Die Fiaker und der ständige Blick aufs Thermometer
28,5 Grad zeigt das Thermometer an. In der Wiener Innenstadt herrscht reges Treiben. Touristen schießen das tausendste Bild vom Stephansdom, Mozart-Verkäufer versuchen ihr Glück. Nur am üblichen Fiaker-Standplatz ist es vergleichsweise ruhig. Statt in Reih und Glied aufgefädelte Pferde-Gespanne wie an kühleren Tagen sieht man Freitagvormittag die Fiaker nur vereinzelt Touristen abladen.
Heiße Tage wie diese befeuern die seit Jahren schwelende Debatte um ein Fahrverbot für Fiaker ab 30 Grad. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), der auch für die Tierschutzagenden zuständig ist, bezeichnete Fiaker zuletzt als „nicht mehr zeitgemäß“. Folgende Gespräche zwischen Bund und Land führten vorerst zu keinem Ergebnis. Statt einer strengeren Regelung soll im nächsten Jahr eine Studie feststellen, wie sich die Hitze auf die Tiere auswirkt.
Steppentiere
Auf Basis dieser Auswertungen könnte – wie der „Verein gegen Tierfabriken (VGT)“ auch derzeit wieder fordert – das Hitze-Fahrverbot von derzeit 35 auf 30 Grad gesenkt werden. Denn trotz des Fahrverbots müssten die Tiere die Heimreise derzeit bei mehr als 35 Grad antreten, teilt Georg Prinz vom VTG via Aussendung mit.
Heuer wird die Regelung allerdings nicht mehrverschärft. Die Fiaker-Fahrer können ihre Pferde also getrost vor die Kutsche spannen. Zumindest bis die Station der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik bei der Oper 35 Grad misst. Den regelmäßigen Temperaturcheck übernehmen die Fahrer selbst.
Dem aktuellen Fahrverbot ab 35 Grad sind die Fiaker-Fahrer am Stephansplatz nicht abgeneigt. Ganz im Gegenteil. „Ich will bei 35 Grad ja auch nicht mehr arbeiten. Ich würde sogar schon bei 34 Grad nach Hause gehen“, sagt ein Fahrer, während er seine Tiere mit großen schwarzen Kübeln tränkt. Hitzefrei ab 30 Grad aber gleiche einem Berufsverbot. „Ich habe eine Familie, zwei Autos“, sagt er. Außerdem mache die Hitze den Pferden nicht viel aus. Es seien Steppentiere, die an hohe Temperaturen gewöhnt seien. Dem stimmt Isabella Copar zu. Die Tierärztin betreut die Tiere von „Fiaker Paul“, dem größten Fiaker-Unternehmen Wiens. Sie werfe aber ein Auge auf alle Pferde in der Innenstadt, sagt sie. An Tagen, an denen bis zu 35 Grad prognostiziert sind, sitzt sie im Schanigarten eines kleinen Cafés und beobachtet die Tiere.
Kein Schweiß
Fiakerfahren sei für die Tiere keine Schwerarbeit, sagt sie. Und tatsächlich sind die Pferde auch nach einer 45-minütigen Rundfahrt trocken - von schwitzen ist zumindest bei fast 30 Grad keine Rede. Den Notfallrucksack habe Copar aber immer dabei. „Für mich ist es unverständlich, dass das normalste Gewerbe, das Tiere machen können, am meisten angefeindet wird“, so Copar. Gegen Dressur- und Springturniere, die auch an heißen Tagen stattfinden, demonstriere niemand, sagt sie. „Hier in der Innenstadt sind wir aber auf dem Serviertablett.“
Ein Serviertablett sucht man einige Straßen weiter im Schanigarten vom Café Mozart vergebens. Service gibt es ab 32 Grad im Außenbereich nämlich nicht mehr. Zum Wohle der Mitarbeiter werden die Gäste nach innen gebeten.
Kurzer Tag in Salzburg
Ein heißer Tag, knapp über 30 Grad auch in Salzburg: Sophie Gerstberger klopft Ares und Billy, beide Lipizzaner, auf den Rücken. Sie achtet auch bei Hitze genau auf ihre Pferde. Wichtigstes Gebot: Genug Wasser.
„Wenn es noch heißer ist, bleiben alle zu Hause. Wir machen uns das untereinander aus“, sagt Daniel Schmeisser, Fiaker-Obmann in Salzburg. Auch hier kocht mit steigenden Temperaturen die Fiaker-Diskussion immer wieder neu auf. Die Verträge mit der Stadt gelten bis zum nächsten Frühjahr. Es herrsche aber ein gutes Einvernehmen, so Schmeisser.
Am Freitag ergatterten die Fiaker-Kutschen am Residenzplatz etwas abseits ein Schattenplätzchen. Die Stellfläche für Fiaker mit eigens geschaffenem Untergrund, wo Ausscheidungen der Pferde aufgesaugt werden, musste wegen des Fackeltanzes am Abend freibleiben. „Wir haben deshalb einen kurzen Tag“, sagt Wilhelm Szabo. Seit 19 Jahren ist er Fiaker, während er die nächsten Gäste aufsteigen lässt.
Gefahren wird nur die Altstadt-Tour. Alles andere ist zu heiß.
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