Dringend nötiger Ausbau von Kinderarzt-Stellen in Wien sorgt für Zwist
Viel wurde in den vergangenen Jahren über die mangelhafte kindermedizinische Versorgung Wiens diskutiert, verbessert hat sich bis dato wenig. Von einer „dramatischen Situation“ spricht etwa Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart. 2010 habe es noch 91 Kinderärzte mit Kassenvertrag gegeben, zwölf Jahre später seien es nur mehr 71 – und das bei einem Bevölkerungszuwachs von 200.000 Menschen. Aktuell sind elf bestehende Stellen unbesetzt.
In anderen Bundesländern ist die Lage kaum besser, weshalb jetzt Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein reagiert. Er kündigt eine Gesetzesänderung an, die künftig Primärversorgungseinheiten (PVE) auch für Kinderärzte ermöglichen soll. Für Allgemeinmediziner gibt es solche PVE bereits. Es handelt sich um Zentren bzw. Netzwerke von mindestens drei Ärzten und weiteren Gesundheitsexperten wie Diätologen oder Physiotherapeuten. Der Vorteil: umfassende Betreuung aus einer Hand und großzügige Öffnungszeiten.
Die Debatten, die rund um Mücksteins Vorstoß entbrennen, lassen aber nur wenig Hoffnung aufkeimen, dass es zu einer baldigen Verbesserung der kindermedizinischen Versorgung kommt. Denn wie so oft prallen völlig gegensätzliche Interessen der unterschiedlichen Beteiligten im Gesundheitssystem aufeinander.
„Bis es tatsächlich die ersten Kinder-PVE gibt, wird noch enorm viel Zeit mit Detailverhandlungen vergehen“, kritisiert Matthias Schmied von der Wiener Ärztekammer. Dort hat man ein eigenes Konzept für Wien ausgearbeitet, dass sich „von heute auf morgen“ umsetzen ließe. Im Rahmen eines regionalen Gesamtvertrages soll es demnach Gruppenpraxen mit zumindest zwei Kinderärzten oder Einzelordinationen mit zumindest einen zusätzlichen angestellten Pädiater geben. Die Öffnungszeiten pro Woche wären (bei zwei Ärzten) bei mindestens 35 Stunden, Kinder- und Jugendpsychiater sowie weitere Gesundheits- und Sozialberufe würden eng eingebunden.
Gerne würde man das Konzept umsetzen, „doch seit Oktober bemühen wir uns vergeblich um einen Termin bei der ÖGK“, sagt Schmied.
„Das stimmt nicht“, kontert eine Sprecherin der Gesundheitskasse, man habe bereits einen Termin mit der Kammer vereinbart.
Ambulatorien
Ob PVE oder Gruppenpraxen – es sei letztlich zweitrangig, welche Organisationsform das Angebot habe, betont die Sprecherin. Eine Möglichkeit seien auch kindermedizinische Ambulatorien. Ein solches gibt es bereits am Augarten, ein weiteres hat kürzlich im 5. Bezirk aufgesperrt.
Vier Ärzte und insgesamt 50 Mitarbeiter bieten dort ein breites Leistungsspektrum sieben Tage die Woche an.
Kammer ist skeptisch
Das gefällt wiederum der Ärztekammer nicht: Die ÖGK schließe mit den Ärzten Einzelverträge ab, die sie über Nacht kündigen könne, sagt Schmied. Zudem würde die Kassa die Tarife für die einzelnen Leistungen sehr stark nach unten drücken. Dem widerspricht man bei der ÖGK. Die Tarife entsprächen jenen, die im Honorarkatalog festgelegt seien. Kündigungen seien nur unter Einhaltung einer Frist möglich.
Für Ambulatorien ist die Wirtschafts- und nicht die Ärztekammer zuständig. Ein durchaus denkbarer Grund für die Skepsis der Ärztevertreter. Den jungen Patienten werden solche Feinheiten hingegen eher egal sein.
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