Causa Heumarkt: Rote Breitseite gegen die Welterbehüter
Die unendliche Geschichte um den Heumarkt und das bedrohte Weltkulturerbe – der KURIER berichtet seit Jahren – ist um ein Kapitel reicher. Das wäre für alle, die die verworrene Vorgeschichte kennen, per se nicht verwunderlich.
Doch die aktuellen Entwicklungen rund um das umstrittene Bauprojekt (siehe Faktenkasten) sind bemerkenswert: Denn der Ton wird zunehmend rauer. Innerhalb der Wiener Stadtregierung, in der sich die Neos nun mit der SPÖ anlegen. Und zwischen Wien und der UNESCO. Erstmals übt die SPÖ unverhohlen Kritik an den Welterbehütern, die es in sich hat.
Ein Zeitungsbericht
Alles begann am Samstag, als die Neos ihrem Koalitionspartner, der SPÖ, ausgerechnet via Kronen Zeitung ausrichten ließen, dass man mit dem Kurs in Sachen Weltkulturerbe nicht mehr einverstanden sei.
Die Neos würden dem Bau des Heumarkt-Turms ihre (nötige) Zustimmung verweigern, mussten die SPÖ-Granden aus dem reichweitenstarken Boulevard-Medium lesen. Ein Foul der Sonderklasse, wie SPÖ-Insider verstimmt anmerkten.
Passieren soll der pinke Aufstand im Landtag: In den vergangenen Jahren wurde heftig darüber gestritten, ob für den Bau eine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig ist. Die Antwort lautet – nach ewigem Hin und Her in den Instanzen – zwar Nein.
Aber auch dieses Nein muss im Landtag abgesegnet werden, damit die Baugenehmigung für das Projekt erteilt werden kann. Und genau bei diesem Formalakt wollen die Neos nun nicht mitstimmen.
Bereits im Mai haben die Pinken vor der Landtagssitzung die Zustimmung verweigert und das Thema so von der Agenda gekippt. Damals, weil man die im Juni veröffentlichte „Draft Decision“ abwarten wollte, die dann erneut negativ ausfiel: Experten empfahlen den UNESCO-Gremien darin erneut, Wien auf der roten Liste des gefährdeten Weltkulturerbes zu belassen.
Schlechter Zeitpunkt
Deshalb wollen die Neos nun auch weiter blockieren: „Das Projekt muss in seinem Volumen redimensioniert werden“, so die Forderung, die die Partei von Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr via Krone an die SPÖ richtet. „Das Weltkulturerbe ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der berücksichtigt werden muss.“
Der rote Landtagspräsident und Weltkulturerbebeauftragte Ernst Woller zeigte sich am Samstag im KURIER-Gespräch alles andere als erfreut. Der Wirbel kommt wenige Tage vor der wichtigen Sitzung der UNESCO, bei der ab dem 10. September über die Zukunft des Welterbes entschieden werden soll, zum denkbar schlechten Zeitpunkt.
Aus taktischer Sicht, sagt Woller, könne er die Haltung der Neos verstehen: „Die Partei hat in Kärnten und Salzburg zwei Wahlniederlagen eingefahren. Jetzt hat sie sich krampfhaft ein Thema gesucht, mit dem sie sich abgrenzen kann, um neben der tonangebenden SPÖ in Wien nicht unterzugehen.“
Inhaltlich sei er aber umso enttäuschter vom Koalitionspartner, den er an sich „sehr schätze“: „Die Neos geben sich als wirtschaftsliberale Partei, die Wert auf Transparenz legt. Nun stellt sie sich gegen einen Investor (Michael Tojner, der das Heumarkt-Projekt verantwortet, Anm.), der seit zwölf Jahren kooperativ alle Entscheidungen mitträgt.“
Die UNESCO und ihre Gremien, sagt Woller, seien hingegen „alles andere als transparent“. Sie seien „undurchschaubare, unsagbar komplizierte, schwerfällige Organisationen“. Seit Jahren schon versuche die UNESCO, „den heimischen Rechtsstaat auszuhebeln, Bescheide zu behindern und Wien in seiner Stadtentwicklung zu gängeln“.
