Parallel zu einer riesigen Such- und Rettungsaktion im offenen Meer, 1.500 Kilometer östlich des US-Bundesstaates Massachusetts, wo die "Titan" nach fast zwei Stunden Abstieg oberhalb des "Titanic"-Wracks nach einem letzten "Ping“-Kontakt mit dem Mutterschiff "Polar Prince" am Sonntag spurlos verschwand, werden Zweifel an der Sicherheit des Expeditionsunternehmens OceanGate laut.
Im Mittelpunkt steht der Reporter und Autor David Pogue. Er wurde 2022 von OceanGate-Gründer Stockton Rush eingeladen, für den US-TV-Sender CBS über eine Tour zum 1912 gesunkenen Ozean-Dampfer zu berichten. Das Experiment in 3.800 Meter Tiefe begann für Pogue mit dem Unterzeichnen einer "Alles-geht-aufs-eigene-Risiko"-Erklärung.
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Von keiner Behörde genehmigt
Schon auf der ersten Seite tauchte drei Mal die Gefahr eines tödlichen Zwischenfalls auf. Als Pogue von Rush in die Röhren-ähnliche, enge Kabine des auf Maß angefertigten Tauchbootes geführt wurde, schüttelte er ungläubig den Kopf. Das kleine U-Boot, sagte der Rush stolz, werde mit einer Plastik-Konsole gesteuert, wie man sie von Xbox-Game-Computern kennt. Die Licht-Röhre an der Decke sei aus dem Baumarkt. Ein Teil des Ballastes, um Auf- und Abstieg zu gewährleisten, bestehe aus Baustellen-Rohren. Ein Rettungskonzept wie bei U-Booten der US-Marine, wo sämtliche Sicherheitstechniken doppelt vorhanden sind, gibt es laut Pogue nicht.
Geöffnet werden kann die Kapsel, die von keiner staatlichen Behörde genehmigt wurde, nur von außen. Pogue beschreibt in seinem TV-Beitrag ausführlich, dass die "Titan" in nachtschwarzer Meerestiefe quasi blind sei und nur durch Text-Mitteilungen der Crew auf dem Mutterschiff navigiert werden könne. "Vieles wirkte improvisiert", so der Reporter in einem aktuellen Interview.
Vor allem eine Äußerung, zumal das bei Seattle ansässige Unternehmen OceanGate beharrlich schweigt, sorgt für Aufsehen: Bei Stromausfall habe die "Titan" sieben verschiedenen Optionen, um eigenständig wieder an die Wasseroberfläche zu gelangen. Wäre dem so, müsste das zehn Tonnen schwere Gerät von den Spezialflugzeugen der Küstenwache, die seit Montag über dem Nord-Atlantik kreisen, entdeckt worden sein, sagen Experten. Es sei denn, das Tauchboot wurde zwischen Trümmerteilen der "Titanic" eingeklemmt oder hat sich in einem stählernen Schleppnetz verheddert – eine Tragödie in der Tragödie wäre.
Luft für 96 Stunden
Das Rennen gegen die Zeit wird durch die 4.000 Meter Tiefe erschwert, für die es kaum Bergungsmöglichkeiten gibt. David Concannon macht die Ungewissheit zunehmend panisch. Der Jurist und OceanGate-Berater wäre, wenn ihm beruflich nicht etwas dazwischen gekommen wäre, auch an Bord der Expedition gewesen. An der nehmen neben Rush und Nargeolet noch der britische Milliardär Hamish Harding, der pakistanische Milliardär Shahzada Dawood (48) sowie dessen Sohn Suleman (19) teil. Vom vergangenen Sonntagmorgen an gerechnet verfügt die "Titan" laut Concannon für circa 96 Stunden über Sauerstoff. Wenn die Kapsel nicht bis Donnerstagmorgen gefunden und geöffnet wird, könnte es für die Insassen zu spät sein.
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