Studie zum Weltkulturerbe: Heumarkt-Projekt immer noch zu hoch

Das Hochhausprojekt am Heumarkt entwickelt sich zur unendlichen Geschichte: Nach jahrelangen Planungen und Umplanungen, heftigen politischen Diskussionen sowie dem Eintrag Wiens auf der „Roten Liste“ der gefährdeten Welterbestätten (2017) standen die Zeichen zuletzt auf Kompromiss.
Im Vorfeld der Welterbe-Konferenz, vergangenen September in Riad, wurde das Großprojekt von Michael Tojners Wertinvest noch einmal verkleinert – zu wenig allerdings in den Augen der Welterbe-Experten. Denn ein brisanter Prüfbericht für die UNESCO, der dem KURIER vorliegt, kommt zum Schluss, dass es bei den historischen Sichtachsen vom Belvedere „weiterhin große negative visuelle Auswirkungen“ durch das Bauvorhaben gibt.
Eine neuerliche Redimensionierung im Ausmaß von mindestens zwei Geschoßen wird daher dringend empfohlen. Auftraggeber dieser sogenannten Kulturerbeverträglichkeitsprüfung (Heritage Impact Assessment) war das österreichische Kulturministerium, als Gutachter fungierte wieder der renommierte Welterbe-Experte Michael Kloos, der schon früher das Heumarkt-Projekt für die UNESCO unter die Lupe genommen hatte.
„Gravierend“
Er kommt in dem 143 Seiten starken Report zu dem Schluss, dass die Auswirkungen der umstrittenen Pläne nach wie vor teilweise gravierend für den „außergewöhnlichen, universellen Wert“ der Welterbestätte „Wiens historisches Zentrum“ seien: „Mit einer Höhe von 49,5 Metern übersteigt der geplante Vorschlag 2023 die traditionellen Gebäudehöhen des umgebenden Gründerzeitensembles noch deutlich. Vor allem von höher gelegenen Aussichtspunkten aus gesehen werden große negative Auswirkungen (…) auftreten“, heißt es.
Und: „Die visuelle Integrität des Weltkulturerbes wird nach wie vor stark beeinträchtigt.“ Knackpunkt ist vor allem der „Canaletto-Blick“, also die berühmte historische Sichtachse vom Oberen Belvedere Richtung Innenstadt. Wie etliche Visualisierungen in der Studie belegen, treten die beiden Hochhäuser (Hotelturm und „Wohnscheibe“) immer noch massiv in Erscheinung. Der „Canaletto-Blick“ ist aber ein maßgeblicher Faktor in den UNESCO-Kriterien – so spielte er schon 2003 beim letztlich abgesagten und völlig neu geplanten Hochhausprojekt Wien-Mitte eine entscheidende Rolle.
Umplanung notwendig
Für den Experten Kloos scheint eine neuerliche Umplanung daher unumgänglich. Er formuliert zwei konkrete bauliche Maßnahmen:
- Erstens: eine neuerliche Höhen-Reduktion. Der Hotelturm, der statt des bestehenden Hotels Intercontinental geplant ist, soll maximal 42 statt 48 Meter hoch werden; die im rechten Winkel dazu vorgesehene „Wohnscheibe“ wiederum soll auf 44 (statt zuletzt 49,95) Meter limitiert werden. Beide Bauteile würden dadurch zwei Geschoße verlieren.
- Zweitens: keine Fassadenbegrünung. Diese fällt im Experten-Gutachten durch. Da die Umgebung durch Fassaden aus Ziegel- und Steinmauerwerk geprägt sei, würde die grüne Fassade „einen starken Kontrast zur historischen Umgebung“ liefern und auch hier den Belvedere-Blick auf die sensible Dachlandschaft der Wiener City beeinträchtigen. Eingeräumt wird in der Studie freilich auch, dass es in den wichtigen Blickbeziehungen vom Stadtpark oder vom Schwarzenbergplatz durch die jüngsten Umplanungen Verbesserungen gegeben hätte. Auch sei eine optische Degradierung des benachbarten Konzerthauses – wie von Kritikern immer wieder ins Treffen geführt – nicht wirklich gegeben.
„Wiens historisches Zentrum“
bekam 2001 das Prädikat Unesco-Weltkulturerbe verliehen. Danach gab es bei einigen Bauprojekten – Wien-Mitte und Hauptbahnhof – immer wieder Probleme mit den Welterbe-Hütern. Seit 2017 befindet sich Wien wegen des Heumarkt-Projekts auf der Liste der gefährdeten Welterbestätten. Auch beim Schloss Schönbrunn, seit 1996 Weltkulturerbe, kam es zu Interventionen aus Paris (Komet-Gründe, Fiat-Gründe).
Heumarkt-Neu:
Der Umbau des Wiener Heumarkt-Areals (mit Intercontinental und Eislaufverein) an der Grenze zwischen 1. und 3. Bezirk beschäftig die Öffentlichkeit seit 2014: Ursprünglich sollte der Wohnturm aus der Feder des brasilianischen Architekten Isay Weinfeld 74 Meter hoch werden. Nach massiver Kritik wegen der Lage in der Welterbezone wurden die Höhen sukzessive reduziert, zugleich die Baumassen anderweitig erhöht.
Fachleute in Wien
Interessant wird nun sein, wie diese doch negativ ausgefallene Kulturerbeverträglichkeitsprüfung von der UNESCO bewertet wird. Zu diesem Zweck kommt vom 11. bis 13. März eine mit internationalen Fachleuten besetzte Mission nach Wien, um hier an den genannten Schauplätzen die Details der Studie zu analysieren. Bisher lautete das Credo der UN-Organisation, dass die bestehende Höhe des Intercontinental (rund 38 Meter) nicht überschritten werden dürfe.
Die Geschichte lehrt freilich, dass solche Limits nicht in Stein gemeißelt sind. Bei Wien-Mitte galt für die UNESCO ursprünglich die Hilton-Höhe von 66 Metern als Maß für eine Neuplanung – am Ende wurden über dem Landstraßer Bahnhof dann aber bis zu 70 Meter erlaubt.
So oder so fällt die nächste Entscheidung über das Wiener Weltkulturerbe und damit auch über den Verbleib auf der „Roten Liste“ erst bei der nächsten UNESCO-Sitzung im Juli im indischen Neu-Delhi.
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