Immer niedriger
Eine Kritik an der internationalen Organisation (die, so Woller, „gar keine rechtliche Grundlage hat, in Wien mitzuentscheiden“), wie man sie in dieser Deutlichkeit noch nie aus der SPÖ gehört hat.
Tatsächlich versucht die Stadt seit vielen Jahren, den Vorgaben der Welterbehüter rund um das Heumarkt-Projekt gerecht zu werden. (Wie ambitioniert, daran scheiden sich die politischen Geister.) Der Turm, der an der Stelle des derzeitigen Hotel Intercontinental entstehen sollte, wurde zur „Wohnscheibe“ umgetauft und von Entwurf zu Entwurf niedriger – von 73 Metern schrumpfte er auf 66 Meter, dann auf 56,5 Meter.
„Passt wieder nicht“
Dass sich die UNESCO-Gremien – etwa der Fachbeirat ICOMOS – immer noch an der Höhe stoßen, macht Woller wütend: Man habe sich in der Vergangenheit mit UNESCO-Vertretern auf diese Höhe verständigt, „nun passt es wieder nicht“. Überhaupt sei die Organisation eine „verschlossene Muschel“, kritisiert Woller. „Man erfährt immer nur, was die UNESCO nicht will, aber nie konkret, was sie will. Wüssten wir das, könnte ich es gemeinsam mit Michael Tojner umsetzen.“
Dass die Kommunikation mit den Welterbehütern so schwierig sei, liege auch daran, dass man „die konkreten Ansprechpartner nicht ausfindig machen kann“, so Woller. So sei ihm etwa unklar, wer konkret im sogenannten Welterbekomitee (gebildet aus Vertretern von 21 Staaten) sitze, das im September entscheiden wird, ob Wien auf der roten Liste bleibt oder nicht – oder den Welterbetitel eben ganz verliert.
Auch an der Qualität der Gutachten zweifelt er: „Da beurteilt für ICOMOS irgendein Gutachter aus Sydney, wie es in Wien aussieht, obwohl er noch nie hier war und keine Ahnung hat.“
Auch fühlt er sich von der UNESCO unfair behandelt: Obwohl in anderen Welterbestätten – etwa der Altstadt Havannas in Kuba – die Häuser „in sich zusammenbrechen und Menschen darin sterben, findet die UNESCO, dass dort alles gut ist. Aber uns quält man wegen zwei Metern Höhe und einer Sichtlinie vom Belvedere auf die Stadt.“ Sarkastischer Nachsatz: „Ich habe nie verstanden, warum sich alle Wien immer vom Belvedere aus anschauen.“
Entscheidung am 13.
Bei der UNESCO-Sitzung in Riad, bei der die Entscheidung über Wien am 13. September am Nachmittag fallen soll, wird Woller jedenfalls anwesend sein. Dass das historische Zentrum Wiens den Status als Weltkulturerbe verliert, glaubt er nicht – und zieht Parallelen zum Sport: „Auf der roten Liste zu stehen, das ist wie eine gelbe Karte. Man muss noch ein brutales Foul begehen, um die rote Karte zu bekommen. Und das tun wir nicht.“
Und wie kommentiert er die jüngste Aussage von Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ), der im Verlust des Welterbes „keinen Beinbruch“ sähe? Woller hält schon die Überlegung für „theoretisch“. Die UNESCO sei „nicht handlungsaktiv genug“, um einen so großen Schritt zu wagen.
Versöhnliches Ende
Falls doch, „dann ist Wien immer noch eine glückliche Stadt mit zwei verbliebenden Welterbestätten“. Sowohl das Schloss als auch die Gärten in Schönbrunn zählen zum Weltkulturerbe; ebenso der Donaulimes in Oberösterreich, Niederösterreich und Wien.
Versöhnliches Ende: Weil die SPÖ ein „lieber Koalitionspartner“ sei, werde man mit dem Beschluss im Landtag bis nach der UNESCO-Sitzung warten, sagt Woller. „Im Oktober werden wir das Gespräch mit Vizebürgermeister Wiederkehr suchen und das Problem lösen.“
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