Nach Demontage: Hebein für "Konsequenzen", will noch Bund ärgern
Nach einer äußerst turbulenten Woche halten die Wiener Grünen am heutigen Samstag ihre 83. (virtuelle) Landesversammlung ab. Gleich zu Beginn meldete sich Parteichefin Birgit Hebein einer Rede, die aus dem Filmquartier übertragen wurde, zu Wort. "Ja, es gibt einen Riss durch unsere Partei. Der ist deutlich zu spüren", sagte sie.
Dieser Riss sei verantwortlich für ihre Nichtwahl in eine Führungsfunktion im Rathaus. Zur Erinnerung: Am Montag hat der grüne Rathausklub den bisherigen Planungssprecher Peter Kraus und Quereinsteigerin Judith Pühringer zu den nicht amtsführenden Stadträten gekürt. Als Klubchef wurde David Ellensohn gewählt.
Parteichefin Birgit Hebein ging dagegen leer aus. Sie entschied sich daraufhin, ihr einfaches Mandat nicht anzunehmen, aber Parteichefin zu bleiben. Diese Funktion steht ihr laut Parteistatut bis Ende 2021 zu.
Die Entscheidung des Klubs sei "zur Kenntnis zu nehmen", betonte Hebein in ihrer Rede einmal mehr. "Das ist auch Demokratie. Jetzt gilt es, Konsequenzen zu ziehen."
Ausschuss bearbeitet Querelen nach
Und diese Konsequenzen sehen so aus: Bei der gestrigen Sitzung des Parteirats - ein Gremium, dem neben dem Klub auch Vertreter der Bezirke und der Teilorganisationen angehören - sei ein eigener Ausschuss eingerichtet worden, der die Geschehnisse aufarbeiten soll, so Hebein.
Der Ausschuss solle unter anderem klären, ob man etwaige "strukturelle Lücken" übersehen habe. Das solle verhindern, als Partei wieder in eine Krise zu schlittern.
"Versozialdemokratisierung"
Außerdem gehe es jetzt darum, einen programmatischen Prozess zu führen und die Wiener Grünen als Oppositionspartei neu aufzustellen.
In den vergangenen Jahren in der Regierung hätten die Grünen viele Kompromisse schließen müssen. Das gehöre jetzt der Vergangenheit an. "Wir haben oftmals geschluckt. Diese Zeiten sind vorbei", so Hebein. Man müsse sich jetzt damit auseinandersetzen, wie weit die "Versozialdemokratisierung" der Grünen vorangeschritten sei.
Neben grünen "Herzensthemen" wie Klimaschutz und Sozialpolitik will Hebein künftig auch vermehrt andere Themen ansprechen. Explizit nannte sie etwa den Bereich Gleichberechtigung und Feminismus, der derzeit einen "Backlash" erfahre.
Druck auf Türkis-Grün
"Ich werde diesen programmatischen Prozess noch begleiten und sehe ihn als Chance", sagte Hebein. Sie werde Teil dieser Aufgabe sein, bis ihre Nachfolge "klar geregelt ist", stellte sie klar.
Für ihre grünen Parteifreunde im Bund könnte es demnächst ungemütlicher werden. Hebein kündigte nämlich an, vermehrt einen "kritischen Diskurs" führen zu wollen. Etwa, was das Terrorpaket betrifft. Oder die Frage, warum Waffengeschäfte während des Lockdowns geöffnet haben dürfen.
An dieser Bestimmung war bereits in den vergangenen Tagen Kritik aus Wien laut geworden. Hans Arsenovic, Gemeinderat und Vizepräsident der Wiener Wirtschaftskammer, hatte die Bundespartei auf Twitter dafür scharf kritisiert.
"Es liegt an uns, vom Regierungsmodus in Oppositionspolitik umzuschalten", appellierte Hebein.
Kogler streute Rosen
Bundesparteichef und Vizekanzler Werner Kogler war vorab in einer Videobotschaft auf das neue Spanungsfeld zwischen Wien und dem Bund eingegangen.
Er lobte Hebein erst für das historisch beste grüne Wahlergebnis bei einer Wien-Wahl. Dass Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) nun mit den Neos koaliere, sei eine "machtpolitische Entscheidung".
"Wir können Opposition und Regierung. Auch aus der Opposition kann man Druck machen", sagte Kogler. Mit "starkem grünen Druck für Ökologie und soziale Gerechtigkeit" werde es weitergehen. "Debattieren wir, wie wir in dieser Konstellation zusammenarbeiten können."
Schreuder und Kittl
Mit dem grünen Wundenlecken war es damit übrigens noch nicht vorbei: Am Nachmittag diskutierten die Mitglieder noch ausführlich über Hebeins Demontage. Nach ihrer Rede waren zwar erste Wortmeldungen möglich gewesen, man beschloss dann aber, die Debatte nach hinten, in den nicht öffentlichen Teil des Parteitags zu verschieben.
Erst vergab die Landesversammlung noch Ämter: die Bundesratsmandate. Dafür beworben haben sich die Bezirksrätinnen Mahsa Abdolzadeh und Barbara Ruhsmann, Elisabeth Kittl von der Grünen Bildungswerkstatt und Marco Schreuder, der auch schon bisher Bundesrat war. Schreuder und Kittl konnten die Wahl für sich entscheiden.
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