Krawallnacht hinter der Hofburg
Es gab neun Festnahmen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt sowie Hunderte Anzeigen und Identitätsfeststellungen: So lautete Freitagnacht die Bilanz der Protestaktionen gegen den Akademikerball in der Wiener Hofburg.
Der von der FPÖ Wien organisierte Ball firmierte im Vorjahr noch offiziell unter der Ägide des Wiener Korporationsrings. Nach heftigen Protesten wurde das Treffen von deutschnationalen Burschenschaften und rechtspopulistischen Politikern aus dem In- und Ausland dieses Jahr umbenannt.
Nichtsdestotrotz kam es auch heuer wieder in der City zu wüsten Szenen. Dabei begannen die Kundgebungen der Ballgegner Freitagabend zunächst noch friedlich: Gegen 18 Uhr setzte sich ein Zug von rund 1200 Demonstranten von der Uni Richtung Stephansplatz in Bewegung. Der Versuch, zu den Flüchtlingen in der Votivkirche vorzudringen, die Freitag abermals in den Hungerstreik getreten waren, schlug fehl. Zu stark abgesichert war das Gotteshaus.
Bilder von den Demos in der Wiener Innenstadt
Schauplatzwechsel: „Wir sind hier, um den Akademikerball unmöglich zu machen. Wir können die Fressen der Burschis nicht mehr sehen“, skandierte ein Redner am Europaplatz. Gegen 18.30 Uhr marschierte von dort ein 1300 Personen starke Demonstrationszug in Richtung Innenstadt los. 200 Vermummte wurden von der Polizei angewiesen, ihre Maskierung abzunehmen. Sie gehören der linksextremen Gruppierung "Schwarzer Block" an, die als gewaltbereit gilt.
Schon bald versuchten die radikaleren Gruppen unter den Demonstranten, ihre Ankündigung den Ball zu verunmöglichen, in die Tat umzusetzen: Nach dem offiziellen Ende der Kundgebungen verflüchtigte sich die friedliche Stimmung zusehends: Aktivisten versuchten, die Zugänge zur Hofburg zu blockieren.
Blockaden
Etwa bei der Albertina: „Nazis raus“-Sprechchöre schallten über den Platz. Immer wieder detonierten auch Feuerwerkskörper. Rund 200 Polizisten drängten die Aktivsten ab. Sie versuchten, die sichtlich verschreckten Ballgäste zum Eingang zu schleusen. Daraufhin entwickelte sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Die Demonstranten versuchten, von allen Seiten den Eingang zu stürmen. Im weiteren Verlauf des Abends war es den Ballgästen nur noch möglich, in Taxikolonnen in die Hofburg zu gelangen.
Wer es zu Fuß versuchte, hatte mit wüsten Beschimpfungen und Übergriffen zu rechnen: Der EU-Abgeordnete Andreas Mölzer (FPÖ) bekam einen roten Farbbeutel ab. Auch andere Ballgäste erreichten die Hofburg nicht ohne Farbspritzer auf ihrer Abendgarderobe. Auf Twitter schreibt Mölzer, dass auch Stinkbomben, Eier und andere Sachen als Wurfgeschosse dienten. Zudem wurden Frauen "bespuckt und beschimpft". All dies hinderte Mölzer freilich nicht, aus dem Ballsaal zu twittern: "Trotz linker Randalierer muss man sagen, der Ball ist prächtig."
Johann Gudenus, Klubobmann der FPÖ Wien und selbst Mitglied einer Burschenschaft, wurde in einem Innenstadt-Lokal von Demonstranten bedrängt. Polizisten versuchten, ihn zum Ball zu eskortieren. Immer wieder wurden auch Knallkörper geworfen. Es kam zu Festnahmen. Acht Personen, darunter ein Polizist, wurden verletzt.
Die Wiener FPÖ nahm die Exekutive schwer unter Beschuss. Sie sieht ein "völliges Versagen der Polizeiführung". Laut Landesparteisekretär Hans-Jörg Jenewein wurden Dutzende Ballbesucher durch Stein- und Flaschenwürfe von Demonstranten verletzt - darunter auch Mölzer. Der sei vor der Oper von einem Wurfgeschoß getroffen worden und habe eine Platzwunde am Kopf erlitten, sagte ein Parteisprecher. Die Polizei weist das zurück: Mölzer sei eindeutig von einem Farbbeutel getroffen worden, dabei aber nicht schwer verletzt worden.
Attacke auf Demonstranten
Die Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS) kritisierten, dass "sich friedliche DemonstrantInnen von aggressiven Ballgästen attackieren lassen" hätten müssen. Laut GRAS-Aktivistin Antonia Fa verletzte eine Ballbesucherin Protestierende mit einem Pfefferspray. Außerdem habe die Polizei "zu späterer Stunde an manchen Orten massive Gewalt angewandt". Der Wiener Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl widersprach dem ebenso wie der FPÖ, die der Polizeiführung ein "Sicherheitschaos" vorwarf. Gemäß Pürstl handelte es sich um einen "besonnenen und bestens geordneten Einsatz".
"Heimseite" gehackt
Auch das Hacker-Kollektiv Anonymous Austria hatte eine Protestaktion gestartet: Wie bereits im Vorjahr wurde auch heuer wieder die "Heimseite" des Wiener Korporationsringes (WKR) lahmgelegt. Unter der Adresse wkr.at/nowkr fand sich unter anderem ein Online-Spiel namens "Burschi Shooter". Auch Youtube-Videos wurden in die Seite integriert.
Auch im Vorjahr war es durch einige Linksextreme zu Übergriffen auf Ballgäste gekommen. Auch heuer wieder hatten sich Gruppen aus dem Inland und dem benachbarten Deutschland angekündigt, die mit Bussen nach Wien kamen. Deutsche Aktivisten heizten mit Slogans wie „Nein, wir lieben dieses Land und seine Leute nicht“, die Stimmung im Internet auf.
Mahnwache
Ruhig verlief hingegen die Mahnwache auf dem Heldenplatz. Zu ihr hatte die Initiative „jetzt zeichen setzen“ aufgerufen, um friedlich gegen das Stelldichein der Rechten in der Hofburg zu protestieren. Mit einem eigenen Ordnerdienst verhinderte man Störungen durch gewaltbereite Demonstranten.
In den vergangenen Jahren gastierten auf dem Ball auch immer wieder Vertreter von rechtspopulistischen europäischen Parteien. Im Vorjahr beispielsweise Marine Le Pen, Vorsitzende der französischen Front National.
Laut schwedischen Medienberichten waren dieses Jahr zwei Vertreter der SDU in der Hofburg anwesend. Dabei handelt es sich um die Jugendorganisation der rechtspopulistischen Partei Schwedendemokraten.
Nachricht von Strache
Ein prominenter Gast des Vorjahrs blieb dem Ball heuer allerdings fern: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache weilt auf Familienurlaub. Am Nachmittag hinterließ er auf einer Facebook-Seite eine Nachricht an seine Fans: Darin fordert er die Exekutive auf, die im letzten Jahr "versagt" habe, " llen". Im Vorjahr war es bei den Kundgebungen ebenfalls zu Übergriffen gegen Ballbesucher gekommen. Drei davon wurden verletzt. Die Polizei nahm 20 Personen fest.
Kommentare