Endlich in Sicherheit: Israel-Rückkehrer musste im Schutzbunker ausharren
Als Philipp Brokes am Dienstag um kurz nach 17 Uhr in der Ankunftshalle des Wiener Flughafens seinen besten Freund Martin Eberwein mit zwei "kühlen Blonden" warten sieht, leuchten seine Augen auf. Es sind müde Augen. Und dennoch: Als sich die beiden Freunde in die Arme fallen, lässt sich die Erleichterung darin klar ablesen.
Kein Wunder, Brokes war einer jener 250 Österreicher, die sich in den vergangenen Tage als Reisende in Israel aufhielten bzw. das nach wie vor tun. Der 36-Jährige erlebte die Gewalteskalation seit Samstag hautnah mit. Als einer der ersten Österreicher hat er es am Dienstagabend wohlauf zurück nach Wien geschafft.
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Die Reise zurück nachhause war allerdings alles andere als komplikationslos. Eigentlich wollte Brokes, der in Wien als Jurist arbeitet und sich selbst als "Nahost-Süchtler" bezeichnet, am Montag um die Mittagszeit in Tel Aviv in eine Ryanair-Maschine steigen, die ihn zurück nach Wien bringen sollte.
Das Flugzeug war bereits im Anflug auf den Flughafen Ben Gurion, kehrte allerdings kurz vor der Landung in Israel um. "Da wurde es offenbar sogar denen zu heiß und die fliegen sonst ja so gut wie alles an", erzählt der sichtlich mitgenommene Wiener. Der Weg in die sichere Heimat war damit vorerst verschlossen.
Bange Momente im Schutzbunker
Dass einige Anbieter die Stadt an der Mittelmeerküste nicht mehr anfliegen, wird nachvollziehbar, wenn Brokes Fotos und Videos des dortigen Flughafens zeigt, die er mit seinem Handy aufgenommen hat bzw. die Szenen schildert. Familien mit kreischenden Kindern, die nicht verstehen, dass sie in Schutzbunker müssen.
Akustisch kaum verständliche Durchsagen via Lautsprecher, die offenbar vor Bombenangriffen warnen und schließlich die Menge, die sich panisch in Bewegung setzt. Brokes musste selbst zweimal im Bunker ausharren.
"Die Situation war furchtbar. Als mein Flug am Montag storniert wurde, musste ich kurz raus aus dem Flughafen und an die frische Luft, um mich zu sammeln und wieder klar zu denken."
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Seitens des Außenministeriums dürfte es zu diesem Zeitpunkt nur spärliche Informationen gegeben haben. In einer E-Mail des Ministeriums, die Brokes auf "X" (vormals Twitter) geteilt hat, ist unter anderem zu lesen, dass einige Fluglinien nach wie vor von und nach Israel abheben würden.
Der Jurist organisierte sich daraufhin auf eigene Faust einen Flug nach Istanbul. "Ich habe den Flugplan durchforstet, um jene Airlines zu identifizieren, die noch am wenigsten Routen storniert hatten."
Bei der israelischen "El Al", die weiter Direktflüge von Tel Aviv nach Wien anbietet, war es zu diesem Zeitpunkt bereits unmöglich einen Sitzplatz zu ergattern. Brokes entschied sich für einen Flieger zu dem türkischen Drehkreuz am Dienstag in der Früh und verbrachte eine Nacht am Flughafen in Israel.
"Wenn ich mir vorstelle, dass meine Mutter sich das alles selbst über das Handy organisieren hätte müssen, wird mir ganz anders. Man ist da zunächst wirklich auf sich alleine gestellt", beschreibt der sichtlich gezeichnete 36-Jährige die bangen Stunden. Seine Mutter hätte sich auch die größten Sorgen gemacht, er beschwichtige sie, dass der Flughafen einer der sichersten Orte des Landes sei.
Nachsatz: "Ganz geglaubt habe ich es aber selbst nicht mehr."
Offenbar kein koordiniertes Vorgehen
Durch Zufall entdeckte er am Airport in Tel Aviv schließlich österreichisches Botschaftspersonal, das ausgestattet mit rot-weiß-roten Westen die Kontaktdaten der dortigen Österreicher aufnahm.
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In die Maschine nach Istanbul, in der Brokes schließlich mit drei Stunden Verspätung abhob - Passagierflüge in der Nacht werden dem Wiener zufolge derzeit vermieden -, dürften es die meisten Österreicher aber nicht geschafft haben. "Dort war nichts koordiniert, sonst hätte man sicher mehr Leute schneller rausholen können", glaubt Brokes.
Erstmal entspannen konnte sich der 36-Jährige dann in der Türkei. Dort rief ihn eine Frau aus dem Außenministerium an, um sich zu versichern, dass er sicher aus dem Land gekommen war. Außerdem wartete bereits ein Flughafenmitarbeiter mit einer langen Liste internationaler Passagiere, die umgebucht wurden, um rasch nach Hause zu kommen. Brokes dürfte darauf der einzige Österreicher gewesen sein.
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"Als ich dann endlich im Flieger nach Wien saß, sind mir keine weiteren Österreicher aufgefallen. Was schade war, da in der Maschine Plätze frei gewesen wären und man so mehr Reisende in Sicherheit bringen hätte können." Das Außenministerium hat in diesem Zusammenhang bereits Evakuierungsflüge mit einer Hercules C-130 des österreichischen Bundesheeres von Tel Aviv nach Paphos in Zypern für Mittwoch angekündigt.
Auf die Bundesheermaschine musste Brokes glücklicherweise nicht mehr warten. Aber auch nach der sicheren Ankunft in Wien muss er die vergangenen Tage wohl erst einmal verdauen: "In mir arbeitet es immer noch. Ich reise seit Jahren nach Israel und habe am Golan ganz enge Bekannte. Ich weiß, worauf man sich dabei einlässt."
Sorge um Freunde
Diesmal sei es aber anders gewesen. Raketen würden die Menschen dort nicht nervös machen, aber Terroristen, die mit Baggern, Motorrädern und sonstigen Fahrzeugen die Grenze überschreiten und Bombenalarme in Jerusalem sehr wohl. "Da wussten wir, die Lage ist ernst." Die Bilder der Massaker in den sozialen Medien würden bei vielen Menschen in Israel für Unbehagen sorgen.
"Die Menschen in Israel sind stark, aber ich muss sagen, zum ersten Mal habe ich mich dort auf der Straße nicht wohl gefühlt." Dass er jetzt in Sicherheit ist, sei eine große Erleichterung. Diese sieht man ihm an, als er sich nach fast zweitägiger Heimreise mit seinem Freund und einem kalten Dosenbier auf den Weg macht, um den Wiener Flughafen zu verlassen.
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Davor wird er aber noch einmal ernst: "In Gedanken bin ich auch bei meinen Freunden, die sich jetzt als Reservisten bereithalten müssen oder sogar schon eingezogen wurden. In Israel halten sie viel auf ihr sicherheitspolitisches System. Dieser Angriff ist ein Schlag mitten ins Herz."
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