Verschollenes Tauchboot: War die Hülle der "Titan" zu dünn?
An der Sicherheit des seit Sonntagvormittag vermissten Tauchboots "Titan" kommen immer mehr Zweifel auf. Einem Bericht von CNN zufolge äußerten zwei Mitarbeiter der Betreiberfirma Oceangate unabhängig voneinander bereits vor einigen Jahren Sicherheitsbedenken bezüglich der Dicke des Rumpfes des nun verschwundenen Tauchboots.
Ein Forschungsbericht scheint zudem widersprüchliche Informationen über die Technik und Tests zu enthalten, die in die Entwicklung des Tauchboots eingeflossen sind.
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Der frühere Direktor des Oceangate-Schiffbetriebs, David Lochridge, behauptet in einer Gerichtsakte, er sei im Jahr 2018 zu Unrecht entlassen worden, weil er Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und der Tests der "Titan" geäußert hatte, die am Sonntag mit fünf Personen an Bord während einer Reise zur Besichtigung des Wracks der "Titanic" verschwunden war.
Arbeitnehmer wurde vom Unternehmen verklagt
Lochridge war von 2016 bis 2018 in dem US-Unternehmen angestellt. Das Unternehmen beendete das Arbeitsverhältnis und verklagte Lochridge und seine Frau unter anderem mit der Behauptung, er habe Geschäftsgeheimnisse veruntreut. In der Klage heißt es zudem, Lochridge sei kein Ingenieur, sondern ein Tauchpilot und Taucher.
Lochridge sagte in einer Gegenklage, er sei von Stockton Rush, dem Eigentümer von Oceangate und einer der fünf vermissten Menschen an Bord der "Titan", beauftragt worden, das Tauchboot zu inspizieren. Als er Sicherheitsbedenken bezüglich der Titan-Ummantelung äußerte - laut Lochridge seien nicht alle relevanten Tests durchgeführt worden -, wurden diese ignoriert. Es gebe keine Ausrüstung zur Durchführung derartiger Tests, soll es geheißen haben.
Der Rechtsstreit wurde im November 2018 beigelegt und abgewiesen. Aus Gerichtsakten des Unternehmens geht hervor, dass nach Lochridges Zeit bei Oceangate zwar tatsächlich zusätzliche Tests durchgeführt wurden. Unklar ist jedoch, ob seine Bedenken berücksichtigt wurden.
War die Hülle der "Titan" zu dünn?
Ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter von Oceangate, der im gleichen Zeitraum wie Lochridge kurzzeitig als Betriebstechniker für das Unternehmen tätig war, hatte ähnliche Bedenken, wie er gegenüber CNN erklärte. Der ehemalige Angestellte, der anonym bleiben möchte, war besorgt, dass die Kohlefaser-Hülle der "Titan" schlicht zu dünn sein. Der Rumpf soll nur fünf Zoll (rund 13 cm) statt sieben Zoll (rund 18 cm) - wie von Ingenieuren gefordert -, dick gewesen sein.
Auf die Sicherheitsbedenken von Mitarbeitenden und Auftragnehmern habe Rush jedoch abwehrend reagiert. In Besprechungen habe er keine Fragen beantworten wollen. Als der ehemalige Angestellte seine Bedenken, dass Oceangate möglicherweise gegen ein US-Gesetz verstoßen könnte, das sich auf Inspektionen der Küstenwache bezieht, direkt an Rush herantrug, wies der CEO sie rundheraus zurück, so der Ex-Angestellte, der daraufhin kündigte.
In einer Gerichtsakte aus dem Jahr 2021 rühmte ein Rechtsanwalt von Oceangate die technischen Daten und ein in die "Titan" eingebautes Überwachungssystem für den Rumpf, das er als "unvergleichliches Sicherheitsmerkmal" bezeichnete. Der Rechtsvertreter informierte das zuständige US-Bezirksgericht über die Expeditionspläne des Unternehmens zu diesem Zeitpunkt.
