Farbenspiele im Wiener Rathaus: Von Schwarz zu Grün und Pink
Ob Michael Ludwig wie 2010 sein Vorgänger nach Spritzwein rufen wird, wenn in wenigen Tagen die neue Koalition unter Dach und Fach sein wird, ist noch ungewiss. Klar ist hingegen: Rot-Pink wäre erst die vierte Koalition in Wien nach 1945, die die SPÖ bilden muss, weil ihr die Mandatsmehrheit im Gemeinderat fehlt. Alle anderen Regierungsbündnisse erfolgten mehr oder weniger auf freiwilliger Basis trotz einer roten absoluten Mehrheit.
Obwohl die SPÖ also noch nicht sehr oft gezwungen war, einen Mehrheitsbeschaffer zu suchen, ist ihr ein gewisser Hang nach Abwechslung nicht abzusprechen, wie der folgende historische Streifzug zeigt.
SPÖ-ÖVP
Seit seinem Abtritt 2018 wird Langzeit-Bürgermeister Michael Häupl von manchen wie ein Star verehrt. Was gerne vergessen wird: Sein erstes Antreten bei einer Wahl als Stadtchef endete 1996 mit einem Debakel. Die SPÖ stürzte auf 39,15 Prozent ab und verlor erstmals seit 1945 die absolute Mandatsmehrheit. Also brauchte es einen Koalitionspartner. Die FPÖ kam nicht infrage, eine Ampelkoalition mit Grünen und LIF war Häupl zu riskant.
Deshalb blieb nur die ÖVP übrig. „Entsprechend selbstbewusst konnten wir auftreten“, erinnert sich der damalige ÖVP-Parteichef Bernhard Görg. Neben den zwei ihr zustehenden Stadträten (Planung, Kultur) konnten die Schwarzen auch noch den 1. Landtagspräsidenten herausverhandeln. Vor allem musste die SPÖ aber einer sehr wesentlichen inhaltlichen Forderung zustimmen: der Privatisierung der Bank Austria. Görg (damals Vizebürgermeister und Planungsstadtrat) verbucht weiter für sich, dass er einen dreijährigen Gebührenstopp durchsetzen konnte, um die damals hohe Inflation zu bekämpfen. Auch der Beschluss der Verlängerung der U1 und U2 fiel in diese Zeit. „Leider sind wir sehr rasch wieder aus der Regierung geflogen, die schwarz-blaue Bundesregierung hat uns massiv geschadet“, sagt Görg. Bereits 2001 eroberte Häupl die Absolute zurück und regierte fast ein Jahrzehnt allein weiter.
SPÖ-Grüne I
2010 war es dann aber wieder soweit: Knapp, aber doch verlor die SPÖ die Absolute und musste auf Partnersuche gehen. Lange schien eine rot-schwarze Koalition wahrscheinlich, Häupl entschloss sich dann aber doch für das viel beachtete Experiment Rot-Grün. Wichtige Vorarbeit hatte der Grüne Christoph Chorherr geleistet, der mit der SPÖ schon in den Jahren davor zahlreiche rot-grüne Projekte auf Schiene gebracht hatte. Zum Beispiel ein Biomasse-Kraftwerk in Simmering.
Unter Maria Vassilakou als Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin konnten die Grünen Vorhaben umsetzen, für die Wien auch international Anerkennung fand. Allen voran die Wiener-Linien-Jahreskarte für nur 365 Euro und die kontrovers diskutierte, heute aber weithin akzeptierte Umgestaltung der Mariahilfer Straße.
Schwieriger war die im Koalitionspakt vereinbarte Wahlrechtsreform, die 2015 fast zu einem Zerbrechen der Regierung führen sollte.
SPÖ-Grüne II
Bei der Wahl 2015 verloren beide Parteien, an der Fortführung der Koalition führte de facto aber kein Weg vorbei: Ein Bündnis mit der ÖVP wäre auf nur 51 der 100 Mandate gekommen und war damit Häupl nicht stabil genug.
Mit Projekten wie dem Krankenhaus Nord, das um Jahre zu spät fertig wurde, und dem umstrittenen Heumarkt-Hochhaus konnte man nicht wirklich an die Erfolge der ersten Periode anschließen.
Am liebsten beschäftigten sich beide Parteien nach 2015 ohnehin mit sich selbst. Zunächst brach in der SPÖ ein erbitterter Kampf um die Nachfolge von Michael Häupl aus, den Wohnbaustadtrat Michael Ludwig 2018 für sich entscheiden konnte. Im selben Jahr zog sich die Grün-intern auch nicht mehr unumstrittene grüne Vizebürgermeisterin zurück. Sozialsprecherin Birgit Hebein entschied den Dreikampf um die Vassilakou-Nachfolge für sich. Mit ihrem oft nicht mit der SP abgesprochenen Vorpreschen bei Verkehrsprojekten zog sie sich oft den Groll von Ludwig zu, der nun seinerseits eine ganz neue Koalitionsvariante ausprobieren will.
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