Calamari und Beef Tatar am Würstelstand

Ein Imbissverkäufer gibt Soße auf ein Gericht in einem Imbisswagen.
Mit Traditionen brechen: Beim Würstelstand "Alles Wurscht" gibt es Champagner, frittierte Calamari, Beef Tatar und Fermentiertes.

Gegenüber der ehemaligen Post- und Telegrafenverwaltung aus der Zeit der Monarchie, die erst unlängst zu Luxuswohnungen umgebaut wurde, steht am Börseplatz ein Würstelstand.

„Alles Wurscht“ heißt es in roter Schrift auf dem Schild, das über dem Stand hängt. Der Würstelstand ist ewig da, das Schild ist einen Monat alt. Passanten bleiben trotz Schneefalls stehen. Bekannterweise darf auch im Lockdown Essen zum Mitnehmen angeboten werden. Konsumiert wird in einer Entfernung von 50 Metern.

Im Stand werkt der 38-jährige Koch Sebastian Neuschler. Es brutzelt in der Fritteuse, etwas kocht auf der Kochplatte und in der Glasvitrine erkennt man Fermentiertes, also Eingemachtes – und man entdeckt französischen Champagner. „Alles Wurscht heißt, dass einfach alles wurscht ist“, sagt der Salzburger Neuschler auf sattelfestem Wienerisch.

Ein Imbissverkäufer gibt Soße auf ein Gericht in einem Imbisswagen.

Eine verschneite Straße in einer Stadt mit Gebäuden und Bäumen.

Seltenheit

Auch im Lockdown gibt es beim Stand zum Mitnehmen: Schinkenfleckerl, Beef Tartar oder Erdäpfel-Gulasch.

Bei Schneefall stehen Menschen vor einem Imbissstand „Alles Wurscht“.

Ein Feinschmecker Stand

Vor dem Stand steht Koch Sebastian Neuschler und Standbesitzer Maxim Esau.

Eine handgeschriebene Speisekarte von „Alles Wurscht“ mit verschiedenen Wurst- und Fleischgerichten.

Alles Wurscht

Der Würstelstand befindet sich direkt am Börseplatz. Dahinter befindet sich der Hermann-Gmeiner-Park.

Ein Mann steht an einem Grill mit Würstchen, während draußen ein anderer Mann im Schnee steht.

Mundpropaganda

Dass der Stand seit einem Monat wieder offen hat, hat sich schon herumgesprochen.

Regelbrecher

„Das ist hier zwar ein Würstelstand, aber hier gibt es Feines und Fermentiertes. Wir brechen die Regel“, sagt Neuschler. Er trägt einen weißen Pullover, auf dem eine Wurst abgebildet ist. Es ist das Logo des Standes – ein lachendes Würstchen mit Augen, Händen und Füßen.

Die Regeln bricht Neuschler insofern, als es bei seinem Würstelstand plötzlich Calamari Fritti (8,90 Euro) und Champagner (33 Euro) gibt, ebenso wie Schinkenfleckerl (8,20 Euro), Bio-Erdäpfel-Gulasch (6,90 Euro) und Käsekrainer mit fermentiertem Gurkerl (4,90 Euro).

Außerdem macht er hier Beef Tatar mit Oefferl-Butterbrioche (10,90 Euro) so-wie Trüffelpommes mit Grana (5,50 Euro). Es gibt Ochsen-Leberkäse (3,30 Euro) und vegane Würstel (5,50 Euro). Das Fleisch, sagt er, komme nur von heimischen Betrieben.

Das Porzellangeschirr hat die Form von Imbiss-Papptellern. Auch eine eigene Schank gibt es. Nach dem Lockdown wird Neuschler hier Champagner oder Spritzer im Glas ausschenken. Fine Dining am Würstelstand – das ist neu. Gewohnt ist man Käsekrainer, Frankfurter, Leberkäse, Bier und Manner-Schnitten.

Wieso gibt es bei „Alles Wurscht“ mehr Auswahl? Der Grund ist die spezielle Gewerbe-Genehmigung, die Neuschler hat. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen freiem und reglementiertem Gastgewerbe. Im freien Gastgewerbe – zu dem die meisten Würstelstände zählen – darf man nur Speisen mit Buffetcharakter verkaufen.