War das Tauchboot von Anfang an zu unsicher?
In dem Antrag werden die Einzelheiten der Tests und die Spezifikationen der "Titan" dargelegt. Das Tauchboot habe mehr als 50 Testtauchgänge absolviert, der Rumpf bestehe aus einer 13 Zentimeter dicken Drückhülle aus Kohlefasern und Titanium. Das Tauchboot sei das Ergebnis von mehr als acht Jahren Arbeit, einschließlich "detaillierter Konstruktions- und Entwicklungsarbeiten im Rahmen eines von der Firma ausgestellten 5-Millionen-Dollar-Vertrags mit dem Applied Physics Laboratory der University of Washington", heißt es in dem Schriftstück.
- Seit 2021 soll Oceangate rund 60 zahlende Kunden und zwischen 15 bis 20 Forschende zur Titanic gebracht haben. Das Wrack liegt in einer Tief von 3800 Metern.
- An Bord der "Titan" befinden sich der Forscher Paul-Henri Nargeolet (77). Der als "Monsieur Titanic" bekannte Franzose gilt als einer der besten Experten für das Wrack des 1912 gesunkenen Luxusliners.
- Der britische Abenteurer Hamish Harding (58), der mehrere Guinness-Weltrekorde hält
- Der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman.
- Der fünfte Vermisste ist laut Betreiberfirma Oceangate Expeditions der Unternehmenschef Stockton Rush (61) als Kapitän des Bootes.
Wie die University of Washington jedoch mitteilte, war deren Labor nie mit dem Design oder der Konstruktion der "Titan" befasst. Die Expertise des Labors bezog sich "nur auf die Implementierung in flachen Gewässern", und "das Labor war nicht am Design, der Konstruktion oder den Tests des TITAN-Tauchbootes beteiligt, das bei der RMS TITANIC-Expedition verwendet wurde", wird Kevin Williams, geschäftsführender Direktor des Applied Physics Laboratory der University of Washington, in einer Erklärung gegenüber CNN zitiert.
Tauchboot hatte ein Problem mit der Batterie
Im Jahr 2022 erhielt das zuständige Gericht im US-Bundesstaat Virginia einen Schriftsatz über die Expeditionen von Oceangate. "Beim ersten Tauchgang zur Titanic hatte das Tauchboot ein Problem mit der Batterie und musste manuell an der Hebeplattform befestigt werden", heißt es. Und: "Oceangate beschloss, die zweite Mission für Reparaturen und betriebliche Verbesserungen abzubrechen", nachdem das Schiff "leichte Schäden an seinen externen Komponenten erlitten hatte."
Bei der dritten, vierten und fünften Mission gab es keine Probleme mit dem Tauchboot, die zu einem Abbruch der Tauchgänge geführt hätten, heißt es in der Gerichtsakte. In einem Blog-Beitrag von Oceangate aus dem Jahr 2019 erklärte das Unternehmen, dass die meisten Schifffahrtsunternehmen verlangen, dass gecharterte Tauchboote von einer unabhängigen Gruppe wie dem American Bureau of Shipping klassifiziert werden.
Die "Titan" sei jedoch nicht klassifiziert, heißt es in dem Blogbeitrag. Denn dafür sei ein mehrjähriges Genehmigungsverfahren notwendig, was schnellen Innovationen im Wege steht. Zudem würden die Klassifizierungsbehörden nicht sicherstellen, "dass die Betreiber ordnungsgemäße Betriebsverfahren und Entscheidungsprozesse einhalten - zwei Bereiche, die für die Risikominderung auf See viel wichtiger sind." So sei die überwiegende Mehrheit der Unfälle auf See (und in der Luftfahrt) auf Bedienungsfehler und nicht auf mechanisches Versagen zurückzuführen.
Die Klassifizierung allein reiche nicht aus, "um die Sicherheit zu gewährleisten", so Oceangate.
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