Vortragende könnten dank ihm ruhig am Pult sitzen bleiben und die Projektion würde für alle gut sichtbar erscheinen – und wer auf eine bestimmte Stelle aufmerksam machen wollte, bräuchte keinen Zeigestock mehr und somit keine Angst mehr vor dem „zittrigen Demonstrier-Tod“ zu haben“.
Flug aus dem Fenster
Und heute? Statt ihn auf einer Sänfte herumzutragen, wirft Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) den Overheadprojektor einfach aus dem Fenster. Zumindest in einem Video, das derzeit auf Social Media kursiert, mit dem die Pinken zeigen wollen, dass man die Digitalisierung an den Schulen vorantreiben will.
Der Gag an dem Video ist, dass im zweiten Schnittbild Klubobfrau Bettina Emmerling unter dem Fenster steht und den Overheadprojektor auffängt, der sich im Flug wundersamerweise in einen Laptop verwandelt hat. (Overheadprojektoren kamen bei dem Dreh wohl keine zu schaden.)
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Das Ende der einstigen technologischen Errungenschaft steht also bevor. Allzu abrupt wird dieses Ende allerdings nicht sein, sehr schleichend trifft es eher. Neue Geräte für Klassen werden keine mehr angeschafft, heißt es bei der zuständigen MA 56, aber die Overheadprojektoren, die noch funktionieren, bleiben bis zu ihrem Versagen erhalten.
Abgelöst werden sollen sie unter anderem von Beamern und Whiteboards.
100 Millionen Euro will die Stadt Wien in den kommenden fünf Jahren für die Digitalisierung an den Schulen in die Hand nehmen. Am Plan steht der Ausbau von flächendeckendem Hochleistungs-WLAN und Laptops für das gesamte Wiener Lehrpersonal.
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Abergläubische könnten sagen, dass der Ursprungsname des Overheadprojektors, also Belsazar, schon ein gewisses Omen mit sich brachte. Er geht nämlich auf eine biblische Erzählung zurück. Dem babylonischen Regenten Belsazar wurde mit einer geheimnisvollen Schrift, die auf der Wand erschien, sein nahender Tod und der Untergang seines Reiches prophezeit. Rembrandt hat dieser Geschichte 1636 ein Gemälde gewidmet (siehe Bild unten).
Wer hats erfunden?
Laut Wikipedia stammt die Grundidee für den „Schreib-Projektions-Apparat Belsazar“ vom Mechaniker Carl Zeiss. Beim von ihm gegründeten Unternehmen Zeiss selbst ist man sich auf KURIER-Nachfrage aber nicht ganz so sicher, ob das wirklich stimmt.
1931 erhielt Zeiss zwar ein Patent für ein Gerät zur Projektion heller Linien und Punkte auf dunklem Grund, erklärt der Leiter des Unternehmensarchivs Wolfgang Wimmer. Allerdings würden wesentliche Eigenschaften keine Erwähnung finden.
Im amerikanischen Patent ist zudem Walther Bauersfeld als Erfinder genannt. Im Buch „Technik der optischen Projektion“ wird ebenfalls Bauersfeld als Erfinder angegeben. In seinen Unterlagen findet sich eine Berechnung zu „Unternehmungen für ein universales Projektionsgerät“ aus dem Jahr 1930. Wimmer geht darum davon aus, dass Bauersfeld der eigentliche Erfinder war.
Wie aus der Zeit gefallen Overheadprojektoren sind, wird einem deutlich vor Augen geführt, wenn man sich den Vortrag aus dem Jahr 2015 von Powerpoint-Erfinder Dennis Austin auf dem Youtube-Kanal vom Computer History Museum ansieht.
Bevor er auf seine eigene Erfindung von 1984 eingeht, erklärt er, wie damals (!) Präsentationen gehalten wurden. Als Anschauungsmaterial hat er einen Overheadprojektor mit. Offensichtlich ging der US-Amerikaner davon aus, dass das Gerät heutzutage viele gar nicht mehr kennen. Da hat er die Rechnung eindeutig ohne das heimische Bildungssystem gemacht.
Aus dem Fenster werfen, das ist dennoch nicht die richtige Lösung. Vielleicht kann man das allerletzte Exemplar am Ende mit einer Sänfte aus dem Klassenzimmer tragen.
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