Gründerzeithaus in Hietzing vor Abriss: Wegen 105.000 Euro
Zerschlagene Fensterscheiben, zerfledderte Reste einer Jalousie, die Fassade abgeschlagen, Unmengen Hausrat im Vorgarten. Das Haus an der Rohrbacherstraße 29 im Hietzinger Stadtteil Ober St. Veit schaut schlimm aus. Und es besteht auch bereits eine Abrissbewilligung dafür.
Die hat die Baupolizei (MA 37) im Oktober vergangenen Jahres erteilt. Laut Gerhard Cech, Chef der Baupolizei, habe das Haus viele Schäden aufgewiesen, besonders stark seien die Wasserschäden, „die auch die Statik beeinträchtigen“.
Das Haus ist ein Gründerzeithaus, ungefähr aus dem Jahr 1900, und dürfte – weil es vor dem Jahr 1945 errichtet wurde – nach derzeit geltender Bauordnung nicht abgerissen werden. Ausnahme: Dem Haus kann die sogenannte wirtschaftliche Abbruchreife nachgewiesen werden.
Das ist dann der Fall, wenn die Instandsetzung des Hauses „wirtschaftlich unzumutbar“ ist. Dazu wird der Ertragswert des Hauses nach der Instandsetzung ermittelt (berücksichtigt werden dafür etwa auch erhöhte Miet- und Pachtzinse, Zinsen, Rücklagen, Förderungen) und mit dem Kostenaufwand für die Instandsetzung verglichen. Ist die Instandsetzung teurer, also der Deckungsfehlbetrag negativ, wird wirtschaftliche Abbruchreife erteilt.
Das war auch im Fall der Rohrbacherstraße 29 so. Den Deckungsfehlbetrag ermittelt in der Regel die MA 25 (Technische Stadterneuerung) mit einem Gutachten. Beauftragt wird die MA 25 dafür von der Baupolizei.
Im Falle des Hauses in der Rohrbacherstraße 29 lag der Ertragswert der Liegenschaft nach Instandsetzung bei etwas mehr als 1,3 Millionen Euro, der Sanierungsaufwand bei etwas mehr als 1,4 Millionen Euro. Das ergibt einen Deckungsfehlbetrag von 105.000 Euro – und damit die offizielle Erlaubnis, das Haus abzureißen.
Viel oder wenig?
105.000 Euro – ist das nicht ein geringer Betrag, um ein eigentlich erhaltenswertes Haus abreißen zu dürfen? Wo doch die Stadtpolitik ein grundsätzliches Bekenntnis zum Erhalt solcher Häuser abgelegt hat und aktuell an einer Novelle der Bauordnung arbeitet, die Altbauten stärker schützen soll?
Laut Baupolizei-Chef Cech gibt es viele Fälle, in denen der fehlende Betrag höher ist, aber auch einige, wo er darunter liegt. In diesen Fällen wird versucht, den fehlenden Betrag über den Altstadterhaltungsfonds – eine Förderung für den Erhalt von Altbauten – zu decken. Im Fall der Rohrbacherstraße 29 sei nicht nur der Betrag dafür zu hoch gewesen, auch der Zustand des Hauses hätte das nicht mehr gerechtfertigt. „Es war schlicht zu spät“, sagt Cech.
So haben sich schon viele ähnliche Fälle gestaltet: Häuser werden so lange nicht saniert, bis sich eine Renovierung nicht mehr auszahlt – der geltenden Erhaltungspflicht zum Trotz.
Langer Leerstand
Auch das Haus in Ober St. Veit steht schon lange leer. Mindestens 30, vielleicht sogar schon 50 Jahre, berichtet ein Anrainer dem KURIER.
In einer Stellungnahme an die Baupolizei schrieb Hietzings Bezirksvorsteherin Silke Kobald (ÖVP) von „jahrzehntelang unterbliebener Instandsetzungsarbeiten“ durch den aktuellen wie vorherige Eigentümer. Sie hätte gerne, dass das Haus stehen bleibt – „aufgrund des stadtbildprägenden Charakters und der Wirkung für die Umgebung“. Und wenn schon nicht das Haus erhalten werden kann, dann zumindest die Fassade. Dass das passiert, ist unwahrscheinlich: das Haus ist weder denkmalgeschützt, noch steht es in einer Schutzzone.
Dreieinhalb Jahre hat die Eigentümerin – sie war für den KURIER nicht erreichbar – noch Zeit, den genehmigten Abriss zu vollziehen. Freilich nur nach vorangegangener Anzeige der Bautätigkeit. Eine solche ist bei der Baupolizei bis jetzt noch nicht eingetroffen.
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