Der ungewisse Gang ins Kloster
Es ist Sonntagmorgen, kurz nach halb acht Uhr, als das vorerst letzte Kapitel in einer nicht enden wollenden Geschichte geschrieben wird: Knapp 50 Asylwerber verlassen freiwillig jenes Gotteshaus, das sie vor 76 Tagen aufgesucht und besetzt hatten. „Wir riskieren damit sehr viel, aber wir haben auch Hoffnung“, sagt der Pakistani Khan Adalat im Gespräch mit dem KURIER. „Wir können vielleicht nicht das ganze Flüchtlingswesen verändern, aber wir wollen weiter für unser Recht kämpfen. Mit dem Auszug aus der Kirche wollen wir Gesprächsbereitschaft signalisieren.“
Der Bus fährt ab
Während Adalat spricht, tragen andere etliche Plastiksäcke mit ihren Habseligkeiten aus der Kirche. Matratzen, auf denen Khan und die anderen 75 Nächte verbracht haben, werden vor der Votivkirche gestapelt. Andere sind dabei, das Gotteshaus aufzuräumen. „Wir vertrauen den Worten des Kardinals und des Bundespräsidenten“, sagt der Pakistani Ali Asmat. Kardinal Christoph Schönborn hatte den Flüchtlingen auch in der neuen Bleibe, dem 300 Jahre alten Servitenkloster in Wien-Alsergrund, den Schutz der Kirche zugesagt. Und Bundespräsident Heinz Fischer versprach Asmat und den anderen bereits im Februar Hilfe im Rahmen geltender Gesetze. „Die Flüchtlinge waren angesichts der hohen Polizeipräsenz rund um die Kirche zuletzt sehr verunsichert“, sagt Klaus Schwertner, Geschäftsführer der Caritas Wien. „Aber es ist uns gelungen, Vertrauen aufzubauen. Wir sind sehr froh über diesen Schritt.“ Schönborn, der anlässlich der Papst-Wahl in Rom weilt, sei ebenfalls erleichtert über den Kirchenauszug, sagte sein Sprecher Michael Prüller. Auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) äußerte sich zum Umzug. Es sei „ein Erfolg der Kirche, dass sie den Protest ohne Einschreiten der Polizei auflösen konnte“.
Die Übersiedlung in Bildern
Also alles eitel Wonne? Mitnichten. Die Flüchtlinge wollen ihren Protest auch im Kloster fortsetzen. Sie erklärten sich aber bereit, aktiv an ihren Verfahren mitzuwirken. „Damit liegen vorerst keine Schubhaftgründe vor“, erklärt Schwertner.
In den letzten Tagen hatte sich die Wiener Polizei mit den Flüchtlingen ein Katz-und-Maus-Spiel geliefert. Vor der Kirche lauerten Zivilfahnder. Ein Flüchtling wurde verhaftet. Er sitzt in Schubhaft. Am Sonntag hielt sich die Exekutive zurück. Innenministeriumssprecher Karlheinz Grundböck „begrüßt den Schritt zur Vernunft“. Er erneuerte das Angebot der Behörde an die Asylwerber, durch Beamte „ihre individuelle Perspektive und den Stand des Verfahrens“ abklären zu lassen. Bisher war die Situation paradox: Die Asylwerber demonstrierten zwar für ihren Aufenthalt, wirkten aber am Asylverfahren nicht mit. Ihr nun der Caritas schriftlich zugesagtes Versprechen, am Prozedere teilzunehmen, wertet Grundböck „positiv“. Wenngleich: „Die fremdenpolizeilichen Gesetze gelten für alle.“ Schubhaft werde aber nicht leichtfertig verhängt. „Das ist das letzte Mittel.“
Im Klosterkeller
Es ist kurz nach acht Uhr als der voll besetzte Bus das 300 Jahre alte Kloster im neunten Wiener Gemeindebezirk erreicht. Nach und nach beziehen Asmat und die anderen die warmen Räumlichkeiten. Die meisten sind erleichtert. Nur vereinzelt schütteln Flüchtlinge den Kopf. „Einige fürchten, dass sie hier nicht mehr gehört werden“, sagt ein Unterstützer. „Ich glaube aber, dass das nicht passieren wird.“ Noch scheint der junge Mann mit dieser Einschätzung recht zu haben. Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (G) meldete sich gestern mit deutlichen Aussagen zu Wort. „Das Innenministerium muss jetzt handeln. Viele der Anliegen der Flüchtlinge teile ich und ihre Umsetzung ist überfällig.“ Die FPÖ forderte hingegen, jene mit negativem Asylbescheid „umgehend abzuschieben“.
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