Aufnahmen für die Ewigkeit: Sofortbildkamera-Verkäufe steigen wieder
„Sicher hatte der Kanzler noch keine Ahnung davon, daß es eine Kamera gibt, aus der man eine Minute nach der Aufnahme das fertige Bild herausziehen kann. Die Überraschung gelang, und wie groß das Staunen war.“
In der Zeitschrift Der Filmkreis ist 1955 eine Reportage darüber erschienen, wie der damalige deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer das erste Mal mit einer Polaroid-Kamera fotografiert wurde.
„Dat können auch nur die Amerikaner. Machen einmal so – und schon haben se das Bild fettich!“, soll er gesagt haben.
Der Artikel findet sich im Fundus von Gerhard Brischnik, Branchensprecher des Fotohandels in der Wirtschaftskammer Wien. Nicht nur Adenauer ließ sich von Sofortbildkameras überzeugen – tatsächlich gibt es immer mehr Fans. „Vor allem Jüngere begeistern sich für das analoge Instagram“, sagt Brischnik.
Schon vor der Pandemie sei eine starke Nachfrage nach Sofortbild-Produkten zu erkennen gewesen, bestätigt auch eine Sprecherin von Mediamarkt. Alleine in den Jahren von 2016 bis 2018 habe sich die Nachfrage mehr als verfünffacht.
Doch dann fielen wegen der Lockdowns Partys und Hochzeiten aus – und das Interesse flachte ab. Jetzt steigen die Verkäufe bei den Händlern aber wieder deutlich an.
„Sorgsamkeit“ sei einer der wesentlichen Faktoren, so Brischnik. „Während man mit einer Digitalkamera oder dem Smartphone unzählige Fotos schießt, fotografiert man bei analogen Kameras bewusster – schon aufgrund der begrenzten Bildanzahl pro Film. „Digital only“ sei zudem von gestern. Die Kunden würden sich Produkte zum Anfassen wünschen. „Eben etwas, das nicht einfach reproduzierbar und flüchtig ist.“
Etwas für die Ewigkeit wollte man auch damals im Adenauer-Büro haben. „Wir mußten daraufhin seine Sekretärinnen auch sofort fotografieren“, heißt es im Text.
Etwas mit Bestand
Flüchtig ist die Sofortbildfotografie an sich ebenfalls nicht. Ihre Geschichte reicht bis ins Jahr 1933 zurück. In den Jahrzehnten nachdem Physiker Edwin Herbert Land das Polaroid-Trennbildfilm-Verfahren erfunden hat, wurde die Schnappschusskamera als Dokumentationskamera, Beweismittel oder Werkzeug von Künstlern eingesetzt.
Die Hochzeit erlebten die Sofortbild-Fotos in den 1970er- bis 1990er-Jahren, bevor der Hype Anfang dieses Jahrhunderts vorbei war und durch die digitale Fotografie und die Nutzung von Smartphones abgelöst wurde.
Der neuerliche Hype sei auch durch die „Retro-Entwicklung“ zu erklären. Produkte im Retro-Design fänden immer mehr Fans bei den Kunden. Etwas, das auch zu einem Comeback der Schallplatte geführt habe.
Gleichzeitig habe die technologische Weiterentwicklung der Kameras die Verkäufe noch weiter angekurbelt. Bei den neuesten Modellen lassen sich Bilder etwa auch digital verarbeiten und speichern.
Dass es bald nur noch Sofortbildkameras gibt, ist dennoch kein realistisches Szenario. Derzeit haben sie nur einen Marktanteil von rund zwei Prozent. Den großen Teil des Geschäfts macht die Branche laut Brischnik mit hochwertigen Digital-Kameras, Objektiven und Speichermedien.
Das klassische Wedeln der Fotos ergebe übrigens keinen Sinn mehr, erklärt Brischnik. Das sei ein Relikt aus alten Polaroid-Zeiten, als die Oberfläche der Fotos noch trocknen musste. Auf den Spaß muss man trotzdem nicht verzichten: „Wer nicht zu fest wedelt, richtet auch keinen Schaden an.“
Und Adenauer? „Vielleicht hat er das Bild heute noch“ mutmaßen die Autoren im Artikel von 1955. Da er bereits verstorben ist, ist das ausgeschlossen. Die Erinnerung an diesen Schnappschuss hat trotzdem überdauert – dank Brischniks Fundus.
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