht von der Landesregierung. Und das vor allem deshalb, weil die Neos als Juniorpartner ihren Widerstand aufgegeben haben.
"Hatten ursprünglich eine andere Auffassung"
Vergangenen August hatte Neos-Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr noch ein klares Nein zu einer UVP-Befreiung samt Blockade im Landtag verkündet, solange das Projekt nicht UNESCO-konform sei – nun gilt das nicht mehr, wie die pinke Stadtentwicklungssprecherin Selma Arapovic mitteilt: „Es gibt einen gemeinsamen Beschluss der Landesregierung, das ist mit der SPÖ akkordiert. In den nächsten Tagen folgt dann der Bescheid.“
Der pinke Sinneswandel wird freilich nicht inhaltlich, sondern formaljuristisch begründet – auf Basis des jüngsten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts. Die Vorgabe, dass Entscheidungen der UNESCO keine Verbindlichkeit für die österreichische Verwaltung hätten, seien anzuerkennen, meint Arapovic; gleichzeitig hätte ein Gutachten der MA 22 ergeben, dass das Heumarkt-Projekt das Weltkulturerbe gar nicht wesentlich beeinträchtige. „Ja, wir hatten ursprünglich eine andere Auffassung, aber wir leben in einem Rechtsstaat. Und dem leisten wir Folge“, erklärt die Neos-Politikerin, die aber auch erwartet, dass die Sache auf dem weiteren Instanzenweg durch Einsprüche der Zivilgesellschaft inhaltlich entschieden wird.
EuGH-Urteil negiert?
Größter Trumpf für die Projektgegner ist dabei die von der UNESCO in Auftrag gegebene Kulturerbeverträglichkeitsprüfung (Heritage Impact Assessment) des Welterbe-Experten Michael Kloos, die auf 143 Seiten zum Schluss kommt, dass es durch das Bauvorhaben „große negative visuelle Auswirkungen“ auf das Weltkulturerbe gäbe. Zudem existiert ein brisantes Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Mai 2023, aus dem man eine UVP-Pflicht ableiten kann, da es sich um ein Projekt in der sensiblen Welterbe-Kernzone handle.
Christian Schuhböck von „Alliance For Nature“ hatte diese Entscheidung erkämpft – und kann jetzt nur den Kopf schütteln, dass diese offenbar negiert werde. „Für mich ist das Projekt klar UVP-pflichtig, das sagt auch der EuGH“, erklärt Schuhböck, der daher neuerlich rechtliche Schritte gegen den MA22-Bescheid in Aussicht stellt. Diese hätten dann wieder aufschiebende Wirkung für das Bauverfahren und könnten am Ende neuerlich in Luxemburg landen – und so das Tojner-Vorhaben weiter blockieren. Zur politischen Entscheidung zeigt er sich enttäuscht, denn die Neos müssten keinesfalls mitstimmen: „Leider sind sie so wie damals die Grünen umgefallen“, kritisiert Schuhböck. Arapovic sieht das anders: „Wir haben alles in unseren Möglichkeiten getan.“
Kritik von Opposition
Von der Opposition gibt es ebenso Kritik an der Landesregierung: „Die aktuellen Entwicklungen in der Causa Heumarkt sind das Resultat einer völlig chaotischen Politik, die sich seit jeher wie ein roter Faden durchzieht. Offenbar will sich die Stadtregierung vom Weltkulturerbe verabschieden“, so VP-Wien-Planungssprecherin Elisabeth Olischar. Und für FPÖ-Planungssprecher Toni Mahdalik werde mit dem jetzigen Schritt der „Verkauf des UNESCO-Welterbes an einen Milliardär“ weiter vorangetrieben.
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