Ärztemangel: "Hacker will nie Verantwortung übernehmen“
Für Aufregung unter Ärzten sorgte das jüngste KURIER-Interview mit Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, in dem er den Primarärzten eine Mitverantwortung an der Personalmisere in den Spitälern gab. Stefan Ferenci, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, geht nun mit Hacker scharf ins Gericht.
KURIER: Die Kammer hat eine eMail-Adresse eingerichtet, an die Spitalsärzte Gefährdungsanzeigen schicken können, die sich aus den aktuellen Personalproblemen ergeben. Wie viele sind schon angekommen?
Stefan Ferenci: Es sind einige eingelangt. Wir müssen aber immer Rücksprache mit den Kollegen halten. Schließlich haben viele Angst vor Repressalien.
Was konkret meinen Sie?
Als zuletzt die Gefährdungsanzeige des Urologie-Vorstandes im AKH publik wurde, wurde von der Stadt erklärt, das Pflegepersonal würde flüchten, weil das Klima auf der Abteilung so schlimm sei. Dieses Narrativ hat Gesundheitsstadtrat Peter Hacker aber bald einstellen müssen, weil es durch nichts zu belegen war.
Haben Sie so wenig Vertrauen in die Personalvertretung vor Ort, dass Sie diesen Schritt setzten?
Ich habe vollstes Vertrauen in sie. Aber viele Kollegen fühlen sich wohler, wenn sie Gefährdungsanzeigen auch extern platzieren können, weil sie oft das Gefühl haben, dass sie am Dienstweg versanden.
Laut Hacker liege die Verantwortung für die Personalprobleme auch an Primarärzten, die es nicht schaffen, ihr Team zu motivieren.
Hacker will nie Verantwortung übernehmen und sucht die Schuld immer bei anderen. Natürlich ist das Mikromanagement die Aufgabe der Primarärzte, aber es ist die Verantwortung des Stadtrats, Bedingungen zu schaffen, dass das auch möglich ist. Derzeit hat aber ein Primar weder Personalhoheit noch Einfluss auf die Pflege.
Wie erklären Sie sich dann, dass es auf einzelnen Abteilungen Personalprobleme gibt, auf anderen aber nicht?
Wir kennen nur die Spitze des Eisbergs. Wir haben in der Stadt Wien ein Klima der Angst, viele trauen sich Missstände nur hinter vorgehaltener Hand anzusprechen. Natürlich kann ein schlechtes Klima an bestimmten Stationen auch an einzelnen Personen liegen, ein so großer Konzern sollte dann aber reagieren und entsprechende Management-Tools anwenden.
Warum soll das Versagen bei der Stadt Wien liegen, wo es doch auch in den Spitälern in den anderen Bundesländern Personalprobleme gibt?
Wien versorgt als Metropole auch den Speckgürtel mit. Manche spezifischen Behandlungen können auch nur in einem großstädtischen Zentrum angeboten werden. Daher finde ich es auch absurd, wenn Hacker immer wieder die hohe Zahl an Gastpatienten in Wien kritisiert. Das zerreißt die Gesellschaft.
Was muss Wien tun, um die Personalnot zu beseitigen?
Neben flexiblen Dienstmöglichkeiten geht es auch um die Gehälter. Deutsche Primarärzte bekommen nach meinen Informationen teilweise das Dreifache bezahlt. Bei uns sind sie angehalten, ihr Gehalt mit Sonderklasse-Patienten aufzubessern, was aber nicht in jedem Fach geht.
Aber geht es nicht mehr um die Engpässe an der Basis?
Natürlich auch. Aber wenn eine Abteilung, wie etwa die Kinderpsychiatrie am Rosenhügel, jahrelang keine Führung hat, dann geht sie langsam den Bach runter.
Soll der Sonderklasse-Anteil ausgebaut werden, um das Arbeiten in den Wigev-Spitälern attraktiver zu machen?
Wien lehnt das aus ideologischen Gründen ab. Eine Sonderklasse mit Fokus auf die Hotelkomponente und freie Arztwahl wäre aber eine Möglichkeit, um mehr Geld für die allgemeine Versorgung einzunehmen. Voraussetzung wäre Transparenz und eine klare Trennung wie etwa ein Zeitfenster, in dem nur Private behandelt werden dürfen. Der Ausbau darf aber nicht auf Kosten der Versorgung der Allgemeinbevölkerung gehen.
Ihnen wird vorgeworfen, dass Sie als niedergelassener Arzt die Spitalsärzte vertreten. Wann waren Sie zuletzt in einem Wiener Spital?
Dass ich in einem gearbeitet habe, ist schon eine Zeit her. Aber oft kann man aus einer Außenperspektive die Probleme sogar besser wahrnehmen. Ich habe diese Position übernommen, weil ich ein glühender Verfechter des Roten Wien bin. Eine seiner Säulen ist ein funktionierendes Gesundheitssystem. Und um dieses mache ich mir Sorgen. Ich habe angeboten, mich für fünf bis zehn Stunden am Rosenhügel anstellen zu lassen, um dort die Engpässe überbrücken zu helfen. Bisher gab es aber keine Rückmeldung.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Stadtrat Hacker?
Ich weiß nicht, ob er wirklich glaubt, was er sagt. Entweder sieht er die Probleme nicht oder er hat Erklärungsmodelle, die nicht der Realität entsprechen. Oder es werden ihm potemkinsche Dörfer hochgezogen, und er wird über die Situation in den Spitälern im Unklaren gelassen. Ich erlebe ihn als wenig bereit, den Leuten zuzuhören.
Werdegang
Stefan Ferenci (45) studierte Medizin an der MedUni Wien. 2009 bis 2016 ließ er sich am Rosenhügel zum Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie ausbilden.
Er betreibt eine Kassenordination in Baden (NÖ) sowie eine Privatpraxis in Wien
Ärztekammer
Ab 2017 war Ferenci Finanzreferent der Wiener Ärztekammer. Nach der Kammerwahl 2022 wurde er Vizepräsident und Obmann der Kurie der angestellten Ärzte. Weiters ist er stv. Obmann der Bundeskurie der
angestellten Ärzte
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