Drei Einmachgläser gefüllt mit eingelegten Chilischoten, Maiskolben und Radieschen.

Auch im Glas

Fermentierte Radieschen, Milde und scharfe Pfefferoni fermentiert, Babymais mit Chilli fermentiert

 

Ein Koch mit Maske und „Alles Wurscht“-Schürze bereitet eine Speise zu.

Auch im Stand

Filip Sitsch arbeitet auch am Würstelstand.

 

 

Eine Hand hält eine Schale mit Pommes Frites, möglicherweise in einem Imbissstand.

Trüffelpommes

Immer ein bisschen garnieren: Trüffelpommes mit Grana.

 

Abhängig vom Gewerbetyp

Und es dürfen nur antialkoholische Getränke ausgeschenkt werden, mit Ausnahme von Dosen- und Flaschenbier. Im reglementiertem Gastgewerbe darf hingegen Alkohol ausgeschenkt werden und Gekochtes verkauft werden – fast so, wie in einem kleinen Restaurant. Auch bei der Sperrstunde gibt es – abhängig vom Gewerbetyp – unterschiedliche Vorgaben. Während ein klassischer Würstelstand bis 4 Uhr offenbleiben darf, darf die reglementierte Gastro lediglich bis 24 Uhr Gäste bewirten.

Neuschler hat für „Alles Wurscht“ jedenfalls ein reglementiertes Gastgewerbe angemeldet – und beim Angebot daher mehr Spielraum. Gekauft hat den Würstelstand am Börseplatz Neuschlers Geschäftspartner, Maxim Esau. Bereits 2018 hat er begonnen, den Stand zu renovieren. „Jetzt ist alles fertig“, sagt er. Ein großer Wunsch sei ein Schanigarten – aber das sei Zukunftsmusik.

Noble Gesellschaft

Neuschler traut sich mit der Revolution des Würstelstandes etwas. Immerhin ist der Würstelstand für viele Kulturgut. Sogar der Wien-Tourismus kokettiert damit. Dass Neuschler krisenfest ist, hat er im Vorjahr bewiesen: Mit seinen Freunden von der „Kurly Krew“ – einer Gruppe junger Gastronomen – produzierte er kurzzeitig Speisen im Einmachglas. Erst kurz davor war die geplante Neuübernahme eines Restaurants wegen Corona geplatzt. Außerdem entwickelte Neuschler für einen Club fermentierte Pizza.

Calamari Fritti gibt es bei Alles Wurscht

Calamari am Würstelstand

Das ist neu: Calamari Fritt am Würstelstand mit Zitrone und selbstgemachter Chipotle Mayo.

Ein Teller mit Beef Tatar, Toast und Mayonnaise bei „Alles Wurst“.

Beef Tatar

Auch außergewöhnlich ist das Beef-Tartar. Nach dem Lockdown wird das Gericht wieder auf Porzellan serviert.

Eine Mahlzeit mit Wurst, Brötchen, Senf und einer Gewürzgurke wird serviert.

Klassiker fermentiert

Für Fermentations-Einsteiger: Käsekrainer mit fermentierter Gurke.

Eine Hand hält eine Schale Currywurst mit Soße und Currypulver.

Currywurst mit Koji-Currypowder

Auch bei der Currywurst ist Fermentiertes dabei: fermentiertes Curry Ketchup und Kojicurry Powder.

Eingelegtes Gemüse, darunter Maiskolben, Tomaten und Paprika, wird mit einer Zange aufgenommen.

Fermentierte testen

Zu jeder Speise kann dazu bestellt werden: Radieschen fermentiert, Kimchi oder fermentierte Pfefferoni. 

Zwischen der Börse und dem OPEC-Büro lebt es sich nun ganz gut: „Unlängst haben Börsianer hier wohl ein gutes Geschäft gemacht und für 1.000 Euro bei uns konsumiert“, sagt Neuschler .

Für all jene, die seiner kulinarischen Neuheit dauerhaft nah sein wollen, gibt es in der früheren k. k. Telegrafen Centrale am Börseplatz übrigens noch ein paar freie Stadtlofts. Eine Wohnung soll sogar 40 Millionen Euro kosten. Man is(s)t also in nobler Gesellschaft.

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