Die allmächtigen Ärzte-Vertreter
Es sind entscheidende Wochen und Monate für Österreichs Gesundheitssystem: Bei den aktuellen Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund und Ländern soll die inzwischen völlig ineffiziente Versorgung und ihre Finanzierung neu aufgestellt werden.
Die Verhandlungen haben noch nicht einmal richtig begonnen, schon feuert Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), seit kurzem Vorsitzender der LH-Konferenz, eine Breitseite gegen einen der wichtigsten Player im Gesundheitssystem ab: Die Ärztekammer sei bundesgesetzlich mit viel zu viel Macht ausgestattet, „das gehört beseitigt“, wetterte er zuletzt im KURIER-Interview.
Seine konkreten Kritikpunkte: Die Kammer könne für sich selbst entscheiden, wie sie Wochenenddienste gestaltet. Die Standesvertreter seien aber auch dagegen, dass Jungmediziner nach dem Studium eine gewisse Zeit verpflichtend in Österreich arbeiten.
Ganz neu ist Doskozils Befund nicht: Seit jeher gelten die Ärztevertreter als Betonierer, die dank ihrer Macht wichtige Reformen verhindern oder zumindest verschleppen – sei es die Etablierung der Primärversorgungseinheiten, sei es die Elektronische Gesundheitsakte (Elga). Doch stimmen diese Vorwürfe?
Der Wiener Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer teilt grundsätzlich die Einschätzung Doskozils. „Auch wenn sie oft anderes vorgibt: Die Ärztekammer ist nicht für das Wohl der Patienten, sondern per Gesetz für das Wohl der Ärzte zuständig“, kritisiert er.
Monopol
Besonders anschaulich zum Ausdruck komme die Macht der Kammer im Gesamtvertrag, in dem die Abrechnung der Leistungen der Kassenärzte mit den Krankenkassen geregelt ist. „In den Verhandlungen tritt das Monopol Ärztekammer mit seiner Pflichtmitgliedschaft dem Monopol Sozialversicherung gegenüber“, sagt Pichlbauer. Aufgrund ihrer Monopolstellung falle es der Kammer zudem leicht, im zersplitterten Gesundheitssystem Entscheidungen mit ihrem Veto zu blockieren.
Hinzu komme die wirtschaftliche Macht der Ärztekammer: Ausgestattet mit einem millionenschweren Kampf- und Aktionsfonds gelinge es etwa der Wiener Ärztekammer immer wieder, monatelange öffentlichkeitswirksame Kampagnen in die Höhe zu ziehen, die die Politik gehörig unter Druck setzen. So geschehen etwa 2016 im Streit um die Ärzte-Arbeitszeit. Mit kostspieligen Kampagnen, organisiert von externen Beratern bis hin zu einem minutiös organisierten Ärztestreik.
Pichlbauer plädiert für ein radikales Aufbrechen dieser monopolisierten Standesvertretungen – also auch der Wirtschafts- und Arbeiterkammer. „Es ist aber klar, dass sich dafür keine politische Mehrheit finden wird.“
Gegen jegliche Eingriffe in den freien Arztberuf verwehrt sich Ärztekammer-Vizepräsident Harald Schlögel. „Man stelle sich vor, man würde Anwälten oder Notaren vorschreiben, wo sie zu arbeiten hätten.“
Bei der Forderung nach Pflichtdiensten für Jungmediziner verweist er zudem auf die vielen Jahre, die diese bereits jetzt während der Ausbildung im Spital verbringen würden. „Das wird konsequent ignoriert. Sie müssen dort kämpfen, überhaupt eine Ausbildung zu erhalten, weil sie überwiegend als Systemerhalter an vorderster Front eingesetzt werden“, sagt Schlögel.
Bei den Wochenenddiensten gebe es wiederum eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach Kassenärzte nicht dazu verpflichtet werden können.
Zu wenig Einfluss?
Dass die Kammer ihre Machtposition rücksichtslos ausnützen würde, verneint er naturgemäß: „Es gibt genügend Beispiele, wo wir uns nicht durchsetzen konnten. Etwa als es um die Hausapotheken für Allgemeinmediziner ging.“
Geht es nach Schlögel, müsste der Einfluss der Kammer sogar größer sein: „Obwohl es um große Änderungen in der Finanzierung des Gesundheitssystems geht, sind wir bei den derzeitigen Verhandlungen nicht eingeladen. Ich hätte mir schon gewünscht, dass die Kammer dabei mitreden kann.“
Grundlagen
Basis für die gesetzliche berufliche Interessensvertretung der Ärzte durch die Ärztekammer ist das Ärztegesetz
Struktur
Neben der Österreichischen Ärztekammer (Präsident: Johannes Steinhart) gibt es neun Landesärztekammern, die für das operative Geschäft zuständig sind. In den Kammern gibt es jeweils Kurien für angestellte und niedergelassene Ärzte
Aufgaben
Neben der Interessensvertretung hat die Kammer u.a. auch behördliche Aufgaben (z.B. Führung von Disziplinarverfahren)
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