93.000 Quadratmeter Wildnis: Wie in Wien ein neuer Park entsteht

93.000 Quadratmeter Wildnis: Wie in Wien ein neuer Park entsteht
In der „Freien Mitte“ am ehemaligen Nordbahnhof wurde ein weiterer Bauabschnitt fertiggestellt und für die Bevölkerung geöffnet.

„Eigentlich“, sagt Jürgen Czernohorszky und blickt an seinem grauen Dreiteiler hinab, „sind das nicht die richtigen Schuhe“. Aber was soll’s. Wenig später schon stapft er über den regennassen, gatschigen Erdboden – und ist wieder ganz in seiner Rolle als Umweltstadtrat.

Czernohorszky ist zu Besuch bei einem seiner Prestigeprojekte: der „Freien Mitte“ – einer riesigen Parkanlage, die hier inmitten des dicht verbauten Gebiets im 2. Bezirk auf unglaublichen 93.000 Quadratmetern entsteht. Die ersten Teile des Areals konnten im Vorjahr für die Wienerinnen und Wiener geöffnet werden (der KURIER berichtete über die Stadtwildnis), diese Woche wurde ein weiterer Bauabschnitt fertiggestellt. Der sogenannte „Zentrale Bereich – Nord“ (ja, bei der Namensgebung könnte man durchaus noch kreativer werden) umfasst immerhin 24.000 Quadratmeter.

Freie Mitte wird der größte Park, den Wien seit 1974 gebaut hat

Möglich geworden ist das Projekt inmitten der Stadt nur, weil „Brownfields“ – also ehemalige, brachliegende Industriegebiete – neu erschlossen werden, sagt Czernohorszky. Die Parkanlage entsteht auf dem Areal des früheren Nordbahnhofs, rund um das derzeit eifrigst gebaut wird.

Das Areal des Parks Freie Mitte, umgeben von Baukränen

Rege Bautätigkeit rund um das Areal: 5.000 Wohnungen entstehen.

Bis 2026 sollen im Grätzel rund 5.000 Wohnungen und 2.500 Arbeitsplätze entstehen, bis 2030 sollen hier 20.000 Menschen wohnen. Derzeit ist der Park von einem Dutzend Kränen umrundet. Wenn sie abziehen, soll auch die „Freie Mitte“ fertig sein.

Wie bedeutend das Projekt ist, zeigt der historische Vergleich: Es ist der größte Park, den die Stadt seit dem Jahr 1974 (damals schuf man den Kurpark Oberlaa) errichtet, erzählt der Stadtrat, während er einen Baum pflanzt (Kirsche), den Kinderspielplatz bewundert und die Gehwege inspiziert.

93.000 Quadratmeter Wildnis: Wie in Wien ein neuer Park entsteht

Stadtwildnis im Wiener Nordbahnviertel

Zu sehen gibt es tatsächlich einiges. Die gesamte Anlage soll „Geschichte atmen“, so Czernohorszky. Spuren der Vergangenheit werden nicht eliminiert, sondern geschickt ins Parkkonzept eingebaut. Die Gehwege etwa sind links und rechts von alten Eisenbahnschienen begrenzt, meterhohe Strommasten sollen den Vögeln als Nistplätze dienen, und eine renovierte Bahnbrücke aus den 1870er-Jahren (offenbar eine der ersten überhaupt) ist zugleich Aussichtspunkt und Verbindung zu der angrenzenden „Stadtwildnis“, die man im Vorjahr als Lebensraum für Wildtiere schuf.

Diese – konkret die Eidechsen – sollen auch zwischen den Steinen einer alten Mauer leben, die man aufgeschlichtet hat. Dass sich so manch tierischer Bewohner auf dem Areal schon daheim fühlt, zeigt sich auf einem der Gehwege. Hier hat sich jemand mit Pfotenabdrücken im damals frischen Beton verewigt. (Einzig die Frage, ob es sich um einen Hasen, einen Fuchs oder vielleicht doch nur um einen Hund handelt, kann beim Lokalaugenschein noch nicht abschließend geklärt werden.)

Vielleicht erledigen das Wienerinnen und Wiener, die hier schon bald die Natur genießen sollen: Auf der (automatisch bewässerten) Wiesenfläche darf man picknicken und Drachen steigen lassen. Der Kinderspielbereich verfügt über eine Sand-Matsch-Zone, Rutschen und Schaukeln und Kletterelemente. Auch einen Fahrradspielplatz gibt es, auf dem die Kinder (auf heiklen Belägen wie Pflastersteinen und Schotter) ihr Fahrgeschick testen können. Die Hundezone ist 600 Quadratmeter groß, der Nachbarschaftsgarten umfasst 560 Quadratmeter

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Schonende Erkundung der Freien Mitte

Durch andere, naturbelassenere Ecken führen Holzstege, die eine „schonende Erkundung“ des Areals ermöglichen. (Ihnen ist es zu verdanken, dass die Turnschuhe des Stadtrats dann doch halbwegs sauber bleiben.) Zusätzlich zum alten Baumbestand haben die Wiener Stadtgärtner exakt 132 Jungbäume sowie heimische Sträucher gepflanzt.

„In Zeiten des Klimawandels ist es für die Lebensqualität wichtiger denn je, derartige Grünflächen zu schaffen und den Menschen zugänglich zu machen“, sagt Czernohorszky. Gelungen ist das in Zusammenarbeit mit den ÖBB, denen das Areal noch immer gehört. Derzeit besteht – damit alles mit rechten Dingen zugeht – ein Bahngrundbenützungsvertrag.

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Eine historische Brücke aus den 1870ern wurde instand gesetzt und dient nun als Aussichtspunkt.

Nach der Fertigstellung 2025 geht das Gelände an die Wiener Stadtgärten über. Insgesamt investiert die Stadt mehr als fünf Millionen Euro.

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