Ärzte-Chef: "Patientenanwältin hat die Infektion nicht verstanden"

Ärzte-Chef: "Patientenanwältin hat die Infektion nicht verstanden"
Thomas Szekeres kontert den Vorwürfen, Ärzte würden wegen der Coronakrise nur eingeschänkt behandeln.

Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres im KURIER-Gespräch über den Mangel an Schutzmasken und die Vorwürfe der Wiener Patientenanwältin gegen Kassenärzte.

Herr Präsident, sind die aktuellen Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung des Virus ausreichend?

Die Regierung macht mit ihren weitreichenden Maßnahmen einen sehr guten Job. Ich bin besonders beeindruckt vom Bundeskanzler. Ich hoffe, dass jetzt die Infektionszahlen bald zurückgehen.

Und auf Wiener Ebene, die ja nicht immer ganz einig mit dem Bund war?

In Wien gibt es ein vorbildliches System, das mit Hilfe des Ärztefunkdiensts umgesetzt wurde: Patienten mit Symptomen werden  daheim aufgesucht und auf das Coronavirus getestet. Dadurch wird verhindert, dass die Patienten in die Ordinationen gehen und dort andere Menschen infizieren. Sehr früh haben wir in Wien auch die Triage-Zelte vor den Spitälern umgesetzt, damit Infizierte nicht Spitalspatienten und -personal anstecken. Wohl auch dank dieser Maßnahmen steht Wien im Bundesländer-Vergleich mit den Infektionszahlen nicht so schlecht da.

Sie haben zuletzt eindringlich auf Engpässe bei Hygiene-Material wie etwa Schutzmasken hingewiesen. Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wo es aktuell besonders kritisch ist?

Die Engpässe sind abzusehen, wenn die Krankheit fortschreitet. Der niedergelassene Bereich hat zu wenig Schutzausrüstung, auch in den Spitälern muss gespart werden. Es werden Millionen von Masken notwendig sein. Die wurden natürlich nicht vorgehalten, weil mit so einer Situation nicht zu rechnen war. Mein Appell zielte darauf ab, dass jetzt schnell für das gesamte Gesundheitspersonal eingekauft wird. Ich hoffe, das habe ich erreicht.

Hätte man nicht doch für so eine Situation vorsorgen können?

Denken Sie an die Schutzmasken der damaligen Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat. Sie wurde geprügelt dafür, dass sie sie eingekauft hat. Heute sind wir froh, dass wir sie haben.

Zuletzt hat Michael Binder, medizinischer Direktor des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV), mehrfach betont, es seien in den Wiener Gemeindespitälern noch genug Masken vorhanden. Spielt er die Situation herunter?

Es gibt derzeit Masken, für einen Peak der Erkrankung sind sie aber nicht ausreichend.

Zuletzt hatte Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz gemeint, Ärzte sind auch selbst mitverantwortlich, dass ihre Ordinationen ausreichend mit solchem Material ausgestattet ist. Hat sie recht?

Die Ordinationen sind damit ausgestattet, was sie für ihren normalen Routine-Betrieb brauchen. Man kann von ihnen nicht erwarten, dass sie für eine Pandemie gewappnet sind. Das ist auch nicht vorgeschrieben. Somit ist das eine ungerechte Schuldzuweisung der Patientenanwältin.

Welche Lehren muss man für die Zukunft in Sachen Verfügbarkeit von solchen Produkten ziehen?

Prinzipiell ist Österreich gut aufgestellt. Allerdings sollte man für gewisse Materialien die Produktion im Inland ausbauen. Wenn man vom Ausland anhängig ist, kann man schnell in eine unangenehme Situation kommen. Noch viel mehr gilt das für Medikamente, wo viele Produktionsstätten in Indien und China liegen.

Patientenanwältin Pilz hat auch kritisiert, dass Ärzte aktuell dringliche Fälle mitunter nicht behandeln. Warum ist das so?

Pilz hat die Infektion nicht verstanden und wie sie zu bekämpfen ist. Einer der Schlüssel ist die Verhinderung von Ansteckungen in Spitälern und Ordinationen. Wir haben deshalb die Kollegen in den Ordinationen aufgefordert, nur akute Fälle und nur nach telefonischer Voranmeldung zu behandeln. Damit wollen wir verhindern, dass 100 Patienten gleichzeitig in die Ordination kommen und sich gegenseitig anstecken.

Stimmt es, dass derzeit viele Ordinationen zugesperrt haben?

Der Vorwurf, dass derzeit nicht genug Ordinationen offen haben, ist schlicht falsch. Wir haben das gegengecheckt. In Wien waren letzte Woche von 1800 Praxen 120 geschlossen, zum Teil, weil die Ärzte selbst in Quarantäne waren.

Immer lauter wurde zuletzt der Ruf nach mehr Coronavirus-Tests. Ist dieser Ansatz richtig?

Ja. Aber es gibt keine unlimitierten Testkapazitäten. Immerhin: Wir arbeiten intensiv an deren Erweiterung. Die sogenannten Schnelltests sind hingegen nicht brauchbar, weil sie keine zuverlässigen Ergebnisse liefern.

Wer soll alles getestet werden?

Ganz wichtig ist das Testen von medizinischem Schlüsselpersonal. Damit verhindert wird, dass dieses die Patienten ansteckt. Das würde einen gefährlichen Multiplikator-Effekt nach sich ziehen.

Immer wieder wird kritisiert, dass auf die Tests bzw. auf die Ergebnisse zu lange gewartet werden muss.

Das System ist an seiner Grenze, deshalb bauen wir es laufend aus. Für die Patienten ist es natürlich nicht ideal, wenn sie warten müssen. Aber solange es ihnen nicht schlecht geht, passiert ihnen ja nichts. Geht es ihnen schlecht, müssen sie ihren Arzt kontaktieren oder im schlimmsten Fall die Rettung verständigen.

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