Von „grauen Eminenzen, die sich mit ihrem Wissen eine Exklusivstellung verschafft haben. Da gab es wenig Infos“, spricht Michael Lazansky, seit Juni 2021 Vorsitzender des 19-köpfigen Verwaltungsausschusses.
Man versuche, „dieses System zu durchbrechen“, mit den Mitgliedern besser und transparent zu kommunizieren. Kein leichter Job für den engagierten Arzt der grünen Fraktion. Denn bei den jungen Kollegen unter den 12.000 Kammer-Mitgliedern gibt es viel Kritik am Fonds, in dem sich ein Vermögen von mehr als einer Milliarde Euro angehäuft hat.
Das war nicht immer so. In den 1980-er Jahren drohte der Alters- und Invaliditätsversorgung für die Ärzte und deren Witwen und Waisen der Kollaps. Bei windigen Veranlagungen wurde viel Geld in den Sand gesetzt, die Pensionen waren zu großzügig bemessen. Hochgerechnet fehlten zwei Milliarden Schilling. Erwin Rasinger, Generalsekretär der ÖVP-nahen „Vereinigung österreichischer Ärzte“, war damals maßgeblich mit verantwortlich für die Sanierung. Man holte Experten und fror die Pensionszahlungen ein. „Heute steht der Fonds super da“ (Rasinger).
Simmt, aber genau das sorgt für Kritik in der Ärzteschaft. So startete die MFG-nahe Initiative „Wir sind Ärzte und nicht Kammer“ eine Kampagne gegen das „Zwangssystem des Wohlfahrtsfonds“ und fordert die Umwandlung in eine freiwillige Altersvorsorge.
Man reagierte. Die Beiträge für diese verpflichtende zusätzliche Altersvorsorge wurden ab 2021 für niedrige Einkommen gesenkt und liegen bis 100.000 Euro Jahreseinkommen bei elf Prozent. Zusätzlich zur Sozialversicherung, wohlgemerkt. Dafür können Mediziner bei langer und hoher Beitragszahlung auf Renten von bis zu 3.000 Euro brutto kommen, 14 Mal mal im Jahr. 2019 zahlte der Wiener Fonds an 4.135 Leistungsberechtigte 51,7 Millionen aus. Jedes Bundesland leistet sich natürlich ein eigenes Versorgungssystem.
Der Wiener Fonds finanziert sich aus zwei Säulen. Dem Umlageverfahren – wie bei der Sozialversicherung zahlen die Aktiven für die Leistungen der Pensionisten. Sowie aus dem Kapitaldeckungsverfahren, analog den Lebensversicherungen und Pensionskassen.
Sozusagen zum Gürtel noch die Hosenträger. Lazansky: „Das Umlageverfahren sichert gegen die Risiken des Kapitalmarktes ab, von dem wir aber auch partizipieren können“. Die Durchschnittsrendite der letzten zehn Jahre liegt bei 3,82 Prozent. Die Beiträge sind steuerfrei, dafür greift der Fiskus bei den Leistungen zu. Die Verwaltung obliegt der Concisa, einer Tochter der Zürich Versicherung und der Generali. Die Verwaltungskosten belaufen sich auf 0,5 Prozent.
Der Verkehrswert der im Fonds gebunkerten 13 Luxus-Immobilien ist aktuell mit 653 Millionen Euro angesetzt. Die Objekte sind alle in Top-Lagen innerhalb des Gürtels – Rotenturmstraße, Kohlmarkt, Mariahilfer Straße, Rechte Wienzeile, Franz-Josefs-Kai etc. Die Mieteinnahmen liegen bei 12 Millionen. Der Immo-Anteil an der Gesamtveranlagung hält bei 51 Prozent. Der Rest des Portfolios verteilt sich großteils auf Aktien und Anleihen.
Fragt sich allerdings, ob die Ärzte beim Grabenhof ein gutes Händchen hatten. Der Verkäufer, die Beamtenversicherung, hatte das Objekt mit einem Verkehrswert von 189 Millionen in den Büchern und mit dem Verkauf die Bilanz gerettet. Eine große Immobilienstiftung stieg als Bieter bei 200 Millionen aus. Immo-Experten schätzen die aktuelle Brutto-Rendite auf 0,6 Prozent. Der Deal wurde nur zwecks Finanzoptimierung über einen günstigen Kredit finanziert, der Fonds hätte den Kauf durchaus aus Eigenmitteln stemmen können.
Die Ärzte setzen auf sehr langfristige Wertsteigerung. Ob der Kaufpreis von 30.000 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche das Ende der Fahnenstange war oder ob die Preise in der City noch weiter steigen, wird man sehen.
Aber wie zeitgemäß ist so ein Wohlfahrtssystem heute überhaupt noch? „Diese prinzipielle Frage ist durchaus legitim, doch man muss sie an den Gesetzgeber stellen. Wir können sie nicht lösen“, meint Rasinger. Die Kammer ist gesetzlich verpflichtet, solange auszuzahlen, bis die letzte Witwe eines Beitragszahlers das Zeitliche segnet.
andrea.hodoschek@kurier.at
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