Gürtel-König auf der Anklagebank

Gürtel-König auf der Anklagebank
Richard Steiner und fünf Mitangeklagte sollen das Milieu jahrelang terrorisiert haben.

Wenn vom Wiener Rotlicht die Rede ist, dann geht es derzeit ums neue Prostitutionsgesetz. Bewilligungspflicht für Lokale, strenge Kontrollen, Strafbescheide. Der Ruf der Szene wird als Mythos abgetan. Capos werden zur ausgestorbenen Art erklärt.

Sollte das stimmen, dann ist Richard Steiner vielleicht einer der letzten seiner Spezies: Ein Rotlicht-Boss, den die Staatsanwaltschaft Wien nun endlich hinter Gitter bringen möchte. Am (heutigen) Montag startet gegen den 42-Jährigen und fünf Mitangeklagte ein Monsterverfahren. Jahrelang, behauptet die Staatsanwaltschaft, haben sie den „Nokia Club“ betrieben, dessen einziger Zweck es gewesen sein soll, das Wiener und das oberösterreichische Milieu zu terrorisieren.

Erpressung, Nötigung ...

Die Latte an Vorwürfen gegen Steiner und die Mitangeklagten ist lang: Bildung einer kriminellen Organisation, schwere Erpressung, schwere Nötigung, Körperverletzung, betrügerische Krida ... Am Montag wird er dennoch nicht in Handschellen vorgeführt, sondern kommt als freier Mann. Im Vorjahr musste die Justiz Steiner aus der U-Haft entlassen. Die maximal zulässige U-Haftdauer von zwei Jahren war verstrichen, ohne dass Anklage erhoben worden war.

Vielleicht lag das am Umfang: 43 Verhandlungstage hat der Richter bis August anberaumt, Dutzende Zeugen sind geladen. Im Zentrum aller Vorwürfe steht Steiner. Ab 1998 stieg er kontinuierlich auf – bis zum Wiener Gürtel-Boss.

Sein Ruf machte am Gürtel schnell die Runde: Er sei Söldner bei der Fremdenlegion im serbisch-kroatischen Krieg gewesen, habe Gewalt quasi als Beruf ausgeübt, erzählte man sich laut Anklage. Jemand, der nicht lange fackelt, bevor er zur Tat schreitet, hieß es.

Peter A. und Dusko R., so die Anklage, waren ihm dabei behilflich, trieben angeblich Schutzgelder ein, schlugen dabei offenbar nicht nur auf den Tisch. In der Anklageschrift ist etwa von „monatlichen Raten von 2000 Euro“, die ein Lokalbetreiber entrichtete, zu lesen.

Ketten und Buttersäure

Gürtel-König auf der Anklagebank
Andere Episode: Um Infos zu bekommen, heißt es, sollen sie ihr Opfer im Pkw angekettet und während der Fahrt grün und blau geschlagen haben. Zwei Unwillige seien mit Buttersäure-Anschlägen auf ihr Lokal bestraft worden. Zugefügte Verletzungen wie „Trümmerbrüche des Nasenbeins“ oder „mehrfacher Bruch des Augenbogens“ sind mehrmals in der Anklage angeführt. Aus den Abhörprotokollen geht offenbar auch hervor, dass ein Angeklagter seine „Ex“ betäuben und dann im Winter in die eiskalte Donau setzen wollte.

Die Justiz geht davon aus, dass Steiner und die fünf anderen Beschuldigten den „Nokia Club“ wie ein Unternehmen führten, Gehälter auszahlten, sich die Arbeit teilten, und sich in anderen Bordellen einfach einnisteten. In Summe geht es dabei um „zumindest 1,74 Mio. Euro“, die abgezweigt und am Betreiber, der Finanz oder der Gebietskrankenkasse vorbei direkt in den „Nokia Club“ geflossen sein sollen.

Die Anklagebehörde muss sich trotz vieler Zeugen auf Indizien und die Protokolle eines großen Lauschangriffs stützen. Mutmaßliche Opfer schweigen. „Wiederholt finden sich in den Vernehmungen evidente Hinweise darauf, dass lediglich aus Angst geschwiegen wird“, merkt die Staatsanwältin in der Anklageschrift an.

Steiner machte während seiner U-Haft eine bemerkenswerte Wandlung durch: Er ist nun Veganer, Buddhist und eine Leseratte. Sein Anwalt Christian Werner: „Er wird sich größtenteils nicht schuldig bekennen.“

KURIER: Sie verteidigen drei Angeklagte, darunter Richard Steiner. Mit welcher Strategie gehen Sie in den Prozess?

Christian Werner: Es werden sämtliche Fakten bestritten werden und es wird kein Geständnis geben, außer bei Kleinigkeiten. Dazu zählen eine Sachbeschädigung, genauer gesagt der Einsatz von Buttersäure, und eine Körperverletzung.

Ihr Mandant Richard Steiner sagte einer Zeitschrift, die Polizei hätte unsauber ermittelt. Teilen Sie diese Ansicht?

Die Polizei hat offenbar überzogen reagiert. Von insgesamt 56 Lokalen, die angeblich Schutzgeld bezahlt hätten, ist fast nichts übrig geblieben. Die Staatsanwaltschaft hat die meisten Fälle auch gar nicht mehr verfolgt. Viele sagten, sie seien froh über den Schutz von Steiner gewesen. Dadurch hätten sie sich zwei Security-Mitarbeiter erspart.

Laut Staatsanwaltschaft haben viele Zeugen Angst vor Ihren Mandanten und verweigern deshalb die Aussage.

Das ist unrichtig. Es gibt keinen Grund dafür. Wenn ein Mitbeschuldigter die Aussage verweigert, ist das sein gutes Recht. Niemand muss sich vor meinem Mandanten fürchten.

Steiner war Bordellbetreiber, ist nun Buddhist, Veganer und eine Leseratte. Vom Saulus zum Paulus?

Ich kann Ihnen nur sagen: Er ist noch Buddhist, isst nichts Tierisches. Ob er noch so viel liest wie früher, weiß ich allerdings nicht.

Kommentare